"Neue Mitte Südost" Ortsbürgermeister gegen Erfurter Stadtspitze: Streit um Modellvorhaben für Stadtumbau
Hauptinhalt
10. August 2024, 21:21 Uhr
Drei Ortsteile im Erfurter Südosten sollen mit dem Modellvorhaben "Neue Mitte Südost" enger miteinander verbunden werden. Dafür ist ein komplexer Umbau der Verkehrsführung geplant. Ein Ortsteilbürgermeister stellt sich gegen die Pläne, die mit 50 Millionen Euro gefördert werden sollen.
Seit 15 Jahren ist Hans-Jürgen Czentarra, Ortsteilbürgermeister vom Herrenberg in Erfurt - und hat seitdem schon manches Vorhaben durchgesetzt. "Man nennt mich Herr des Kreisels, weil ich den Kreisverkehr in der Blücherstraße durchgesetzt habe", erzählt Czentarra. Auch für die Wiedereröffnung der geschlossenen Bibliothek im Stadtteil setzt er sich seit vielen Jahren ein. Und nun will er beim sogenannten Modellvorhaben "Neue Mitte Südost" eingreifen.
Was will das Modellvorhaben?
50 Millionen Euro aus Fördermitteln von Bund, Land und Stadt werden für das Modellvorhaben insgesamt bereitgestellt. Bis 2026 sollen damit zahlreiche Projekte in den vier Stadtteilen Herrenberg, Wiesenhügel, Melchendorf und Windischholzhausen umgesetzt werden. Unter anderem wird gerade die Sporthalle der Grundschule am Wiesenhügel saniert, ein Sport- und Bürgerzentrum in Windischholzhausen gebaut. Und ab Herbst sollen die Arbeiten an den Außenanlagen des Familyclubs Drosselberg beginnen. Das Kernprojekt des Vorhabens ist jedoch die "Neue Mitte Südost": Diese soll die Ortsteile Wiesenhügel, Herrenberg und Melchendorf enger miteinander verbinden.
Die aktuelle "Neue Mitte" in Erfurt - und was den Ortsteilbürgermeister stört
Aktuell ist die Straße in dem Bereich angehoben. Der Autoverkehr wird bergauf zu einer Kreuzung mit Ampelsystem und Brücke geführt. Darunter fährt die Straßenbahn. Fußgänger und Radfahrer werden durch Unterführungen geleitet. Aktuell kommt der Autoverkehr mit Straßenbahn, Passanten und Radverkehr nicht in Kontakt - das würde sich mit den Plänen für die "Neue Mitte" ändern.
Im März 2023 hatte sich das Preisgericht zum Planungswettbewerb für den Entwurf eines Planungsteams aus Leipzig, Jena und Berlin entschieden. Der sieht unter anderem vor, den Fußgänger-, Auto-, Straßenbahn- und Radverkehr auf eine Ebene zu bringen. Die Unterführungen für Bahn und Passanten würden dabei weichen. Und genau das ist Ortsteilbürgermeister Hans-Jürgen Czentarra ein Dorn im Auge.
Ortsteilbürgermeister: Umbau ist Irrsinn
Zu DDR-Zeiten sei der Verkehrsknoten aufwendig mit den Unterführungen umgebaut worden und das hätte seinen Sinn gehabt, findet der Ortsteilbürgermeister. "Fußgänger, Autofahrer und Straßenbahn kommen sich aktuell nicht in die Quere - und das ohne extra Ampeln", sagt Czentarra. Er lehne das Modellvorhaben an sich nicht ab, er würde es aber anders machen.
Czentarra würde mit dem Geld statt der Ampelkreuzung für die Autos einen Kreisverkehr bauen lassen. Außerdem müsse das Brückenstück erneuert werden, da die Stahlbetonkonstruktion mittlerweile marode sei. Die beiden Fußgängertunnel würde der Ortsteilbürgermeister für besser Ausleuchtung gerne mit neuen LED-Lampen versehen und außerdem eine Markierung für einen Radweg ziehen lassen, damit sich die Radfahrer und Fußgänger nicht behindern.
Das alles zurückzubauen, ist Irrsinn. Das macht es viel komplizierter.
Das restliche Geld würde er für die Sanierung der Kranichfelder Straße verwenden, die sei wegen ihrer Beschaffenheit mehr eine "Stoßdämpferteststrecke" als Hauptverkehrsstraße, so Czentarra. "Das alles zurückzubauen, ist Irrsinn. Das macht es viel komplizierter. Auch die ganzen Rohre und Leitungen in dem aufgeschütteten Bereich müssen wieder zurückverlegt werden. Dazu sollen noch 80 Bäume gefällt werden", sagt er. Mit seiner Meinung sei er nicht alleine: "Ich spreche für den Herrenberg, für die Anwohner", so Czentarra. Der Ortsteilrat stehe hinter ihm.
Die Sicht der Erfurter Stadtverwaltung
Erfurts Stadtentwicklungs-Dezernent Tobias Knoblich kennt die Einwände des Ortsteilbürgermeisters. Das, was Herr Czentarra wolle, entspreche aber nicht den Kriterien des Vorhabens. "Es geht darum, etwas Neues zu schaffen im Städtebau und nicht das Bestehende zu sanieren", erklärt Knoblich. "Der Raum soll belebt werden, es soll günstige Verkehrswege für alle geben und ein Miteinander der Ortsteile", so der Dezernent weiter. Alle Entwürfe im Planungswettbewerb hätten vorgesehen, den Verkehrsknoten zurückzubauen auf eine Ebene. Doch auch die Stadt ist mit der Planung noch nicht gänzlich zufrieden.
Umbau-Pläne werden weiterentwickelt
Deshalb läuft seit Juli ein sogenanntes "wettbewerbliches Dialogverfahren". Bis zum Mai 2025 werden das Planungsteam sowie Fachleute und die Fördermittelgeber aus Bund, Land und Stadt weiter an den Plänen arbeiten. Dabei soll es erneut eine Bürgerbeteiligung geben, wie bereits zum ersten Planungswettbewerb. "Die Bürger einzubeziehen ist dem Oberbürgermeister sehr wichtig", ergänzt Knoblich. Unstrittig sei laut Knoblich jedoch, dass es einen größeren Eingriff geben wird, als "nur" die marode Brücke auszutauschen und einen Kreisverkehr zu bauen.
Aus den anderen betroffenen Ortsteilen gab es breite Zustimmung für den Umbau.
"Aus den anderen betroffenen Ortsteilen gab es außerdem breite Zustimmung für den Umbau", sagt Knoblich. "Aber wir werden nochmal darauf rumdenken, wie wir die Ebenen vom höher gelegenen Wiesenhügel und dem tiefer gelegenen Herrenberg besser miteinander verbinden können", so der Dezernent. Im letzten Entwurf war beispielsweise eine Brücke für Fußgänger vorgesehen.
Zeit- und Gelddruck: Umsetzung verschiebt sich schon um Jahre
Nun drängt jedoch die Zeit: Ursprünglich sollte das Modellvorhaben bis 2026 abgeschlossen sein. Laut Tobias Knoblich wird die Stadt voraussichtlich aber bis 2030 brauchen. "Mündlich wurde uns schon mal eine Verlängerung bis 2028 in Aussicht gestellt", sagt der Dezernent. Er sei zuversichtlich, dass es eine weitere Verlängerung geben wird, da die Planung bereits fortgeschritten ist.
Und auch finanziell müsste es laut Knoblich eine Anpassung geben. Alleine für den Umbau des Verkehrsknoten sind 15 von 50 Millionen Euro Fördermitteln eingeplant. Für die komplette Umgestaltung des Bereichs inklusive Grünanlagen kommen weitere zehn Millionen Euro dazu. Doch diese Kosten sind nur eine erste Schätzung der Planung.
Noch sind die Pläne für die "Neue Mitte Südost" nicht in Stein gemeißelt - der Spielraum ist dennoch begrenzt. Inwiefern ein Kompromiss zwischen Ortsteilbürgermeister Hans-Jürgen Czentarra, Stadt und Planungsbüros zustandekommt, wird der Beteiligungs- und Dialogprozess in den kommenden Monaten zeigen.
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit | 10. August 2024 | 18:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/37fe9ff8-c903-4088-bc85-01ae23201f7d was not found on this server.