Schatz der Menschheit Nun auch offiziell: Erfurt erhält Unesco-Welterbe-Urkunde
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11. August 2024, 17:17 Uhr
Manches dauert länger. 14 Jahre hatte Erfurt auf den Titel "Unesco-Welterbe" hingearbeitet. Vor knapp einem Jahr wurden die jüdischen mittelalterlichen Bauten - Mikwe, Alte Synagoge, Steinernes Haus - zum erhaltenswertem Schatz der Menschheit erklärt. Auf die offizielle Unesco-Urkunde musste die Stadt elf Monate warten. Nun wurde sie im Rathaus überreicht.
Die Urkunde besiegelt es schwarz auf weiß: Was Erfurt mit seinen jüdischen Gebäuden aus dem Mittelalter besitzt, ist weltweit einmalig und erhaltenswert. Die Urkunde soll nach dem Vorschlag des Kulturdezernenten Tobias Knoblich gut sichtbar im Rathaus aufgehängt werden. Mit einem großen Fest auf den Straßen und Plätzen rund um die Krämerbrücke und Mikwe wird die Ankunft der Urkunde gefeiert. Der Yiddish Summer Weimar kommt mit Musikern und Gesprächspartnern. Es gibt kostenlose Führungen, jiddische Musik, Workshops und am Abend ein Open-air-Konzert vor der Westfassade der Alten Synagoge.
Welterbe in Erfurt: Schützen, bewahren, erhalten
Zum Unesco-Welterbe gehören in Erfurt die Alte Synagoge, das jüdische Ritualbad und das Steinerne Haus. Die Gebäude sind klein, zum Teil im Altstadt-Ensemble versteckt und auch nicht - bis auf die Synagoge - frei zugänglich. Die Mikwe ist nur per Führung zu erleben. Für eine andere Art der Öffnung bräuchte es Personal.
Daran wird sich auch so schnell nichts ändern, bremst Kulturdezernent Knoblich die Erwartungen. Er warnt davor, aufs Tempo zu drücken: "Das Thema Welterbe ist kein Eilzugthema. Die Monumente sind da. Sie werden benutzt von Menschen, die zu uns kommen, und das mehr denn je. Das hier ist nicht der Jahrmarkt des Welterbes sondern etwas Kleines, sehr Wertvolles."
Auch das Steinerne Haus mit seiner wertvollen mittelalterlichen Holzbalkendecke ist noch nicht zugänglich. Es gibt Überlegungen, wie das Haus über andere Aufgänge für Besucher erschlosssen werden könnte. "Daran müssen wir jetzt arbeiten." Die Schwierigkeit: In dem Haus hat die Kulturdirektion, haben die Touristiker, hat das Amt für Märkte und Stadtfeste seinen Sitz. In einem Welterbezentrum könnte die Geschichte des Hauses filmisch und vielleicht an einem Modell erzählt werden.
Welterbezentrum: Stadtrat soll bald Weichen stellen
In dem einem Jahr als Welterbe-Stadt ist hinter den Kulissen einiges geschehen, insbesondere in Bezug auf das geplante Unesco-Welterbezentrum.
Architekturstudenten haben erste Modelle gebaut, wie ein Welterbezentrum aussehen könnte. Alle Varianten und möglichen Standorte wurden untersucht. Favorisiert wird der Parkplatz hinter dem Rathaus. Im Herbst soll es dazu im Stadtrat den Grundsatzbeschluss geben: "Wenn man etwas Großes plant, dass die nächsten 100 Jahre gelten soll, muss man das sehr genau untersetzen", sagt Knoblich. "Wir haben schon ein potenzielles Welterbezentrum entworfen, die Kubatur eines Gebäudes. Da haben wir festgelegt, was da rein muss - wie Sanitäranlagen und Räume für Pädagogik, aber auch Räume für die jüdische Landesgemeinde und ein koscheres Restaurant."
Der Grundsatzbeschluss würde bedeuten, dass das Kulturdezernat die Planung für den Standort "Rathausparkplatz" aufnehmen und vorantreiben kann.
Stadtführungen zum jüdischen Erbe in vier Sprachen
Die Alte Synagoge erlebt, seitdem sie Unesco-Welterbe ist, einen deutlich größeren internationalen Zulauf. Geführt wird in vier Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch und Französisch.
Tourismuschef Christian Fothe spürt den Effekt des Welterbetitels jeden Tag. Die gebuchten Stadtführungen haben sich gesteigert. Im ersten Halbjahr dieses Jahres gab es rund 350 Führungen zum jüdischen Erbe - 100 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Geführt wurden rund 6.000 Gäste, 1.500 mehr als zuvor.
"Das ist sehr gut", sagt Fothe. "Wir merken aber auch, dass wir in der bestehenden Struktur auf dem Niveau angekommen sind, wo wir sagen: Das können wir bewerkstelligen. Weiter zu wachsen, würde die Qualität nicht verbessern."
Noch sei Erfurt weit entfernt vom Übertourismus, aber das könne schnell geschehen. Es gehe keinesfalls um Masse. "Das Allerwichtigste ist doch, das Welterbe zu bewahren." Die Menschen, die zu uns kommen, wissen, dass das, was aus dem Mittelalter an jüdischen Gebäuden noch da ist, etwas Rares, Wertvolles ist", sagt Knoblich.
2023 sind mehr als 992.000 Übernachtungen in Erfurt gezählt worden. In diesem Jahr könnte die Marke von einer Million erreicht werden.
Keine großen Werbekampagnen geplant
Solange die Infrastruktur nicht ausgebaut ist, werde es keine großen Werbekampagnen geben. Für die Alte Synagoge gibt es Pläne, ein Nebengebäude mit zu nutzen, als künftigen Eingangsbereich. "Jetzt mal mit richtig viel Geld Werbung zu machen und zu sagen "Kommt alle nach Erfurt", das würden wir gern machen, wenn auch die Infrastruktur nachgezogen hat. Ich würde mir wünschen, dass wir das Welterbezentrum in zehn Jahren haben", sagt Fothe.
Von 100 Stadtführern in Erfurt haben 13 die Lizenz, zum jüdischen Erbe zu führen - einer mehr als im Vorjahr. Es sollten längst doppelt so viele sein. Doch es sind viele Jahrhunderte zu erzählen: angefangen beim Erfurter Judeneid aus dem Jahr 1200. Das Dokument enthält die Rechtsgrundsätze des Umgangs miteinander. Die Geschichte führt bis hin zum jüdischen Schatz, der bei Bauarbeiten vor über 30 Jahren gefunden wurde und heute das Highlight der Ausstellung in der Alten Synagoge ist. Nicht viele Stadtführer trauen sich dieses schwierige Spezialgebiet zu.
MDR (kir/mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. August 2024 | 19:00 Uhr
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