Craft-Bier Kleine Brauereien in Thüringen: "Maßvoller" Biergenuss
Hauptinhalt
17. September 2021, 17:00 Uhr
Plopp und zisch...heute korken wir uns eins auf. Vielleicht zwei, aber mehr wohl nicht. Denn heute wird in Thüringen mit Genuss Bier getrunken. Sagen wir, eins aus Weimar, eins aus Erfurt. Eigentlich sollte es Craft-Bier geben, doch schon bei der Definition herrscht Uneinigkeit unter Bierkennern.
Inhalt des Artikels:
Im kleinen Laden in der Erfurter Michaelisstraße stehen 300 Biere aus aller Welt. Sten Schmidt hat aber auch eine Thüringen-Ecke eingerichtet. Gerade jetzt zur Buga fragen viele Touristen danach. Dort steht unter anderem das "India Pale Ale", kurz IPA, vom Erfurter Heimathafen.
Es gibt Biere, die schmecken nach Mango oder Grapefruit und das "ohne Chemie-Kacke", wie Schmidt sagt. Und es gibt die richtig abgefahren Sachen. Schmidt erzählt von einem Schwarzbier mit Austern, einem Sauerbier, das nach Margherita schmeckt, einem mit Geschmacksrichtung "Bockwurst-Wasser" und auch einem, das "nach Gewürzgurke schmeckt". Ob das wirklich gewollt ist? Ja, sagt er. "Ist doch lustig."
Aber hier fängt das Dilemma an. Viele Menschen denken, genau und nur das sei Craft-Bier. Also das verrückte Zeug. In Hinterhöfen gebraut von bärtigen Typen mit dicken schwarzen Brillen und Basecaps. Doch Craft-Bier, erklärt Schmidt, sei einfach handwerklich gemachtes Bier.
Eine ganz genaue Definition gibt es nicht, das bestätigt noch ein anderer Kenner der Szene: Carsten Roth. Der Hobbybrauer, der selbst auch Braukurse gibt, sagt, Craft-Bier ist individuell gebraut, kreativ. Kein Großkonzern hat seine Finger im Spiel. Man dürfe "auch mal eine Himbeere reinschmeißen", damit es "ein bisschen anders und ungewöhnlich" schmeckt.
Einigen wir uns darauf: Craft-Bier ist ein Naturprodukt, es wird nicht gefiltert, nur manchmal für die Haltbarkeit pasteurisiert und es hält nicht so lange, wie industriell gebrautes Bier. Meist kommt der Geschmack von Aroma-Hopfen, es wird "nichts reingepanscht."
Kunden wollen keine seelenlosen Industrieprodukte
Während die Brauereiwirtschaft "jammert", dass die Absätze zurückgehen, gelte das für Craft-Biere nicht, so Schmidt. Er beobachtet, dass viele Kunden kein "seelenloses Industrieprodukt" wollen, sondern "back to the roots".
So, wie es zum Beispiel in Franken seit Jahrhunderten Tradition ist. Dort würde man das Aufheben um Craft-Bier gar nicht verstehen. Oder wie Jan Schlennstedt vom Erfurter Heimathafen sagt: "Sie machen es schon immer so, wussten es nur selbst nicht - denn den Begriff gibt es erst seit wenigen Jahren."
Auch in Thüringen hat sich in den vergangenen Jahren etwas in der Bier-Szene getan. Zehn bis zwölf neue Craft-Bier-Hersteller gibt es wohl. Ganz genau weiß man es nicht. Das Thüringer Landesamt für Statistik schreibt von 47 Braustätten in Thüringen im Jahr 2020 - vier Mehr als noch im Jahr zuvor. Ob die nun Craft-Bier herstellen oder sich selbst nicht als Craft-Bier-Brauer sehen, wurde dabei nicht erfasst.
Bis 200 Liter: Hobby-Brauer
Die ganz Kleinen, die Anfänger, die nur für den Hausgebrauch brauen, fliegen dabei noch unter dem Radar, erklärt Carsten Roth. Er hatte mal einen Bierladen in Erfurt. Der ist zwar inzwischen geschlossen, doch Roth gibt Seminare zum "Betreuten Trinken", wie er scherzhaft sagt. Dabei erklärt er den Teilnehmern, wie gebraut wird und warum was wie schmeckt.
Er beobachtet die Szene schon lange. "Wer mehr als 200 Liter brauen und verkaufen will, muss Biersteuer abführen, das Lebensmittelrecht kennen und anwenden und viel beachten und ist dann sichtbar", so Roth. Ohnehin scheint man sich zu kennen unter Bier-Machern. Man probiert gegenseitig, weiß, was die anderen so machen und schätzt deren Arbeit. So ergibt ein Telefonat für diesen Text das andere und ein Besuch den nächsten.
Kleine Brauereien in Thüringen
Auf die Frage, welche Thüringer Biere er empfehlen kann, sagt "Bierrufer" Sten Schmidt: Michels Brauerei aus Hüpstedt im Eichsfeld, Brauerei Schmiedeknecht aus dem Thüringer Wald und auch das "IPA" vom Heimathafen.
Die kleine Brauerei aus Erfurt hat gerade einen Beliebtheitspreis gewonnen. Ausgeschrieben von der Genuss-Bibel "Falstaff", beschert von einer treuen Fan-Basis.
India Pale Ale (IPA Bier)
- gold bis kupferfarben (außer Black IPA)
- sechs bis siebeneinhalb Prozent Alkohol, Double und Triple IPAs haben mehr als neun Prozent
- deutliches Hopfenaroma, die verwendete Sorte gibt dann z.B. Note von Tropfenfrüchten, Zitrusaromen, Piniennadeln, Honig oder Harz
(Quelle: Hopfenhelden/Bierstil-Guide)
Auf dem alten Güterbahnhofsgelände, dem Zughafen, hat die Brauerei ihr Zuhause. Über der Verkaufstheke hängt die Falstaff-Urkunde in einem Rahmen. Schon vormittags riecht es hier nach Maische, ein bisschen wie beim Bäcker. Gestern haben Chef Jan Schlennstedt und sein Mitarbeiter Fabian Scheuring Bier abgefüllt, heute werden 1.000 neue Liter gebraut. Im Kessel ist gerade Sorte "Gabi" im Entstehen.
20 Stunden in der Woche hilft Fabian mit. Er sagt, er hat den "coolsten Studentenjob der Welt". Vor einigen Jahren hat er hier eine Ausbildung zum Brauer gemacht. Nun will er Lehrer werden. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Fabian leuchtet mit einer kleinen Taschenlampe in ein Verbindungsstück des sogenannten Läuterbottichs und kontrolliert, ob Trüb- oder Feststoffe von einem Produktions-Gefäß zum nächsten wandern.
Jan lässt ihn machen und erzählt vom Heimathafen, von seiner Brauer-Ausbildung vor über 20 Jahren, vom Zurückkommen nach Erfurt und davon, dass "gutes Bier" in der Stadt fehlte. Und von der Entscheidung, künftig nicht mehr 20 Liter privat zu brauen, sondern ein paar Hundert professionell. 2017 eröffnete er den Heimathafen. Seit März kann er mit einer neuen Anlage 1.000 Liter herstellen.
Mit dem Stempel Craft-Bier will er sich aber auch nicht so recht versehen lassen.
Wir machen einfach handwerkliches Bier. Der Begriff Craft-Bier wird mir zu inflationär benutzt. Unser Helles, unser Pils - das ist nach mancher Definition kein Craft-Bier. Aber es ist handwerklich gemacht. Ein IPA ist dagegen für viele ein typisches Craft-Bier und es war schon immer ein Herzenswunsch von mir.
Den hat er sich erfüllt. In einer Schublade würden noch mehr solche Ideen liegen. Welche, das verrät er nicht. Vermutlich will er es selbst erstmal probieren. Einen anderen Tipp hat er aber noch. Einen Kollegen in Weimar.
Mini-Brauerei in Weimar
Im ehemaligen Hühnerstall hat Martin Kullik seinen Traum von der eigenen Mini-Brauerei wahr werden lassen: das Brauhaus Weimar. Der Braumeister, der inzwischen nicht mehr in der Branche arbeitet, sondern im Arbeitsschutz, braut sehr professionell unter kleinsten Bedingungen. Fässer, die er schon seit 20 Jahren von einem ins nächste Zuhause mitschleppt, hat ein Freund zu einem Sudhaus umgebaut. Drei kleine Fässer wurden so zu Maischbottich, "Whirlpool" und Läuterbottich.
Zwei Tage in der Woche steht er meist hier im kleinen gekachelten Raum. Die Gerätschaften sehen aus wie die Miniaturausgabe aus dem Heimathafen. Das, was dort an einem Tag gebraut wird, schafft Kullik in einem Jahr.
Es ist professionell, weil ich es ja gelernt habe. Volumen und Umfang verorte ich aber im Hobby-Bereich, weil das alles sehr klein ist. Nur habe ich hier eigentlich auch alles, was eine große Brauerei auch hat. Rein technisch gesehen nur viel, viel kleinerem Maßstab.
Wenn sich alles nach acht Stunden zu Bier verwandelt hat, kann Kullik abfüllen. Die kleine Abfüllmaschine schafft vier Flaschen gleichzeitig und kommt übrigens vom Heimathafen.
Meine Kampfgröße hier sind 50 Liter. Es ist auch egal, wie viel man braut - es dauert immer rund acht Stunden. Wenn alles fertig ist, verkaufe ich meine Biere an der Haustüre. Eine Nummer größer ist noch möglich, aber ich muss mal gucken, wohin die Reise geht.
Ein IPA findet man bei ihm nicht. Das macht "jeder". Er hat sich auf englische Biere spezialisiert. Regulär braut er ein bernsteinfarbenes Amber Ale, ein tiefbraunes Brown Ale und ein leicht süßliches Helles. Drei Sorten, das ist erstaunlich in diesem kleinen Räumchen. Und bald kommt ein Saisonales hinzu: Für die Weihnachtszeit plant er auch wieder mit einem speziellen Winterbier, das nach "flüssigem Lebkuchen" schmeckt.
Vor einigen Wochen gab es die Schlagzeile, dass die Thüringer Brauereien insgesamt in 2020 31 Millionen Hektoliter produziert haben. Elf davon waren von mir!
Doppelt so viel könnte es in diesem Jahr werden. Leben kann Kullik davon aber noch nicht. Ein Gehalt kann sich der Kleinunternehmer noch nicht auszahlen. Er hofft aber, dass das irgendwann geht. Eine Flasche Bier kostet bei ihm 2,50 Euro. Bei einem Kasten sind es 60 Euro.
Und man sollte es nicht meinen. Es gibt Leute, die kommen und kaufen eine ganze Kiste. Du siehst du dann aber auch einen Monat lang nicht wieder.
Manchmal hapert es dann an den Flaschen. Deshalb bittet er seine Kunden, die Leeren auch wieder zurückzubringen. Denn er kauft sie ja neu für über 30 Cent und gibt sie ab für 8 Cent Pfand. Das läppert sich, sagt er.
Und so stehen in einer Wanne an der Seite viele leergetrunkene Bierflaschen, von denen er die Etiketten abweicht. Danach geht’s in den Spüler damit.
Ohnehin scheint es so, als werde hier sehr viel geputzt und sauber gemacht. Lauge, Säure, Desinfektion - wer beim Brauen schludert, bekommt Probleme mit der Mikrobiologie. Dann wird das Bier ungewollt sauer. Wenn es dann allerdings ein bisschen nach Gewürzgurke schmeckt…aber nein, das war ja Absicht!
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Abend | 18. September 2021 | 17:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/6ad68ac9-1e34-411f-8519-101bead1e6d0 was not found on this server.