Fakt ist! aus Erfurt CDU in Thüringen: Wenn Brandmauern das Regieren erschweren
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24. September 2024, 08:52 Uhr
Ist der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU noch zeitgemäß? In welche Richtung sollte sich die CDU öffnen? Wie wird eine Zusammenarbeit mit dem BSW gesehen? Diese und andere Fragen diskutieren die Gäste am Montag bei "Fakt ist!" aus Erfurt.
Inhalt des Artikels:
- CDU-Abgeordnete Schweinsburg für Gespräche mit allen
- CDU-Oberbürgermeister: Wähler verlassen sich auf Abgrenzung zur AfD
- Politikwissenschaftler: "Fließende, wechselnde Mehrheiten"
- Regieren mit Kooperation statt Koalition?
- CDU-AfD-Zusammenarbeit in Kommunalpolitik
- Unvereinbarkeitsbeschluss auch bezüglich des BSW?
- Erste Bewährungsprobe am Donnerstag
Um Koalitionen ging es in der Sendung und um den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU von 2018. Ein bisschen auch um die DNA der Partei und darum, was das BSW in diesem Zusammenhang für eine Rolle spielt.
Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.
Auch an Wahlversprechen wurde erinnert und eine Frau im Publikum wollte wissen, wie man jede dritte Stimme bei der Wahl so einfach ignorieren könne. Mit all dem beschäftigten sich die Moderatoren Andreas Menzel, Lars Sänger und ihre Gäste am Montag in Erfurt.
CDU-Abgeordnete Schweinsburg für Gespräche mit allen
Martina Schweinsburg (CDU) war viele Jahre Greizer Landrätin und wurde per Direktmandat in den neuen Thüringer Landtag gewählt. Aus ihrer Sicht ist der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke "erst groß geredet worden". Jetzt könne man aber nicht die Wähler dafür verantwortlich machen. Schweinsburg findet, dass die CDU mit der AfD sprechen müsse. "Alle, die demokratisch gewählt sind, müssen sich kennenlernen. Dann kann man immer noch sagen, mit dir spiele ich nicht."
Die bisherige "Ausschließeritis" habe laut Schweinsburg gar nichts gebracht. Im Gegenteil. "Ich rede doch nicht mit Parteibüchern, ich rede mit Menschen." Das gebiete schon der Respekt vor dem Wähler, so Schweinsburg. "Natürlich ist es anstrengend, mit Leuten zu reden, mit denen es keine Schnittmengen gibt. Aber wir sind für dieses Land verantwortlich."
Friedrich Merz räumt sie "viel Lebenserfahrung" ein, aber die Situation sei hier ganz anders als im Westen. "Wir müssen hier im Osten unseren eigenen Weg gehen."
CDU-Oberbürgermeister: Wähler verlassen sich auf Abgrenzung zur AfD
André Neumann (CDU) ist Oberbürgermeister von Altenburg. Er befürwortet seit längerem die Öffnung nach links. Aus seiner Sicht ist ein Unvereinbarkeitsbeschluss unnötig: "Mit der AfD kann niemand, dem es mit der Demokratie ernst ist, regieren." Das habe Thüringens CDU-Chef Mario Voigt im Übrigen auch glaubhaft versprochen.
Viele Menschen haben wegen dieser klaren Aussage zum ersten Mal in ihrem Leben CDU gewählt, so Neumann.
Die Linke dagegen habe sich in Thüringen "demokratisiert". Natürlich habe die Regierung viele Probleme im Land nicht gelöst. Aber, so Neumann, "die Linken haben bewiesen, dass sie unserer Demokratie dienen, deshalb kann man auch mit ihnen zusammenarbeiten".
Politikwissenschaftler: "Fließende, wechselnde Mehrheiten"
Der in Bochum lehrende Politikwissenschaftler und Professor Oliver Lembcke hält das Festhalten an Brandmauern für die CDU sowohl strategisch als auch programmatisch für falsch.
Zuerst müsse sie klarmachen, wofür sie inhaltlich steht. Die dann entscheidende Frage sei, wo überhaupt Schnittmengen mit AfD, Linken und BSW liegen. "Die CDU darf nicht ihre Seele verlaufen", so Lembcke. Die Versprechen aus dem Wahlkampf müssten unbedingt gehalten werden.
Von "fließenden, wechselnden Mehrheiten" sprach der Wissenschaftler. Man könne, je nach Thema, miteinander Verträge abschließen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Regieren mit Kooperation statt Koalition?
Da trifft er sich absolut mit Martina Schweinsburg. Auch wenn die Begriffe noch etwas unklar seien, so fordert auch sie, dass Fachleute einbezogen werden müssten. Ganz pragmatisch könne man themenspezifisch Vereinbarungen schließen. "Wir wollen unsere Busfahrer bezahlen können, wir wollen Lehrer an unseren Schulen haben - das muss ja nicht gleich Koalitionsvertrag heißen."
Sie wünsche sich eine solide Regierung, "ideologiefrei, pragmatisch, zukunftsorientiert". Und sie sähe dabei völlig klar Mario Voigt als neuen Ministerpräsidenten und keine Regierungsverantwortung für die AfD. "Man muss sich aber den veränderten Zeiten anpassen."
CDU-AfD-Zusammenarbeit in Kommunalpolitik
Ein Mann aus dem Publikum, der als Parteiloser für die AfD im Ortschaftsrat sitzt, lobte die Ex-Landrätin: "Frau Schweinsburg hat den Landkreis gerockt!" Er erzählte, dass bei praktischen Problemen wie dem Ärztemangel auf dem Land die CDU und die AfD auf kommunaler Ebene schon lange zusammenarbeiten würden.
Und gerade dieses breite Meinungsspektrum in der "Volkspartei CDU" gefällt André Neumann. Allerdings weist er darauf hin, dass Thüringen große Probleme mit seiner schrumpfenden Bevölkerung habe. Und so sehr er Martina Schweinsburg auch schätze, betont er: "Wir können nicht mit einer Partei sprechen, die von millionenfacher Remigration spricht."
Unvereinbarkeitsbeschluss auch bezüglich des BSW?
Frank Sarfeld, CDU-Mitglied aus Rheinland-Pfalz, will seiner CDU sogar noch einen neuen, zusätzlichen Unvereinbarkeitsbeschluss verpassen. Er ist Politikberater und Kommunikationsexperte und jetzt auch Sprecher der CDU-Basisinitiative für einen Abgrenzungsbeschluss mit dem BSW.
Beim nächsten CDU-Bundesparteitag will er beantragen, dass die CDU auch einen Unvereinbarkeitsbeschluss in Richtung BSW beschließt.
Bezüglich der Brandmauer zur AfD allerdings ist für ihn alles gesagt: "Die AfD ist nicht konservativ. Das ist eine rechtsextreme Partei. Aber nicht jeder ihrer Wähler ist ein Nazi." Die Gründe, sie dennoch zu wählen, so Sarfeld, seien unterschiedlich. Die demokratischen Parteien müssten diese Menschen jetzt zurückholen.
Erste Bewährungsprobe am Donnerstag
Am kommenden Donnerstag gibt es die erste Bewährungsprobe für die Thüringer Parteien. Dann tritt der neue Landtag das erste Mal zusammen und muss unter anderem einen Landtagspräsidenten wählen. Bisher gibt es einen Kandidaten der AfD und einen der CDU. Die CDU benötigt für eine Mehrheit nicht nur die Stimmen von SPD und BSW, denn zusammen kommen sie auf 44 Sitze. Für eine Mehrheit sind jedoch 45 Stimmen nötig. Die Linkspartei, für die der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU ja gilt, müsste mit ihren zwölf Sitzen zumindest teilweise für den CDU-Kandidaten stimmen. Die AfD kommt auf 32 Sitze.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! aus Erfurt | 23. September 2024 | 22:10 Uhr
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