Mann vor Eingang einer Bbäckerei
Matthias Meinung ist skeptisch, dass aus dem Bauprojekt des ehemaligen TA-Hochhauses in Erfurt noch etwas wird. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

TA-Hochhaus Frust bei Handwerkern und Käufern: Wie die Insolvenz der Gröner Group auch Erfurt trifft

15. November 2024, 15:35 Uhr

Als der Investor Christoph Gröner das ehemalige TA-Hochhaus in Erfurt 2018 übernahm, wollte er rund 120 Eigentumswohnungen dort bauen. Verkauft wurden sie schnell. Doch bis heute warten Wohnungskäufer auf die Fertigstellung und Handwerker auf ihre Bezahlung.

MDR Redakteurin Carmen Fiedler
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Was der Investor aus dem zehngeschossigen ehemaligen Verlagshaus der "Thüringer Allgemeine" am Erfurter Juri-Gagarin-Ring machen wollte, klang verlockend. Ein Wohnhaus mit 76 Eigentumswohnungen, daran angebaut ein Neubau mit 44 Wohnungen. Tiefgaragen inklusive. Hinter dem viergeschossigen Neubau eine Grünfläche mit Terrassen und einem kleinen Spielplatz. Mitten in der Stadt. Der Ausblick aus den oberen Etagen: grandios.

Das "Chronicle": Wohnen mit Blick über Erfurt

Illustration des fertigen Hochhauses
So wie in dieser Visualisierung sollte das "Chronicle" im Sommer 2024 aussehen. Bildrechte: CG Immobilien GmbH

Der Name des Bauobjekts: "Chronicle". Schon nach kurzer Zeit waren Anfang 2022 die ersten geplanten Wohnungen verkauft. Für 5.000 bis 7.500 Euro pro Quadratmeter. Im April 2024 sollten sie bezugsfertig sein.

Die Baustelle des TA-Hochhauses in Erfurt
Die Baustelle des TA-Hochhauses in Erfurt ist vom Juri-Gagarin-Ring gut zu sehen. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Nach wie vor Baustelle

Doch dazu ist es bisher nicht gekommen. Stattdessen steht ein Hochhausskelett am Erfurter Stadtring. Oben an die Fassade hat jemand "FCK AFD" mit schwarzer Farbe geschrieben. Einen Neubau gibt es zwar schon, aber mehr als eine mit blauem Netz verhängte Fassade ist nicht zu erkennen. Bauzäune umringen das Gelände. Über allem thront ein Kran. Kurz: Es sieht alles nach Baustelle aus. Aber gebaut wird hier schon lange nicht mehr.

Mann an einem Tisch in einer Bäckerei 1 min
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Der Erfurter Unternehmer Matthias Meinung hat eine Wohnung im ehemaligen TA-Hochhaus "Chronicle" in Erfurt gekauft. Hier spricht er über den Wohnungskauf.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Mi 13.11.2024 12:55Uhr 00:31 min

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"Das Haus ist entkernt, es wurde teilweise mit dem Trockenbau angefangen, und die Tiefgarage unter dem Neubau ist gebaut. Das war’s!", sagt Matthias Meinung. Bis heute, also über ein halbes Jahr nach dem geplantem Einzugstermin, sei nicht einmal der Rohbau fertiggestellt. Der Erfurter Unternehmer hatte im April 2022 eine Loftwohnung in der obersten Etage gekauft. Er wollte mit seiner Familie dort einziehen, zuerst seine Kinder, später er selbst mit seiner Frau. Es sollte ihr Alterswohnsitz in der City werden.

Gröner Group GmbH insolvent

Inzwischen liegt Meinung mit, wie er sagt, vielen anderen Wohnungskäufern im Rechtsstreit mit dem damaligen Eigentümer: der Gröner Group. Er habe den Kaufvertrag mit der CG TAP Hochhaus Erfurt GmbH & Co. KG geschlossen. Die Firma CG Elementum wollte laut "Thüringer Allgemeine" vom 3. November 2022 knapp 40 Millionen Euro in die Erneuerung des Areals investieren. Beide Unternehmen gehören wie die Gröner Group GmbH zum Firmenverbund des Bauunternehmers Christoph Gröner.

Christoph Gröner, 2022
Als Investor gehörten Christoph Gröner in ganz Deutschland große Wohnungsbauprojekte - etwa in Hamburg, Leipzig oder Berlin. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene

Christoph Gröner investierte auch in Leipzig und Berlin

Gröner ist kein Unbekannter in Immobilienkreisen. Als Investor gehörten ihm in ganz Deutschland große Wohnungsbauprojekte - etwa in Hamburg, Leipzig oder Berlin. Es gibt eine Aussage von ihm, mit der er das, was er tut, selbst beschreibt: "Wenn Sie 215 Millionen Euro haben, dann schmeißen Sie das Geld zum Fenster raus und es kommt zur Tür wieder rein. Sie kriegen es nicht kaputt." Das sagte Gröner vor sechs Jahren in einer WDR-Doku zum Thema Reichtum.

Das scheint nun vorbei zu sein: Anfang November hat Gröner für die Gröner Group GmbH beim Amtsgericht Leipzig Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Inzwischen sind immer mehr sogenannte Projektgesellschaften Gröners von der Insolvenz betroffen. Auf einer Website der Gröner Group sind bereits zehn davon aufgelistet.

Die Baustelle des TA-Hochhauses in Erfurt
Der Rohbau des "Chronicle" in Erfurt ist nicht ganz fertig. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Laufende Projekte seien von der Insolvenz nicht betroffen, antwortete eine Sprecherin der Gröner Group MDR THÜRINGEN auf Nachfrage zunächst: "Die Gröner Group GmbH hat einen Insolvenzantrag gestellt, nicht die Schwestergesellschaft CG Group GmbH oder deren Tochtergesellschaft, die CG Elementum AG."

Ehemaliges TA-Hochhaus längst verkauft

Dass dies aber nicht die ganze Wahrheit ist, zeigt ein Schreiben vom 18. Oktober 2024, das MDR THÜRINGEN vorliegt. Darin werden die Wohnungskäufer des ehemaligen TA-Hochhauses darüber informiert, dass die "Fonds Plus Verwaltungsgesellschaft mbH" die Geschäftsanteile der "CG TAP Hochhaus Erfurt GmbH und Co KG" am 20. September übernommen habe. Mit anderen Worten: Das Objekt wurde bereits im September, Wochen bevor die Gröner Group GmbH Insolvenz angemeldet hat, weiterverkauft.

Indirekt von Insolvenz betroffen

Damit ist das Projekt zwar nicht direkt von der Insolvenz betroffen. Aber indirekt schon. In dem Schreiben heißt es weiter, dass die "CG TAP Hochhaus Erfurt GmbH und Co KG" "als Teil der bisherigen Firmengruppe in Schwierigkeiten geraten" sei. Die finanzierende Bank habe "die Finanzierung der Fertigstellung nicht mehr sichergestellt".

Nachdem MDR THÜRINGEN gemeldet hatte, dass das Areal verkauft worden ist, verschickte die CG Group GmbH eine Pressemitteilung, in der der Verkauf bestätigt wurde. Die Begründung laut Pressemitteilung: Man wolle sich in Zukunft im Osten Deutschlands mehr auf Sachsen und seine Leipziger Projektentwicklungen konzentrieren.

Dass etwas bei dem Bauprojekt "Chronicle" nicht stimmte, sei Wohnungskäufer Matthias Meinung schon früh aufgefallen. "Die Information und Kommunikation mit der CG Gruppe vor und während des Kaufs und auch danach war immer sehr problematisch und zum Teil auch fehlerhaft." Dennoch habe er sich dazu entschlossen, die Wohnung zu kaufen. 30 Prozent Anzahlung seien sofort fällig gewesen.

Es wurden immer weitere Ausreden gefunden, der Bau immer weiter verschoben.

Matthias Meinung

Anfangs habe es noch regelmäßige E-Mails zum aktuellen Baufortschritt gegeben. "Das ist dann aber sehr schnell eingeschlafen", erzählt Meinung. Da sei von Material- und Lieferschwierigkeiten die Rede gewesen, von extremen Preissteigerungen. "Es wurden immer weitere Ausreden gefunden, der Bau immer weiter verschoben." Wenn gebaut wurde, dann "extrem langsam", erzählt Meinung.

Mann an einem Tisch in einer Bäckerei 1 min
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Der Erfurter Unternehmer Matthias Meinung hat eine Wohnung im ehemaligen TA-Hochhaus "Chronicle" in Erfurt gekauft. Hier spricht er über Probleme mit der Gröner Group beim Wohnungskauf.

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Rechnung für Rohbaufertigstellung

Irgendwann habe er eine Rechnung für die Fertigstellung des Rohbaus bekommen. Obwohl der noch gar nicht fertiggestellt war, wie ein Gutachter festgestellt habe. Zunächst habe Meinung die Zahlung verweigert. Doch dann habe er doch gezahlt, "in der Hoffnung, dass es weitergeht". Er habe gewollt, dass die Handwerker bezahlt werden, von denen er längst gewusst habe, dass sie auf ihr Geld warteten.

Heute ärgere sich Meinung, dass er gezahlt hat. Anzahlung und Rohbau-Fertigstellung machten 58 Prozent der Kaufsumme aus. Die Handwerker, 80 Prozent von ihnen mittelständische Erfurter Firmen, seien trotzdem auf ihren Rechnungen sitzengeblieben.

Einer der betroffenen Handwerker bestätigte dies gegenüber MDR THÜRINGEN. Seit Monaten warte er auf eine fünfstellige Summe. Aufgrund eines laufenden Verfahrens wolle er sich aktuell jedoch nicht öffentlich zu Einzelheiten äußern.

Auch Braugold-Areal in Erfurt betroffen

Das ehemalige TA-Hochhaus ist nicht das einzige Erfurter Objekt, das Gröner übernommen hatte. Auch das ehemalige Braugold-Gelände an der Schillerstraße erwarb der Investor 2019. Dort sollten rund 254 Wohnungen entstehen. Aber auch auf diesem Gelände wird derzeit offensichtlich nicht gebaut. Es wirkt vernachlässigt, kleine Bäume wachsen rund um das Gebäude und auf dem Vordach, Graffiti klebt an den Fenstern.

Das ehemalige Braugold-Gelände in Erfurt
Das ehemalige Braugold-Gelände in Erfurt wirkt verwildert. Bildrechte: MDR/Carmen Fiedler

Inzwischen habe die CG Group GmbH auch dieses Areal verkauft, informierte man in der Pressemitteilung. Auf die Frage, an wen das Gelände verkauft worden ist, antwortete eine Sprecherin: "Der Käufer behält sich vor, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn er es für richtig hält."

Das tut den Leuten richtig weh.

Matthias Meinung

Zurück zum "Chronicle": "Erfurt ist eine Perle, die uns schon lange beschäftigt", sagte Gröner noch 2018, in dem Jahr, in dem er das ehemalige TA-Hochhaus erwarb. Jetzt beschäftigt das ambitionierte Wohnhausprojekt vor allem die Wohnungskäufer. Manche von ihnen hätten ihre gesamten Ersparnisse investiert, erzählt Meinung, der mit anderen Käufern in Austausch ist. Zusätzlich hätten die meisten Kredite aufgenommen. "Dafür kommt Zins und Tilgung und das jeden Monat. Das tut den Leuten richtig weh."

Die Baustelle des TA-Hochhauses von innen
So sah das Innere des ehemaligen TA-Hochhaus im Januar aus. Bildrechte: privat

Auch die Anleger, die hier Wohnungen gekauft haben, um sie zu vermieten, legten Monat für Monat drauf, sagt Meinung. "Jeden Monat, den sich das verzögert, müsste der Bauträger die entgangene Miete von 11,50 Euro pro Quadratmeter zahlen." So sei es in den Notarverträgen festgeschrieben. Was der Bauträger laut Meinung zahlt: nichts.

Interessengemeinschaft aus Eigentümern klagt gegen Gröner

Deshalb habe sich eine Interessengemeinschaft aus Eigentümern zusammengeschlossen. Sie wollen gemeinschaftlich über eine Anwaltskanzlei Druck aufbauen, damit es vorwärtsgehe, sagt Meinung. Sie klagten mit Anwälten wegen verspäteter Fertigstellung, Verzugszinsen oder entgangener Miete. Es gebe sogar Käufer und Handwerker, die gegen Gröner direkt Strafanzeige gestellt hätten, so Meinung.

Wenn es jemandem dreckig geht oder jemand Probleme hat, habe ich Verständnis. Bei Gröner habe ich kein Verständnis.

Matthias Meinung

"Wenn es jemandem dreckig geht oder jemand Probleme hat, habe ich Verständnis. Bei Gröner habe ich kein Verständnis", sagt der Erfurter. "Das Schlimme ist, dass viele Leute leer ausgehen werden und er die Tasche immer noch voll hat." Wie geht so etwas? Meinung: "Gröner nutzt Gesetzeslücken aus, die es gibt."

Die Frage ist, warum kauft einer ein lahmendes Pferd?

Matthias Meinung

Der Erfurter bleibt trotz des Verkaufs skeptisch, dass aus dem Projekt noch etwas wird. "Die Frage ist, warum kauft einer ein lahmendes Pferd? Warum soll sich jemand so etwas antun, wo es nur Probleme gibt und kein Geld da ist?" Man investiere nur, um Geld zu verdienen. Doch wie solle das hier funktionieren? "Der neue Investor wird entweder die Wohnungen mit großem Abschlag zurückkaufen, um sie teurer wieder zu verkaufen oder alle bisherigen Wohnungskäufer müssen noch einmal in Größenordnungen Geld nachbringen."

Neuer Eigentümer will Sanierungskonzept vorstellen

Zum 26. November hat der neue Eigentümer alle Wohnungskäufer eingeladen, um sein Sanierungskonzept vorzustellen. "Wir sind überzeugt, dass wir gemeinsam eine Lösung für alle Beteiligten finden können, wenn alle an einem Strang ziehen", heißt es in dem Schreiben.

Einer jedenfalls zieht nicht mehr mit am Strang: Christoph Gröner.

Mann mit Zeitung unter dem Arm in einer Bäckerei 8 min
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Der Erfurter Unternehmer Matthias Meinung hat eine Wohnung im ehemaligen TA-Hochhaus "Chronicle" in Erfurt gekauft. Hier erzählt er, welche Konflikte es bei dem Bauprojekt gab und gibt.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Mi 13.11.2024 12:55Uhr 07:32 min

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 15. November 2024 | 13:00 Uhr

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