Die Verbindungsstraße zwischen Hochheim und Gothaer Platz ist  gesperrt.
Baustellen wohin man sieht: Es ist Sommer in Deutschland... Auch diese Straße in Erfurt zwischen Hochheim und Gothaer Platz ist gesperrt. Bildrechte: MDR/Friederike Noske

Der Redakteur | 21.06.2024 Warum neue Straßen manchmal fertig aussehen, es aber nicht sind

12. Juni 2024, 13:19 Uhr

Dauerbaustellen sind ein Ärgernis. Vor allem wenn der Eindruck entsteht, dass es nicht vorwärts geht oder sogar schon alles fertig zu sein scheint. Torsten aus Erfurt wollte wissen, warum Baustellen in der Stadt Erfurt trotz Fertigstellung vor drei Wochen für den Straßenverkehr gesperrt bleiben. Sein Beispiel: Die Kreuzung an der Thüringenhalle zum Schützenplatz. Unser Redakteur Thomas Becker ist der Frage nachgegangen.

Die Überschrift des Artikels hätte auch "Fachkräftemangel" lauten können. Denn das ist eine der Hauptursachen, wenn es nicht wie geplant voran geht. Wenngleich sich zuletzt die Zahl der Firmen, die im Baugewerbe den Fachkräftemangel als Problem ansehen, unter 30 Prozent gefallen ist. Das ifo-Institut sieht die schwächelnde Konjunktur als Ursache, die würde die Nachfrage nach Fachkräften aber nur kurzfristig verringern.

Das grundlegende Problem ist aber gekommen, um zu bleiben.

Ifo-Experte Klaus Wohlrabe

Die Branche steuert gegen, versucht ganz erfolgreich Auszubildende zu gewinnen, Frauen anzuwerben und auch Fachkräfte aus dem Ausland sind im Straßenbau keine Seltenheit. Die Sprache der Pflasterer zum Beispiel ist schon lange portugiesisch.

Auch Bauteile fehlen immer wieder

Am Tunnel am Schmidtstedter Knoten in Erfurt gibt es Bauarbeiten. Hier soll es künftig eine Haltestelle für Fernbusse geben.
Auch am Schmitdtstedter Knoten in Erfurt wurde in diesem Jahr schon lange gebaut Bildrechte: MDR/Michael Frömmert

Doch neben einer dünnen Personaldecke gibt es weitere Ursachen, warum Baustellen zu Dauerbaustellen werden oder scheinbar fertig wochenlang zum Ausstellungsgelände für Absperrungen mutieren. Lena Vogt ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bauhaus-Universität Weimar Professur Verkehrssystemplanung und kennt auch die Probleme der Baudezernate der Kommunen aus eigenem Erleben. Mitunter fehlen schlicht Teile, manchmal sind es spezielle, dann muss umgeplant oder improvisiert werden.

So war es auch im Fall des Schützenplatzes an der Thüringenhalle in Erfurt. Der Hinderungsgrund für die Freigabe waren fehlende Bauteile bei der Straßenbeleuchtung, sagte Amtsleiter Alexander Reintjes auf Anfrage von MDR THÜRINGEN. Nun gebe es ein Provisorium bei der Elektroversorgung. Man habe selbst das höchste Interesse daran, verkehrliche Einschränkungen auf das erforderliche Maß zu begrenzen.

Künstliche Verlängerungen sind uns wesensfremd. Die Verkehrsfreigabe am Schützenplatz erfolgt im Laufe der kommenden Woche. Dies ist aktuell noch abhängig von den Kapazitäten der Verkehrssicherungsfirma.

Dipl.-Ing. Alexander Reintjes, Amtsleiter der Stadt Erfurt

Der Bürgerwille und die Bauzeiten

Auch Einwände von Anwohnern führen häufig zu Verzögerungen, sagt Lena Vogt von der Bauhaus-Uni in Weimar. Manchmal sogar in der Bauphase, oft bereits in der Planungsphase, die ohnehin länger dauert als die eigentliche Baumaßnahme. Sie nennt das Beispiel Sophienstiftsplatz in Weimar hinter dem Theater, bei dem die Planung zwei Anläufe gebraucht hat. Der erste Entwurf fiel bei der Weimarer Bevölkerung durch.

Man hat eine öffentliche Beteiligung gemacht und die Bürger haben gesagt: das, das und das funktioniert so nicht.

Lena Vogt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bauhaus-Universität Weimar Professur Verkehrssystemplanung

Eine "erfolgreiche" Beteiligung fehlt andernorts mitunter, das Thema Parkraumverknappung mit dem Ziel einer Verkehrswende wird seitens der Kommunen mitunter ziemlich alternativlos umgesetzt. Mit der Forscherbrille auf der Nase spricht Lena Vogt von "Push- und Pull-Maßnahmen" und meint damit, dass solche restriktiven Maßnahmen immer verbunden werden müssen mit Angeboten, also zum Beispiel beim Rad oder dem ÖPNV.

Sophienstiftsplatz Weimar
Die Baustelle am Sophienstiftsplatz in Weimar war für viele Anwohner ein Ärgernis. Bildrechte: MDR/Sebastian Großert

Sie verweist auf die Problematik, Dinge auch langfristig angehen zu müssen. Wenn eine Kreuzung erneuert wird, die zuführenden Straßen aber erst später, dann wirken die bereits eingerichteten Radwege etwas verloren und umgekehrt enden Radwege im Nichts, wenn die Kreuzung erst später saniert wird. Alles auf einmal geht oft nicht, denn es müssen auch immer alle Beteiligten unterhalb der Fahrbahndecke eingetaktet werden, wie Wasser, Abwasser, Strom, Gas und Telekommunikation.

Städte verfolgen neue Verkehrskonzepte

Auch hätten sich die Verkehrskonzepte der Städte verändert. Vor 30 Jahren lag der Fokus noch auf der autogerechten Stadt; seitdem haben Rad- und Fußverkehr und ÖPNV Priorität. Auch Barrierefreiheit ist ein großes Thema, mit Leitsystemen die nicht immer fehlerfrei eingebaut werden, was den Betroffenen dann erst im Alltag auffällt, die Folge: Da muss noch einmal jemand ran. Die dann vielleicht folgende neue Absperrung erschließt sich auch nicht jedem. Solche Beispiele zeigen, wie wichtig Kommunikation ist.

Man muss es den Leuten besser erklären, wieso, weshalb, warum. Aber manchmal wollen das die Leute gar nicht hören.

Lena Vogt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Bauhaus-Universität Weimar Professur Verkehrssystemplanung

Im Fußballstadion werden seit kurzem endlich die Entscheidungen des VAR-Schiedsrichters auf der Anzeigetafel erklärt. Soweit muss man vielleicht nicht gehen, aber ein QR-Code auf dem Baustellenschild mit einem Link zu einer aktuell gehaltenen Website wäre doch ein Ansatz.

Stau an der Baustelle am Schmidtstedter Knoten, hier staut sich die Clara-Zetkin-Straße in Richtung Schmidtstedter Knoten
Stau an der Baustelle: Hier staut sich die Clara-Zetkin-Straße in Richtung Schmidtstedter Knoten. Bildrechte: IMAGO / Steve Bauerschmidt

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MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. Juni 2024 | 16:40 Uhr

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