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Bauern Weniger Bürokratie, mehr Geld? Wieso ein Thüringer Landwirt auf Bio umstellt
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01. März 2025, 06:00 Uhr
Seit diesem Jahr züchtet Landwirt Johannes Schmidt in Südthüringen Öko-Rinder. Damit liegt er im Trend: Immer mehr Betriebe stellen auf Bio um, weil es weniger bürokratische Auflagen gibt - und mehr Förderung. Aber wie genau wird man eigentlich öko?
Wie jeder moderne Landwirt ist Johannes Schmidt ein Schreibtischtäter. Schmidt hat gleich zwei Schreibtische: Einer ist nur für das Prozedere rund um die Agraranträge - der andere für den ganzen Rest.
Schmidt hat von hier den gesamten Betrieb im Griff: die Agrargesellschaft Herpf im Kreis Schmalkalden-Meiningen. 25 Menschen arbeiten unter Geschäftsführer Schmidt, sie bewirtschaften etwa 4.000 Hektar, die Hälfte davon ist Grünland. Das dient wiederum als Futterbasis für die Tiere: aktuell 150 Mutterkühe und 300 Schafe.
Genau diese Grünlandbewirtschaftung inklusive Tierproduktion startet in diesem Jahr nach einer Übergangsphase in die Öko-Vermarktung. Es wird ein spannendes Jahr für das Unternehmen.
Viele Betriebe - aber noch zu wenig Fläche
Die Geschichte von Johannes Schmidt und dem Betrieb Herpf ist keine Ausnahme. Um 75 Prozent ist die Zahl der Öko-Betriebe in Thüringen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Laut Thüringer Landwirtschaftsministerium arbeiten 531 Betriebe nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Mit 15,1 Prozent liegt Thüringen leicht über dem deutschen Durchschnitt bei der Zahl der Öko-Betriebe, schreibt das Ministerium auf seiner Internetseite.
Gleichzeitig gehört Thüringen bei der reinen Fläche aber zu den Öko-Schlusslichtern. 2023 wurden laut Thünen-Institut nur gut sechs Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet. Bundesweit sind es im Schnitt gut elf Prozent. Die ehemalige Ampel-Regierung hatte als Ziel bis 2030 eigentlich einen Flächenanteil von 30 Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche vorgesehen. Es ist noch ein langer Weg.
Aufklappen: Was steckt eigentlich hinter Öko-Landbau?
Die Grundidee hinter Ökolandbau ist, dass möglichst wenig Nährstoffe und andere Hilfsmittel von außen zugeführt werden. Ziel ist, die Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten und auch nur so viele Tiere zu halten, wie mit dem Ertrag der Flächen theoretisch ernährt werden könnten. Kunststoffdünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel sind verboten. Bio-Betriebe werden einmal im Jahr kontrolliert.
Steht auf einem Produkt im Supermarkt "Bio", bedeutet das, dass alle Inhaltstoffe und Verarbeitungsschritte Bio-Standards gerecht werden müssen. Nach dem Motto: Wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin.
Quelle: Bundeszentrum für Ernährung
Zünglein an der Waage: Bürokratie
Aber was bringt einen Betrieb überhaupt zur Öko-Umstellung?
Vor Jahren hat der Betrieb Herpf bereits die Milchproduktion aufgegeben. Zu groß der ganze Aufwand. 2022 begann dann die neue Förderperiode der GAP - der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Auf einmal galten andere Regeln für die Förderprogramme. Die GAP macht etwa ein Drittel des gesamten Budgets der EU aus - gleichzeitig sind die öffentlichen Zahlungen daraus für die Landwirte überlebenswichtig.
Für uns war es einfacher umzusetzen.
"Für uns als Betrieb war das damals ziemlich chaotisch", sagt Johannes Schmidt. Mit den neuen Regeln war nicht klar, ob genug Geld für alle konventionellen Landwirte im Topf ist. "Das war für uns dann das Hauptargument: Wir haben gesehen, dass beim Öko-Landbau wirklich jeder Hektar gefördert wird. Das war schon so ein kleiner Lenkungseffekt."
Und noch etwas überzeugte Johannes Schmidt: Bewirtschaftet er die etwa 2.000 Hektar Grünland ökologisch, hat er mehr Freiheiten: "Die bürokratischen Auflagen bei Konventionell wurden derart hoch. Für uns war es so einfacher umzusetzen."
Vorteil für Herpf bei Tierproduktion
Doch Schmidt wollte nicht nur die Grünland-Bewirtschaftung umstellen, sondern ab sofort auch Bio-Tiere verkaufen. Bei der Öko-Tierhaltung sind die Auflagen relativ umfangreich. "Ich habe da einen festgeschriebenen Quadratmetersatz pro Tier. Ich brauche einen nicht-überdachten Außenauslauf. Und ich muss den Tieren einen Weidegang ermöglichen."
Die Agrargesellschaft Herpf war hier im Vorteil. Sie besitzt verschiedene Stallanlagen "von früher", mit genug Platz. Der Betrieb musste keine neuen, teuren Ställe bauen, sondern reduzierte lediglich die Zahl der Tiere. "Und in so einem Fall kann ich jedem auch raten, das zu machen - wenn das eben nicht mit hohen Investitionen verbunden ist, um die Stallhaltung anzupassen."
Zwei Jahre Übergang - Zukunft ungewiss
Damit sein Hof tatsächlich ab diesem Jahr die Produkte als bio verkaufen darf, musste Johannes Schmidt eine zweijährige Übergangsfrist überstehen. "Wir haben jetzt zwei Jahre lang unter den erhöhten Aufwendungen produziert, konnten aber nur konventionell verkaufen", erklärt er. Die Tierproduktion haben sie deshalb runtergefahren - es lohnte sich nicht anders.
"Jetzt fahren wir die Tierhaltung wieder ein bisschen hoch, in der Hoffnung, dass wir für unsere Öko-Produkte am Ende tatsächlich auch mehr bekommen." Momentan, so sagt er, spiegelt sich das am Markt aber nicht wider. Die Bio-Preise sehen für ihn nicht allzu erfreulich aus.
Wo das Essen landet, wissen wir nicht.
Letztlich ist auch die Agrargesellschaft in Südthüringen nur ein kleines Rädchen. Die große Macht haben - das ist bekannt - die großen Lebensmittelhändler. Die Discounter, die mit ihren Eigenmarken längst ins große Bio-Geschäft eingestiegen sind. Verkauft Schmidt seine Rinder, weiß er nicht, wo das Tier weiter gemästet und später als Stück Fleisch verkauft wird. "Wo das Essen landet, wissen wir nicht."
Kaum Verarbeitung in Thüringen
Auch damit ist die Agrargesellschaft Herpf nicht allein. Wie das Landwirtschaftsministerium auf MDR-Anfrage mitteilte, gibt es in Thüringen zu wenig Verarbeitungsstrukturen. Sprich: Mühlen, Molkereien oder Schlachthöfe, "um Thüringer Bio-Ware vollständig weiterverarbeiten zu können". Eines der wenigen Beispiele ist die neue Bürgermolkerei in Weimar, die sich dort als Genossenschaft gegründet hat.
Bio-Getreide und -Tierprodukte werden ansonsten in der Regel nach Bayern oder Sachsen gebracht. Niemand ist damit so richtig zufrieden, denn "Wertschöpfung geht so in Thüringen verloren", so das Ministerium.
Ministerium setzt vor allem auf Marketing
Beim Thema Wertschöpfung sind sich zunächst alle einig. Sowohl Landwirt Schmidt, das Landwirtschaftsministerium, als auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) fordern die Stärkung dieser Ketten. Nur, wie das genau aussehen soll, dazu hat das Landwirtschaftsministerium wenig wirklich neue Ideen.
Schriftlich wird auf bestehende Förderprogramme verwiesen, die "überprüft und gegebenenfalls neu justiert" werden sollen. Als Beispiel nennt das Ministerium ein aktiveres Marketing der Produkte. Mit dem Ziel, die Öko-Betriebe und -Verarbeiter noch mehr zu unterstützen. Ohne eine regionale Weiterverarbeitung und Vermarktung würden "alle Maßnahmen für eine flächenstarke Öko-Umstellung letztlich ins Leere greifen".
BSW-Abgeordneter: Mobile Schlachtung fördern
Ein wenig konkretere Forderungen bringt da der BSW-Abgeordnete Frank Augsten in die Diskussion. Augsten war nicht nur seit Ende der 1990er Vorkämpfer von Öko-Landbau in Thüringen, sondern zuletzt unter anderem Abteilungsleiter im Landwirtschaftsamt. Der BSW-Abgeordnete macht jetzt Druck auf seine Koalitionspartnerin, die CDU, die das Landwirtschaftsministerium führt.
Augsten fordert, eine mobile Schlachtung dauerhaft in Thüringen zu etablieren. Die vorherige Regierung hatte zwar ein Projekt gefördert, dann aber kein Geld für eine strukturelle Finanzierung bereitgestellt, so Augstens Kritik. Auch Landwirt Schmidt aus Südthüringen fände eine mobile Schlachterei gut. Sie könnte ein Ausweg sein, um seine Bio-Tiere überhaupt regional schlachten zu können. Niemand baue angesichts der hohen bürokratischen Hürden heute noch eine stationäre Bio-Schlachterei.
Ob die neue Brombeer-Landesregierung tatsächlich Geld für eine mobile Schlachterei auftreiben will und wird, ist angesichts der knappen Haushaltskasse fraglich.
Diese Extensivierung anzugehen, war genau richtig.
Landwirt Johannes Schmidt von der Agrargesellschaft Herpf blickt trotz aller Unsicherheiten optimistisch auf das Jahr 2025 - sein erstes Bio-Jahr. Die Umstellung komme auch mit Blick auf die internationale Politik zur richtigen Zeit. "Diese Extensivierung anzugehen, war genau richtig, weil wir mit dem Mercosur-Abkommen in den nächsten Jahren einen Großteil unserer Lebensmittel importieren werden", ist er sich sicher.
Sie könnten als Landwirte hier in Deutschland nicht mit dieser günstigeren Ware mithalten. Bio-Ware aber, so die Hoffnung von Schmidt, könnte dann die Sparte sein, in der es noch genug Geld zu holen gibt.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 01. März 2025 | 18:00 Uhr
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