Müll auflesen als "Hobby" Musikerin sammelt tonnenweise Abfall am Straßenrand
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05. Mai 2021, 05:00 Uhr
Seit ziemlich genau zwei Jahren sehen Autofahrer, Busfahrgäste oder Radfahrer rund um Hottelstedt im Weimarer Land immer wieder eine Frau mit gelber Schutzweste, einem Greifer und einem Müllsack suchend am Straßenrand entlanggehen. Die Musikerin Stefanie Lachmann sammelt auf, was Autofahrer aus dem Fenster geworfen haben. Und staunt dabei manchmal mächtig.
Angefangen hat alles im März 2018. Mit Frühlingsbeginn war Stefanie Lachmann wieder viel draußen unterwegs. Mal zu Fuß, mal mit dem Rad. Sie lebt in Hottelstedt nordwestlich des Ettersberges, fährt regelmäßig mit dem Fahrrad nach Weimar zur Arbeit - und immer wieder ärgerte sie sich über den Müll am Straßenrand. Und so schnappte sie sich irgendwann einen Müllsack und Handschuhe, als sie zum Spaziergang aufbrach. "Ich wollte eigentlich nur, dass das Zeug wegkommt", erzählt sie.
Ich wollte eigentlich nur, dass das Zeug wegkommt.
Allerdings war sie erstaunt, wie schnell der Sack voll war und was da alles am Straßenrand lag. Vom (positiven) Schwangerschaftstest über jede Menge Schnapsflaschen, vom ganzen Klosettbecken über Schulranzen, von einem Paar Pumps bis zu einem völlig intakten Mosaik-Fliesen-Tisch. Derzeit liegen auch große Mengen Corona-Masken rechts und links der Straße.
Müllsammeln mit Fantasie
Kleine Sachen packt Lachmann in ihren Müllsack, große Teile wie Radkappen und auch die Glasflaschen legt sie an den Straßenrand und holt sie später ab. Entweder mit dem Rad oder, wenn es zu viel ist, auch mal mit dem Auto. Beim Sammeln denkt sie sich für ihre Beutestücke gern auch mal Geschichten aus. Ereignisketten, die dazu geführt haben, dass diese Dinge hier am Straßenrand gelandet sind. Wenn sie beispielsweise auf dem gleichen Stück Weg immer wieder Whisky-Flaschen einer Marke findet, macht sie sich schon Gedanken, warum der arme Mann die nicht mit nach Hause nehmen darf.
Wanderer loben sie oft
Sie wird auch angesprochen, wenn sie Leute trifft beim Sammeln. Von Wanderern, von Radfahrern - sogar Autofahrer haben schon reagiert. "Die Leute sind dann überrascht, dass jemand das einfach so macht", erzählt Stefanie. Sie freut sich natürlich über das Lob, aber andererseit sagt sie: "Menschen haben das verursacht, also räumt es jetzt auch ein Mensch weg."
Kein Bedürfnis zu missionieren
Sauer ist sie auf die Verursacher des Mülls überhaupt nicht. "Ich bin nur immer wieder erstaunt, warum Leute ihren Abfall überhaupt im Wald entsorgen." Und Stefanie will auch niemanden dazu bringen, künftig beim Spazierengehen Müll zu sammeln: "Ich mache das, weil ich es für richtig halte. Aber eben für mich. Für jemand anderen mag etwas anderes richtig sein."
Der Müll fliegt immer häufiger aus dem Autofenster, beobachtet sie. Auf geraden Strecken, wo der Fahrer sich nicht so konzentrieren muss, liegt deutlich mehr am Straßenrand als in den Kurven. Natürlich gibt es auch immer wieder große Haufen Abfall, die im Wald abgeladen werden, dann muss aber zumindest eine kleine Fläche zum Anhalten da sein. Diese Haufen kann Stefanie Lachmann natürlich nicht beseitigen.
Die Müll-Menge ist erstaunlich
Schätze hat sie übrigens noch keine gefunden. Allerdings einen Fahrradkorb, den sie jetzt zum Transport der Glasflaschen aus dem Wald benutzt. Zu Hause wird dann alles ausgebreitet, sortiert und getrennt. Und sie beobachtet bestimmte Tendenzen: "Die Vorlieben ändern sich scheinbar. Derzeit gibt es wesentlich mehr Wodka- als Kornflaschen."
Derzeit gibt es wesentlich mehr Wodka- als Kornflaschen.
Wirklich überrascht ist sie von der schieren Menge: "Jeder sieht, dass da Müll am Straßenrand liegt, aber dass in einer Stunde ein ganzer Müllsack voll wird und dazu dann noch die ganzen Flaschen, das hätte ich nicht erwartet." Sie vermutet, dass sie in den zwei Jahren schon locker einen kleinen Container (5m³) voll gesammelt hat.
Für Stefanie Lachmann ist es nicht verständlich, warum jemand Müll aus dem Autofenster wirft: "Da kannst du nicht rational rangehen." Eins ist für sie jedoch völlig klar: Nicht nur die Leute, die das tun, sind für den Müll verantwortlich, sondern die gesamte Gesellschaft: "Wir alle konsumieren und produzieren dadurch Müll. Also sind wir auch alle in der Verantwortung."
Müll-Saison vorerst beendet
Ihre Sammel-Saison jedenfalls endet jetzt. Wenn die Vegetation am Straßenrand höher als 15 Zentimeter gewachsen ist, findet Lachmann den Müll nicht mehr und bekommt ihn mit dem Greifer auch nicht zu fassen. Aber im Spätherbst geht es dann wieder los. Zumindest bei Stefanie Lachmann.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Mai 2021 | 10:00 Uhr
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