Thüringer Musikradar "Kompetenz ohne Talent" aus Erfurt: Band mit breiter Brust und drei Gitarren
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18. Oktober 2020, 08:19 Uhr
Sieben Hobbymusiker aus Erfurt wandeln auf den Spuren von Motörhead und den Ramones. Auf das alljährliche Dezember-Konzert im Museumskeller müssen "Kompetenz ohne Talent" und ihre Fans 2020 wohl verzichten.
Spannung liegt in der Luft, als sich die Band zur Probe trifft. Positive Energie. Einer kommt mit dem Fahrrad angesaust, andere schlendern über den Hof. Es wird geneckt, geherzt, gelacht. Kurz darauf fliegt drinnen der erste Kronkorken durch den Raum. Auch der Whisky bleibt nicht lange zu. Ein wenig Aufwärmen kann ja nicht schaden, bevor es richtig losgeht. Lemmy blickt mürrisch vom Poster an der Wand auf die heitere Runde, fast so als wolle er sagen: Sieht ganz gut aus, aber nun zeigt mal, was ihr drauf habt.
Kernige Klänge aus Erfurt
Das Drumherum jedenfalls stimmt schon mal bei den sieben Musikern, die seit einigen Jahren unter dem eigenwilligen Namen "Kompetenz ohne Talent" vor allem in Erfurt, manchmal in den angrenzenden Landkreisen und hin und wieder auch darüber hinaus den eher kernigen Klängen frönen. Fotos vergangener Erfolge zieren die Zimmer, für die der Begriff Proberaum ein echtes Understatement wäre. Konzertplakate erinnern an Auftritte in Clubs und auf Open-Air-Bühnen. Professionelle Bandfotos in Übergröße, die einst Straßenbahnhaltestellen der Landeshauptstadt schmückten, stehen zusammengerollt hinter der Tür.
Wenn Silke, Kev, Schmidter, Hucki, Wiese, Steph und Robi dann auch noch ins Schwärmen kommen, wird schnell klar: Auf die Pauke hauen können sie. Dass sie unter normalen Umständen nur vier, fünf Gigs pro Jahr spielen, tut dem gesunden Selbstbewusstsein keinen Abbruch. "Wir haben einfach alle Spaß an der Sache", bringt Gitarrist Schmidter das Bandkonzept auf den Punkt. "Als wir angefangen haben, wollten wir einfach zusammen Musik machen. An Auftritte hat da noch keiner wirklich gedacht." Wobei, insgeheim vermutlich doch. Denn schon mit 13 Jahren griff Schmidter vor Publikum in die Saiten - bei einem runden Geburtstag seiner Mutter, die sich ein Ständchen gewünscht hatte. Der Sohn traute sich und erntete Applaus. "Da habe ich Blut geleckt", gesteht er heute. Der Traum von einer Band ward geboren.
Der erste offizielle Auftritt als "Kompetenz ohne Talent", kurz: "K.o.T.", führte die Freunde im April 2016 ins Alte Pumpenhaus, die Gaststätte am Sportplatz an der Auenstraße. "Dort haben wir gemerkt: Es geht." Seitdem stehen, soweit Arbeit und Familie es zulassen, wöchentliche Proben im Kalender. In diesem Jahr mit längerer Corona-Pause inklusive Konzert-Stillstand.
Der Frust über die aktuelle Situation verwandelt sich im Proberaum in die Freude darüber, zumindest wieder gemeinsam zu spielen: Verstärker und Discokugel an, Licht aus - und los! Zum Einspielen gibt’s Songs von Motörhead und den Broilers auf die Ohren. Meist greifen Silke und Kev zum Mikro, hin und wieder springen ihnen die anderen zur Seite. "Wir spielen, auf was wir Bock haben", sagt Hucki in einer Pause. Kurz durchatmen, Schweiß von der Stirn wischen, schon dröhnen wieder die Gitarren.
Inspiriert vom Celtic-Punk und Hardrock
Einen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der musikalischen Ausrichtung zu finden, war nicht schwer. In den privaten Playlists der Bandmitglieder finden sich Alben vieler Punk- und Hardrock-Bands aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum: von den Ramones bis zu den Ärzten, von Danko Jones bis zu Offspring und Green Day. Auch die gemeinsame Liebe zu rockigen irischen Klängen inspiriert und motiviert die Thüringer immer wieder aufs Neue.
Und dann war er plötzlich da: Der erste eigene Song. In "Küsst euch" demonstrieren "Kompetenz ohne Talent" ihr Gespür für die Kombination aus poppigen Melodiebögen, kantigem Rock und blues-orientierten Soli. Wieso also - wie in der Musikszene üblich - auf eine Album-Release-Show hinarbeiten, wenn auch der erste Song gefeiert werden kann? Ganz konsequent und entsprechend großspurig wurde folglich zur "Single Release Party" gebeten.
"Ja, wir würden schon gern mehr eigene Sachen schreiben", sagt Schmidter. "Aber das funktioniert nicht wirklich, wenn wir nur einmal wöchentlich zusammen proben. Wir bräuchten mehr Zeit, um Songideen zu entwickeln und weiter an ihnen zu arbeiten."
Das Potenzial ist vorhanden. Mit Silke und Kev an den Mikros ist die Band stimmlich vielseitig aufgestellt. Neben Bass und Schlagzeug bieten drei Gitarren reichlich Möglichkeiten zum kompositorischen Austoben. "Mal sehen", raunt es aus der Sitzecke im Proberaum. Lieber nicht zu viel versprechen, sondern das, was schon da ist, gut verkaufen. Breites Grinsen inklusive.
"Kompetenz ohne Talent": Verkürzte Namenssuche
Wie ausgedehnt ihre "European Club Tour" nun wirklich war, sei doch irrelevant. Wichtiger sei es, zumindest einen in der Band zu haben, der tatsächlich Talent besitze: Lead-Gitarrist Steph. So wird gemunkelt, er brauche nur zehn Sekunden Probezeit, um einen Song auf den meisten Instrumenten nachspielen zu können.
Dass ausgerechnet Steph nicht zur Probe kam, als damals ein Bandname gesucht wurde, war ärgerlich, verkürzte die Suche aber deutlich. Kompetent sei man irgendwie durchaus, aber gesegnet mit Talent? Nun ja, an diesem Tag zumindest nicht. Und seitdem ziert ihr Name Plakate, Flyer, Club-Programme. "Ein schöner Nebeneffekt ist, dass bei diesem Bandnamen keiner allzu viel erwartet", scherzen die Musiker.
Konzert im Erfurter Museumskeller fällt aus
So oder so: Eine ganze Reihe treuer Fans haben sie in den vergangenen Jahren gewinnen können. Bei diesen ist vor allem der Tag im Winter vorgemerkt, an dem normalerweise das Jahresabschlusskonzert im Erfurter Museumskeller ansteht. Reiner Kalisch und Achim Schilling, die Köpfe hinter der landesweit bekannten Musikkneipe, gaben der Band einst eine Chance, "obwohl sie uns quasi gar nicht kannten", erinnern sich die Hobbymusiker. "Deshalb fühlen wir uns dort sehr wohl - und wir hoffen sehr, dass Konzerte irgendwann bald wieder möglich sind." Entsprechend groß ist die Sorge um die Zukunft der beliebten Location - und des benachbarten HsD - in Zeiten von Corona-Schutzmaßnahmen, Tourabsagen, Hygieneplänen, Raum-Sperren.
Neben den Proben schöpft sich die Hoffnung auf eine Besserung der Situation vor allem aus Erinnerungen an Höhepunkte der bisherigen Bandgeschichte: ein Auftritt beim Fußballderby der Thüringenliga im Sportpark Martinroda, das Spielen auf großer Bühne mit Profitechnik beim Jackenfestival in Treffurt, der Spaß zur Fête de la Musique in Erfurt, ein Konzert in der Moritzbastei in Leipzig. Ja, so könnte es weitergehen. Doch im Jahr 2020 ist Geduld gefragt.
Und so bleibt den sympathischen Sieben zu wünschen, dass sich Möglichkeiten für Konzerte bald wieder ergeben - und auch, dass sie mehr Zeit zum Schreiben neuer Songs finden. Schließlich bringen sie mittlerweile nicht nur musikalisch-technische Fähigkeiten mit, sondern auch das, was für den Charakter einer Band wesentlich entscheidender sein kann: Begeisterung und Spielfreude.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. Oktober 2020 | 19:00 Uhr
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