Landtagswahl 2024 AfD will mit CDU und BSW sprechen - CDU stattdessen mit SPD und BSW
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02. September 2024, 22:36 Uhr
Am Tag nach der Landtagswahl in Thüringen hat die Debatte über die Regierungsbildung begonnen. AfD und CDU beanspruchten dabei wie schon am Wahlabend jeweils für sich, mit anderen Parteien Gespräche über eine Regierung unter ihrer Führung aufzunehmen. Das haben die Parteispitzen am Montagabend beschlossen.
CDU will mit SPD und BSW sprechen
Die Thüringer CDU will der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erste Gespräche über ein mögliches Regierungsbündnis anbieten. Das teilte Generalsekretär Christian Herrgott am Montagabend nach einer Sitzung des CDU-Landesvorstandes mit. Dieser habe ihn und Landesparteichef Mario Voigt ermächtigt, diesese Gespräche zu führen.
Herrgott sagte weiter, dabei werde es sich nicht um Sondierungs- oder Koalitionsgespräche handeln. Herrgott betonte auch, der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken verbiete, gelte weiter. "Wir werden nicht mit der AfD zusammenarbeiten", sagte der CDU-Generalsekretär. Gleiches gelte für eine Koalition mit der Linken.
AfD will Gespräche mit CDU und BSW führen
Zuvor hatte die AfD angekündigt, ihrerseits die CDU und das BSW zu Gesprächen über eine Zusammenarbeit einzuladen. Es gehe darum zu sondieren, ob eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit vorhanden sei, sagte Parteivize Torben Braga am Montagabend. Mit CDU und BSW bestünden programmatische Gemeinsamkeiten, aber auch erhebliche politische Differenzen. Thüringen und Deutschland stünden jedoch "vor großen Herausforderungen, die eine zeitnahe Regierungsbildung erfordern", sagte Braga.
AfD-Landessprecher Stefan Möller sagte MDR AKTUELL, es gebe nur wenige Möglichkeiten, gegen die AfD zu regieren. Da müssten sich alle anderen zusammenschließen. "Es wäre einfacher, sich mit der AfD zusammenzusetzen und Leitlinien auszuarbeiten, wie man Thüringen in den nächsten fünf Jahren führe." Bisher hätten sich zwar alle möglichen Partner ablehnend geäußert, sagte Möller. Er rechne aber mit einem Umdenken in den nächsten Monaten.
Die AfD erzielte nach vorläufigem Ergebnis 32,8 Prozent und landete damit deutlich vor der CDU, die 23,6 Prozent erhielt. Auf den dritten Rang kam das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das 15,8 Prozent erreichte.
Ramelow erneuert Angebot zur Kooperation an CDU
Während die AfD als stärkste Partei im neuen Thüringer Landtag Schwierigkeiten haben wird, überhaupt einen Koalitionspartner zu finden - alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit der Partei abgelehnt - hätte eine Koalition aus CDU, SPD und BSW keine Mehrheit im Landtag. Ihr fehlt eine Stimme an dieser Mehrheit. Daher wäre eine solche Koalition auf die Unterstützung durch die Linke angewiesen.
Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow erneuerte am Montag sein Angebot, eine Regierungsbildung unter CDU-Führung zu unterstützen. Der amtierende Ministerpräsident sagte MDR AKTUELL, er werde alles tun, damit es zu einer mehrheitsfähigen Regierung komme. CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt solle zügig Gespräche aufnehmen. Ramelow werde seiner Partei empfehlen, sich konstruktiv daran zu beteiligen.
Ramelow widersprach am Montag auch Gerüchten, er könnte zum BSW wechseln und damit einer CDU-SPD-BSW-Koalition die zur Mehrheit fehlende Stimme liefern. Derartige Gerüchte seien purer Unsinn, sagte er.
Diskussion über "Brandmauer"
Auf Bundesebene wurden die Thüringer Diskussionen über eine Zusammenarbeit zwischen CDU und Linken zurückhaltend aufgenommen. CDU-Bundesparteichef Friedrich Merz sagte am Montagvormittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer (Sachsen) und Mario Voigt (Thüringen), der Unvereinbarkeitsbeschluss gelte weiter. Es sei aber Sache der Landesparteien in den beiden Bundesländern, wie sie mit der aktuellen Situation umgingen.
Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen.
Die CDU müsse sich angesichts der schwierigen Situation fragen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffnet, sagte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum. "Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen."
Wolf (BSW): Koalitionsverhandlungen werden schwierig
Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf sieht eine Minderheitsregierung skeptisch. Eine solche sei in der aktuellen Situation "keine gute Option", sagte die 48-Jährige. Wolf sagte, sie gehe von schwierigen Koalitionsverhandlungen aus - ihre Partei wolle für Koalitionsverhandlungen mit allen demokratischen Parteien sprechen. Priorität in den Koalitionsverhandlungen sollen die Themen Schulbildung, ÖPNV und der ländliche Raum haben.
Wolf plädierte zudem für "unkonventionelle neue Modelle" bei der Regierungsbildung in Thüringen. In einer Pressekonferenz am Montagvormittag in Berlin antwortete Wolf auf die Frage nach einer möglichen Rolle von Bodo Ramelow (Linke) in einer künftigen Regierung, dass der Ball jetzt insbesondere bei der CDU und auch der Linken liege. Alle Demokraten müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und zusammenarbeiten. Sie sei optimistisch, dass dies gelingen werde. Das BSW sei zu solchen Gesprächen offen und vertrauensvoll bereit.
Wagenknecht will Richtung in Koalitionsverhandlungen mitbestimmen
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht will laut eigener Aussage voraussichtlich nicht an den Koalitionsverhandlungen in Thüringen teilnehmen. Das seien Verhandlungen auf Fachebene - sie würde jedoch die Richtung mitbestimmen:
Bei den Koalitionsverhandlungen soll demnach der Ukrainekrieg auch eine zentrale Rolle spielen. Auch wenn die Entscheidung von Waffenlieferungen in die Ukraine bundespolitisch sind, bedürfe es einer klaren Positionierung der Thüringer Landesregierung, so Wagenknecht. Eine Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland lehne das BSW klar ab.
Experte sieht Zäsur in Parteienstruktur
Politikwissenschaftler Lembcke sagte, Alternativen zu der für die CDU eigentlich verbotenen Koalition mit der Linke wäre eine Unregierbarkeit in dem Bundesland oder eine von der Linke tolerierte Minderheitsregierung. Wählt Voigt die Minderheitsregierung, würde er sich aus Lembckes Sicht noch stärker in eine Abhängigkeit zur Linke begeben - und sich bei Entscheidungen erpressbar machen.
MDR (dst/anh/ewi/dr)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. September 2024 | 11:00 Uhr
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