Michael Kretschmer (CDU, l), Ministerpräsident von Sachsen, und seine Frau Annett Hofmann sind bei der Stimmabgabe zur Landtagswahl in Sachsen im Wahllokal hinter Wahlkabinen zu sehen.
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MDRfragt Koalitionssuche: Viele für Lockerung der CDU-Abgrenzung, Uneinigkeit bei BSW

13. September 2024, 15:02 Uhr

Die CDU sagt seit Jahren kategorisch Nein zu Linkspartei und AfD. Nach den Landtagswahlen erschwert auch dieser Unvereinbarkeitsbeschluss die Koalitionssuche. Im MDRfragt-Stimmungsbild sagen viele: bitte lockern! Uneinigkeit besteht dabei, in welche Richtung gelockert werden soll. Und dann spaltet auch die Frage: Was tun mit dem BSW?

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

Nicht mit Linkspartei und nicht mit AfD: Den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU sehen im MDRfragt-Meinungstrend viele kritisch. Ginge es nach den mehr als 19.000 Befragten aus Sachsen und Thüringen, dann würde der Beschluss zumindest gelockert werden. Nur gut ein Fünftel (21 Prozent) der Befragten ist dafür, dass die kategorische Abgrenzung wie bisher aufrechterhalten bleibt. Der überwiegende Anteil der Befragten tendiert hingegen dazu, dass der Beschluss gelockert werden sollte.

Thüringer Befragte häufiger für's Aufweichen

In Thüringen, wo die CDU ohne AfD oder Linke keine Mehrheitsregierung bilden kann, ist der Wunsch zur Lockerung aus der MDRfragt-Gemeinschaft noch größer als in Sachsen, wo sich auch mit bestehendem Beschluss rechnerisch eine CDU-geführte Landesregierung bilden ließe. Konkret gaben vier von fünf Thüringer Befragten (80 Prozent) an, sie wären eher dafür, den Unvereinbarkeitsbeschluss zu lockern. In Sachsen lag der Pro-Lockerungs-Anteil bei 70 Prozent.

Diagramm zum Umfrage-Thema: CDU sollte Unvereinbarkeitsbeschluss lockern
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Lockern – doch in welche Richtung?

Doch während das Meinungsbild auf den ersten Blick eindeutig aussieht, zeigen die Kommentare, dass hinter dem Wunsch, die CDU möge ihren Unvereinbarkeitsbeschluss überdenken, sehr verschiedene Überlegungen stecken.

Manche meinen, der Beschluss sollte komplett aufgehoben werden. Zu ihnen gehört Dominik (22) aus Erfurt, der schreibt: "Es ist ein Unding, die Wählerstimmen der betroffenen Parteien außen vorzulassen." Auch Kevin (34) aus dem Erzgebirgskreis gehört zu dieser Gruppe: "Unvereinbarkeitsbeschlüsse haben etwas von Bevormundung durch den Parteivorstand. Von Bundesland zu Bundesland sind die Parteien so unterschiedlich, dass sowas meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß ist."

Hinweis Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig. Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen. Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Sie werden jedoch nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen.

Eher Richtung Linke...

Andere haben Präferenzen in die eine oder die andere Richtung: Robin (26) aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt verweist auf die christlichen Werte der CDU und meint, damit sei eine Kooperation mit der AfD in keinster Weise vereinbar. "Im Gegensatz dazu verstehe ich aber nicht, warum gleichzeitig auch eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausgeschlossen wird. Warum sollte die bisherige politische 'Mitte' nicht mit einer linken Partei ein Bündnis eingehen? Stattdessen wird eher mit einer rechtsextremistischen Partei geliebäugelt. Für mich unbegreiflich."

Es gibt auch Stimmen, wie die von Lukas (27) aus Leipzig, die finden, es sollte nur eine Ausnahme in Thüringen geben: "Nur in Bezug auf die Linke in Thüringen", schreibt er. Nathalie (28) lebt in Thüringen, genauer in Jena. Sie meint: "Die Linke in Thüringen hat ihre Regierungsfähigkeit und Verlässlichkeit die letzten Jahre bewiesen. Dies sollte die CDU in Thüringen anerkennen."

Elias (23) aus dem Landkreis Bautzen sieht es so: "Ein Unvereinbarkeitsbeschluss sollte nicht pauschal auf eine Partei abzielen, sondern eher bestimmte politische Standpunkte als Dealbreaker umfassen. Persönlich würde ich mir lieber eine Zusammenarbeit der CDU mit den Linken als eine Zusammenarbeit mit der AfD wünschen."

...oder Richtung AfD?

Für Emil (22) aus dem Vogtlandkreis wäre hingegen eine Lockerung hin zur AfD sinnvoller. Sein Argument: "So könnten sich in beiden Bundesländern Koalitionen aus den beiden stärksten Parteien bilden." Das MDRfragt-Mitglied meint: "Zudem gleichen sich die Wahlversprechen der CDU und der AfD in vielen Punkten." Carsten (45) führt ein häufig angebrachtes Argument an: "CDU und AfD sind die Parteien mit den meisten Stimmen und vertreten dadurch den größten Teil der Bevölkerung. Deshalb sollten sie auch zusammenarbeiten."

Allerdings schließen nicht nur die Christdemokraten eine Zusammenarbeit mit der AfD aus, die sowohl in Sachsen als auch in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist. Auch die anderen in den Landtag vertretenen Parteien schließen das aus. Und laut repräsentativen Umfragen wünscht sich die Mehrheit, dass die CDU in Thüringen die nächste Landesregierung anführt und die AfD nicht beteiligt wird. In Sachsen sind demnach nur AfD-Wählerinnen und -Wähler mehrheitlich für eine Regierungsbeteiligung der von ihnen gewählten Partei.

Was spräche aus Sicht der Befragten für den Beschluss?

Doch genau diese Option fürchten viele in der MDRfragt-Gemeinschaft und begründen damit, warum der Unvereinbarkeitsbeschluss bestehen bleiben soll. Etwa Julia (25) aus Dresden: "Es ist besonders wichtig, den Beschluss bezüglich der AfD beizubehalten, damit keine gesichert rechtsradikalen Menschen an die Macht kommen in einer Demokratie, die diese nicht so schätzen."

Und Leonhard (27) meint: "Wer eine Brandmauer benennt, musst diese auch einhalten. Ich will vorher wissen, welche Konstellationen möglich sind und welche nicht. Keine unerwünschten Überraschungen nach dem Wahlabend." Sarah (33) aus Leipzig argumentiert in die gleiche Richtung: "Die Ziele und Inhalte der Parteien sind nicht vereinbar. Eine gemeinsame Regierung wäre Chaos."

Auch Anja (38) aus dem Landkreis Sömmerda ist dafür, dass die CDU bei ihrem kategorischen Nein zu Linken und AfD bleibt – und noch das BSW in diese Liste aufnimmt. Ihr Argument: "Wenn zwei sich zusammenschließen, die eigentlich nicht zusammen passen, sieht man gerade an der Bundesregierung, was dann passiert. Negative Stimmung, Stillstand. Streit. All das färbt letztendlich auch auf die Bürger ab. Das tut niemandem gut."

Uneinigkeit mit Blick auf BSW-Beteiligung

Denn auch abseits des bestehenden Unvereinbarkeitsbeschlusses diskutieren die Christdemokratinnen und Christdemokraten derzeit über die Koalitionsoptionen. Weitere kontroverse Frage: Sollte die CDU in einem oder in beiden Bundesländern mit der neuen Partei der langjährigen Linken-Spitzenpolitikerin Sahra Wagenknecht, dem BSW, zusammenarbeiten?

Das MDRfragt-Meinungsbild fällt in dieser Frage ziemlich uneindeutig aus: Jeweils etwas weniger als die Hälfte der Befragten wäre eher für ein solches Bündnis – oder eher dagegen. Diese gleich starken Pro- und Kontra-Lager gab es auch schon in einem MDRfragt-Stimmungsbild einen Monat vor der Wahl. Damals waren genau 43 Prozent eher dafür, dass CDU und BSW kooperieren, und 43 Prozent eher dagegen.

Diagramm zum Umfrage-Thema: Koalition CDU mit BSW
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"Besser BSW als AfD, auch wenn das BSW nicht mein Wunsch-Koalitionspartner ist", meint Christopher (28) aus dem Erzgebirgskreis. Ähnlich argumentiert Felix (33) aus Erfurt: "Es spricht nur dafür, dass eine solche Koalition gegen die AfD notwendig ist."

Patrick (32) aus dem Unstrut-Hainich-Kreis meint hingegen: "Wie kann man eine Unvereinbarkeit mit der Linken predigen, nur um dann mit dem BSW zusammenzuarbeiten, das primär aus Ex-Linken besteht und auch Fragen zur Ukraine-Politik selbst auf Landesebene zur Koalitionsbedingung macht?"

Rico (36) gehört zu den MDRfragt-Mitgliedern, die sagen, zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich die Frage noch nicht so richtig beantworten: "Das BSW ist eine Wundertüte", meint er. "Bis auf die Russlandpolitik ist eine klare Richtung bisher nicht erkennbar. Ob eine Zusammenarbeit möglich ist und dann insbesondere Landesthemen eine Rolle spielen, müssen Koalitionsverhandlungen zeigen."

Und nicht nur Frederik (33) aus Leipzig meint, man sollte Alternativen zur komplizierten Suche nach einer Mehrheitskoalition in den Blick nehmen: "Was spricht gegen eine Minderheitsregierung in Sachsen? Man kann auch mit Themen mit wechselnden Mehrheiten durchsetzen. Eine Regierung aus CDU, SPD und BSW ist sich inhaltlich in vielen Themen sehr fern. Nur, weil diese Koalition eine Mehrheit zusammenbringt, heißt es nicht, dass die Regierung auch stabil ist."


Über diese Befragung Die Befragung "Frage der Woche: Nach der Landtagswahl - unvereinbar und unregierbar?" lief vom 9. bis 11. September 2024.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.

Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben insgesamt 19.089 Menschen aus Sachsen, und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.

MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.

MDR fragt 1 min
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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | ARD-Mittagsmagazin | 18. September 2024 | 12:00 Uhr