Vor der Staatskanzlei in Erfurt stehen Polizeifahrzeuge.
Zwölf Menschen wurden damals am Hirschgarten in Erfurt verletzt. (Archivfoto) Bildrechte: MDR/Marcus Scheidel

Hirschgarten Brutaler Angriff vor Erfurter Staatskanzlei: Urteile im ersten Prozess

13. Juli 2022, 19:03 Uhr

Nach einem brutalen Angriff am Hirschgarten in Erfurt sind am Mittwoch die ersten Urteile gefallen. Nach Ansicht des Gerichts waren die Angeklagten nicht die Rädelsführer der Attacke. Dass es sich möglicherweise um eine Auseinandersetzung zwischen rechten und linken Gruppen handelte, spielte im Prozess zunächst keine Rolle.

Im ersten Prozess um den Angriff vor der Erfurter Staatskanzlei hat das Jugendschöffengericht milde Strafen verhängt. Die vier Angeklagten wurden verwarnt und müssen an einem Anti-Gewalttraining teilnehmen. Einer der Angeklagten muss außerdem 500 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Nach Ansicht des Gerichts waren die vier nur Mitläufer. Sie hätten den Überfall am Hirschgarten weder provoziert noch sich dazu verabredet. Gegen die eigentlichen Rädelsführer soll am Landgericht verhandelt werden. Dennoch, so die Richterin, haben sich die Angeklagten an schweren Straftaten beteiligt. Sie wurden wegen Landfriedensbruchs und gemeinschaftlich begangener gefährliche Körperverletzung verurteilt.

Angriff vor Staatskanzlei 2020: Zwölf Menschen verletzt

Die Angeklagten kamen am Mittwoch mit vergleichsweise milden Strafen davon - auch weil sie ihre Faustschläge glaubhaft bereuten, die Taten gestanden haben und bei den Opfern um Entschuldigung baten. Die Männer, die zur Tatzeit 17 und 18 Jahre alt waren, sind weder vorbestraft, noch besteht laut Gericht Wiederholungsgefahr. Sie seien an jenem Abend ausgerastet und einer Gruppendynamik gefolgt, so ein Verteidiger. Der Vertreter der Nebenklage hatte dagegen zuvor gesagt, die Angeklagten hätten sich stadtbekannten Neonazis angeschlossen und erkennen können, dass sich da etwas zusammenbraue.

Auf einer Betonmauer stehen Flaschen und Polizeischilder zur Markierung von Spuren
Die Angriffe wurden unter anderem mit Flaschen begangen, später sicherte die Polizei die Spuren. Bildrechte: MDR/Marcus Scheidel

Bei dem Überfall am 18. Juli 2020 waren zwölf Menschen verletzt worden, darunter auch Polizisten. Videokameras an der Staatskanzlei am Erfurter Hirschgarten hatten das Geschehen aufgezeichnet. Die Bilder zeigten unter anderem, dass auch Flaschen flogen und auf am Boden liegende Verletzte eingetreten wurde.

Staatsanwalt: Motiv des Überfalls unklar

Das Motiv des Überfalls blieb bis zuletzt unklar. Man könne vermuten, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen rechten und linken Jugendgruppen gehandelt hat, so Staatsanwalt Hannes Grünseisen. Im aktuellen Verfahren spielte diese Überlegung aber keine Rolle.

Das Verfahren am Jugendschöffengericht Erfurt war am Mittwoch abgetrennt worden. Gegen zwei nicht geständige Angeklagte wird in einem extra Verfahren weiter verhandelt. Auch gegen weitere Beteiligte wurde Anklage erhoben. Fünf Erwachsene müssen sich demnächst am Landgericht und drei am Amtsgericht verantworten.

Jusos kritisieren Urteile

Nach dem Prozess haben die Thüringer Jusos die Urteile heftig kritisiert. Die Landesvorsitzende Melissa Butt sagte, die rechte Szene werde das Urteil sicher mit Freude zur Kenntnis nehmen. Es werde das Signal gesendet, dass rechte Gewalt in Thüringen nicht bestraft wird. Landeschef Maximilian Schröter nannte es "skandalös", dass ein rechtes Tatmotiv während des gesamten Prozesses nicht thematisiert wurde. Staatsanwaltschaft und Gericht müssten sich stärker mit der rechten Szene in Thüringen vertraut machen, um die Gefahr zu erkennen.

MDR (kir,fno,maf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 13. Juli 2022 | 18:00 Uhr

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