Trainer Manuel Rost gibt Anweisungen.
Manuel Rost, ehemaliger Trainer von Rot-Weiß Erfurt und jetziger Trainer von Germania Halberstadt Bildrechte: IMAGO / Bild13

Podium in Erfurt Ehemaliger Rot-Weiß-Trainer: "Immer, wenn ich gut war, wurde ich rassistisch beleidigt"

06. Juni 2024, 10:42 Uhr

Im Fußball gibt es immer wieder Fälle von offenem Rassismus. Der ehemalige Trainer des FC Rot-Weiß Erfurt, Manuel Rost, wurde selbst beleidigt und angegriffen. Er spricht über seine Erfahrungen mit Rassismus im Fußball - und fordert Regeln, Strukturen und Sanktionen.

Bespuckt und rassistisch beleidigt - Manuel Rost beschreibt die erlebten Situationen eindrücklich. Erfahrungen, gegen die sich weiße Menschen nicht behaupten müssen.

Rost ist bekannt als Coach des FC Rot-Weiß Erfurt. Dort arbeitete er als Jugendtrainer und Trainer der ersten Mannschaft bis 2022. Seit Februar 2022 steht er beim VfB Germania Halberstadt in Sachsen-Anhalt in der Oberliga an der Seitenlinie. Emotionen gehören für ihn zu einem guten Spiel dazu. Er ist einer, der offen ausspricht, was Fußballfans und Funktionäre nicht hören wollen. "Immer, wenn ich gut war, wurde ich rassistisch beleidigt", so Manuel Rost.

Als Spieler fühlt man sich dann auch ab einem gewissen Zeitpunkt als Freiwild.

Manuel Rost, Trainer bei Germania Halberstadt

Er ist Teil eines vierköpfigen Podiums am Montag im Café Nerly. Eingeladen hatten das Fanprojekt des FC Rot-Weiß Erfurt und die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Podiumsdiskussion im Nerly mit vier Teilnehmern
Podium im Café Nerly Erfurt: Katharina Mock, Fanprojekt FC Rot-Weiß Erfurt, Manuel Rost, Trainer des VfB Germania Halberstadt, Ronny Blaschke, Buchautor und Journalist, Jakob Grünewald, Spirit of Football (v.l.n.r.) Bildrechte: MDR/Jana Maier

Die Ohnmacht bei ständigen Angriffen

Je häufiger ein Spieler zurückgewiesen und das rassistische Verhalten nicht geahndet werde, desto mehr verliere er das Vertrauen. "Als Spieler fühlt man sich dann auch ab einem gewissen Zeitpunkt als Freiwild. Als könnte man mit mir machen, was man wollte", so Rost.

Als Spieler wurde er bespuckt, er wurde angeraunt, dass sie ihm die Beine wegtreten wollen. Ihm wurden beim Aufgang in die Kabine die Fußballschuhe unter die Nase gehalten. "Wenn zu viele dieses Gedankengut teilen, dann kannst du dich nicht wehren", so Rost. Auf dem Feld fehle es an Ansprechpartnern. Hier fordert er ein Umdenken.

Autor sieht Kolonialisierung im 19. Jahrhundert als Ursache

Ronny Blaschke ist Buchautor und freier Journalist. Er ist auf politische Themen im Sport spezialisiert. Er arbeitet unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und für die "Frankfurter Rundschau". Mit seinem aktuellen Buch "Spielfeld der Herrenmenschen - Kolonialismus und Rassismus im Fußball" zeigt er den Einfluss der Kolonialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts in der aktuellen Fußballkultur auf. Es ging um Rohstoffe und Wertgüter. Dunkelhäutige Menschen wurden versklavt und verschleppt. Behandelt wurden sie wie Güter, nicht wie Menschen.

Ronny Blaschke und Manuel Rost
Manuel Rost war bis 2022 Trainer beim FC Rot-Weiß Erfurt. Links neben ihm: Ronny Blaschke, der seit vielen Jahren zur Entwicklung von Rassismus im Fußball recherchiert. Bildrechte: MDR/Jana Maier

Wenn die Hautfarbe den Unterschied macht

Ein Bild habe sich bis heute verfestigt: Die weiße "Rasse" sei intelligenter und die schwarze "Rasse" körperlich überlegener. In seiner Recherche fand Blaschke heraus, dass Menschen mit weißer Hautfarbe öfter auf Positionen im Mittelfeld besetzt werden - Positionen, für die es vermeintlich mehr Spielintelligenz benötigt. Menschen mit schwarzer Hautfarbe hingegen würden häufiger als Außenläufer eingesetzt - Positionen, die vermeintlich mehr Körperkraft benötigten. Dies gehe so weit, so Blaschke, dass auch die bekannte Fifa-Videospielreihe die Verteilung der Fähigkeiten der Spieler in gewisser Weise auf die Hautfarbe auslegt.

"Diese Fähigkeiten haben nichts mit der Hautfarbe zu tun", so Ronny Blaschke. Es seien durch die Kolonialisierung übertragene Werte.

Verbesserte Ausbildungen für Trainer und Schiedsrichter

Die korrekte Einschätzung einer Situation - also ob etwa ein rassistischer Angriff auf dem Spielfeld stattgefunden hat - ist auch im Amateurfußball nicht leicht. Volker Westhaus ist beim Thüringer Fußball-Verband zuständig für Fälle von Diskriminierung und Gewaltprävention. Es sei essenziell, dass Schiedsrichter besser geschult werden, sagt er. Auch bei der Trainerausbildung sei dies vorgesehen.

"Schritt für Schritt werden alle betroffenen Personengruppen im Fußball sensibilisiert", so Westhaus. "Mag die Geschwindigkeit von manchen Fordernden manchmal langsam wirken, so ist aber die Richtung wegweisend", so Westhaus. Dabei müsse man einen langen Atem beweisen und darauf hinarbeiten, dass der Rassismus immer weniger werde.

Vereine sollten auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und jeder soll sich wohlfühlen können.

Ronny Blaschke, Buchautor und Sportjournalist

"Kleine Vereine können auch auf mobile Beratungsangebote zurückgreifen", rät Autor Ronny Blaschke. "Hier können sie sich auch relativ kostengünstig Hilfe holen." Vereinsfeste und die Homepage eines Vereins - damit können die Clubs Vielfalt darstellen. "Vereine sollten auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und jeder soll sich wohlfühlen können", sagt Blaschke.

Rost: Betroffene von Rassismus sollten gefragt werden

Manuel Rost ist es wichtig, dass Betroffene eingebunden werden. Er selbst werde selten herangezogen, um seine Erfahrungen zu teilen, und fordert: Verbände und Vereine sollten sich an Betroffene wenden. Von Erfahrung könnten lediglich Menschen sprechen, die wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder anderem Aussehen beleidigt wurden. Es verleihe der Aufklärung mehr Ehrlichkeit. "Mit Betroffenen zu sprechen gibt immer noch mal eine andere Perspektive", so Rost. Er wünscht sich mehr Austausch und Offenheit im Umgang mit rassistischen Anfeindungen.

Weitere Fragen tun sich auf

"Doch die Vielfalt fehlt schon in den Führungsgremien", so Blaschke. Und die Probleme werden meist überdeckt. Hier müsse man sich die Fragen stellen: "Wo werden die Trikots und Bälle produziert? Und wie sehen die WM-Stadien der letzten großen Turniere in Brasilien und in Südafrika heute aus?" Es seien verbliebene Strukturen aus der Kolonialzeit.

Je mehr Geld im Spiel ist, desto schwieriger sei es, dass Bestrafungen bei rassistischen Handlungen folgen, sagt der Autor. Es gehe um Sponsoren und TV-Gelder. Große Vereine und Turniere haben Berater. Da sei es nicht gerne gesehen, wenn jemand wegen rassistischer Beleidigung vom Feld geht. Druck, der auf den Unparteiischen laste.

Schritte zur Aufklärung

Ob sich die Situation zum Besseren entwickelt, sei mitunter schwer einzuschätzen, so Blaschke. "Für messbare Erfolge gibt es mehr Geld." Ob ein Hitlergruß nicht gemacht wurde, sei dagegen schlichtweg nicht messbar, umreißt der Autor das Problem.

Dabei sei jeder Schritt zur Aufklärung besser als keiner. "Was wir heute gemacht haben in Erfurt, mit einem Trainer, mit dem Fanprojekt und einer politischen Stiftung, und 60 Leute zum Nachdenken zu bringen", sagt Blaschke zum Abschluss des Abends, "das ist schon mal was."

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MDR (sar)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 08. Juni 2024 | 18:00 Uhr

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