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"Meinung zu Gast" Mehrheitsprobleme der CDU: Zeit für neue Ansätze

22. Dezember 2023, 05:00 Uhr

"Meinung zu Gast"-Autor Jan Hollitzer sieht die CDU mit ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss in Thüringen vor einem Dilemma. Nach der Landtagswahl könnte sie auf alle demokratischen Parteien angewiesen sein, um regieren zu können. Auch auf die Linke. Ein Gastbeitrag.

Das zähe Ringen um den Haushalt in Thüringen zeigt erneut, wie schwierig es gerade für die Minderheitsregierung in Erfurt ist. Denn das zweite Kabinett-Ramelow ist in ganz besonderem Maße von den Stimmen der demokratischen Opposition abhängig.

Hier gleich eine Bemerkung zu demokratischen Parteien: Hierbei geht es nicht darum, ob eine Partei demokratisch gewählt werden kann oder wurde, sondern wie ihr Wesen, sie im Kern veranlagt ist und sie die demokratische Grundordnung verteidigen und nicht bekämpfen will.

Meinung zu Gast In der Rubrik "Meinung zu Gast" analysieren und kommentieren Medienschaffende aus Mitteldeutschland Transformations- und Veränderungsthemen: faktenbasiert, pointiert und regional verortet. Die Beiträge erscheinen freitags auf mdr.de und in der MDR AKTUELL App. Hören können Sie "Meinung zu Gast" dann jeweils am Sonntag im Nachrichtenradio MDR AKTUELL.

Doch entsprechen angesichts aktueller Umfragewerte, die den Grünen und der FDP wenn überhaupt nur knapp das Erreichen der 5-Prozent-Hürde avisieren, die Abgrenzungsbeschlüsse der CDU zur Linken, neben der AfD, noch der Realität? Lähmen sie nicht den eigenen Handlungsspielraum?

Längst gibt es Absprachen zwischen CDU und Linke wie beim Haushalt. Nach der vergangenen Wahl gab es gar einen Stabilitätspakt zwischen beiden, nachdem eine Annäherung für eine gemeinsame Regierung scheiterte. Eine Krücke. Eine Art Koalition. Nur hieß sie nicht so. Und überhaupt wäre sie aufgrund der beschlossenen Unvereinbarkeit von Seiten der CDU gar nicht möglich gewesen. – Dies erst einmal ungeachtet, ob die Wähler beider Parteien diese überhaupt wollen würden, weil die programmatischen Schnittmengen doch eher überschaubar bis nicht vorhanden sind.

CDU gibt sich konservativer

Die CDU gibt sich gerade ein neues Grundsatzprogramm. Sie versucht damit, die Mitte neu zu definieren. Und sie gibt sich dabei konservativer als unter Angela Merkel, die eine Zeit prägte, in der sie irgendwie alle Themen besetzte, um anderen Parteien die Möglichkeit zu nehmen, sich selbst zu profilieren. Dabei hatte sie allerdings selbst massiv an Profil eingebüßt. Das Programm soll die Richtung der Partei wieder greifbarer machen. 

Und nicht zu vergessen: Bundespolitik wirkt sich immer auch auf Landespolitik aus. Ob diese Profilschärfung bis zur nächsten Landtagswahl wie in Thüringen etwa bei den Wählern verfängt, bleibt abzuwarten. Zumal die CDU auch hier in der Opposition ist, und Rot-Rot-Grün noch zu parlamentarischen Mehrheiten verhelfen muss. 

Um aber Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit zu demonstrieren, wurden Gesetze mit den Stimmen der FDP und AfD gegen die Regierungskoalition durch den Landtag gebracht. Das war vor ein paar Monaten noch undenkbar.

Jan Hollitzer, Chefredakteur "Thüringer Allgemeine"
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Jan Hollitzer Jan Hollitzer ist der Chefredakteur der "Thüringer Allgemeinen". In der Reihe "Meinung zu Gast" kommentiert er als Gastautor Transformations- und Veränderungsthemen in Mitteldeutschland.

Zudem ist die Rhetorik doch sehr drastisch und in Teilen populistisch geworden. Es geht immer um das Versagen und Ablösen der Ramelow-Regierung. Zugleich aber werden Kompromisse ausgehandelt. Und es wird bewusst Bodo Ramelow in den Fokus genommen, nicht aber die Linke an sich betont. Denn die CDU wird auf alle demokratischen Parteien angewiesen sein, um regieren zu können. Auch auf die Linke

Stabilitätspakt mit den Linken

Ein großes Versäumnis ist daher, dass die CDU in ihrem Grundsatzprogramm die Abgrenzungsbeschlüsse nach links und rechts nicht neu definiert oder präzisiert hat. Zudem stellt sich die Frage, ob es derartige Beschlüsse braucht, wenn man nachvollziehbar politisch handelt. So aber werden Stimmen der AfD dankend angenommen, wenn man seine Interessen durchsetzen will. Andererseits schließt man gar Stabilitätsabkommen mit einer Partei, deren Unvereinbarkeit festgeschrieben steht. Reales politisches Handeln sagt doch mehr aus als jede Formalie.

Doch eine Linke mit der in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD gleichzusetzen, ist falsch. Und genau das tut der Unvereinbarkeitsgrundsatz in seiner öffentlichen Wirkung. 

Spinnt man den eingangs beschriebenen Gedanken weiter, und Grüne sowie FDP – vielleicht auch die SPD – schaffen den Einzug in die Landtage nicht, stünde zwischen Linke und AfD eine CDU, die sich je nach Bedarf Stimmen aus den beiden Lagern holen muss.

Sicher könnte man meinen, dass genau dies den Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie entspricht, in der Mehrheiten für die Sache beschafft werden müssen. Doch dafür bedarf es dann eigentlich auch keiner Dogmen, die Debatten überlagern und limitieren sowie die anhaltende Politikverdrossenheit vergrößert.

Redaktioneller Hinweis Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des Autors oder der Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Dezember 2023 | 09:35 Uhr

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