Mafia in Thüringen Anti-Mafia-Prozess in Italien: Pizzerien in Erfurt laut Kronzeuge mit Drogengeld gekauft

30. Oktober 2024, 05:00 Uhr

Im aktuell laufenden Anti-Mafia-Verfahren "Eureka" gibt es brisante Aussagen eines Kronzeugen der italienischen Justiz. Nach seinen Angaben sollen bis zu vier italienische Restaurants in Erfurt mit Drogengeld gekauft worden sein. Dabei nennt er auch Namen von Verdächtigen aus dem 'Ndrangheta-Umfeld. Sie sollen im Zusammenhang mit dem Kauf dieser Pizzerien stehen.

Es sind vier Seiten, eng beschrieben und sie haben es in sich. Auf Ihnen ist die Aussage des Mafia-Kronzeugen Rocco Mammoliti dokumentiert, die MDR Investigativ und der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) vorliegt. Am 23. Februar 2021 erzählte er einem italienischen Staatsanwalt bei einer Vernehmung in Rom Folgendes:

In Erfurt seien "drei bis vier" Pizzerien mit Geldern aus dem Drogenhandel erworben worden. Die Restaurants würden als Fassade und logistische Basis dienen. Zudem nennt er die Namen Giuseppe N., Giovanni S. und Francesco R.. Sie sollen im Zusammenhang mit diesen Geschäften in Erfurt stehen.

Exakt die Story: Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia 30 min
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Restaurant mit Drogengeld gekauft?

Damit bestätigt ein Kronzeuge der italienischen Justiz erstmals, was bisher immer als Gerücht in Erfurt gehandelt wurde: Die `Ndrangheta und ihr Umfeld sollen Restaurants mit Drogengeldern gekauft haben.

Bereits vor 20 Jahren war dieser Verdacht unter anderem Gegenstand eines sehr umfangreichen Ermittlungsverfahrens. Damals ermittelten die Staatsanwaltschaft Gera, das Bundeskriminalamt und das Thüringer Landeskriminalamt gegen mehrere Italiener in Erfurt im Rahmen der Operation "Fido".

Spuren führen zu Mafia-Verfahren in Thüringen

Anfang 2021 machten MDR Investigativ und die FAZ dieses bis dahin geheime Verfahren öffentlich. Dabei wurde nicht nur bekannt, dass die Fahnder dem Verdacht nachgegangen waren, dass in Erfurt italienische Restaurants mit Geldern aus dem Drogenhandel gekauft worden sein sollen.

Sondern es ging auch um einen überraschenden Abbruch aller Operationen mitten in den laufenden Ermittlungen. In der Folge der Veröffentlichung dieser Recherche setzte der Thüringer Landtag einen Untersuchungsausschuss ein. Dieser konnte mit seinem Abschluss im Sommer dieses Jahres die Umstände des Abbruchs von damals nicht restlos aufklären.

Kronzeuge sagt über wichtigen Verdächtigen aus

Vor diesem Hintergrund dürfte die bisher öffentlich nicht bekannte Aussage des Kronzeugen Mammoliti zu Erfurt von Brisanz sein. Zumal er auch über eine wichtige Schlüsselfigur der 'Ndrangheta berichtet, der Beschuldigter in dem Fido-Verfahren war. Der Italiener aus San Luca war viele Jahre in italienischen Restaurants in Erfurt aktiv. Später ging er nach Portugal und soll dort in die Gastronomie investiert haben.

Im Rahmen des Verfahrens "Eureka" steht er seit Sommer vor einem Gericht in Kalabrien. Nach Mammolitis Aussage soll dieser Italiener Immobilien in Berlin gekauft haben. Zudem sollen Millionen an gewaschenen Drogengeldern aus Deutschland zurück nach Italien gegangen sein, die der inzwischen Angeklagte und weitere mutmaßliche Komplizen aus San Luca in den Landkauf in Kalabrien investiert haben sollen.

Autos der italienischen Polizei stehen in einer Straße mit mehreren Häusern in San Luca.
Der Italiener Maurizio C. aus San Luca war viele Jahre in italienischen Restaurants in Erfurt aktiv. Bildrechte: FAZ/David Klaubert

Kooperation mit der italienischen Justiz

Der 58-jährige Kronzeuge Rocco Mammoliti kooperiert seit Ende der 90er-Jahre mit der italienischen Justiz. Er ist in San Luca geboren und der bisher einzige Mafia-Kronzeuge aus dem Dorf. Er kennt die Strukturen der Familien und weiß, wie und wo sie weltweit agieren.

Da Teile dieser Familien im Anti-Mafia-Verfahren "Eureka" seit Ende 2019 eine Rolle spielen, haben die italienischen Ermittler Mammoliti 2021 in Rom erneut vernommen. Offenbar wollten sie Informationen, die ihnen bei den bis dahin noch geheim laufenden Ermittlungen von Nutzen sein könnten.

Festnahme auch in Erfurt

Als am 3. Mai 2023 bei weltweiten Razzien im Eureka-Verfahren rund 130 Beschuldigte festgenommen wurden, war darunter auch der Erfurter Promi-Wirt Maurizio C. Er soll in Verbindung mit einem geplanten Kokain-Geschäft zwischen Südamerika und Australien stehen.

Deswegen steht auch er seit Sommer dieses Jahres in Italien vor Gericht. Sein Anwalt weist gegenüber MDR Investigativ und der FAZ den Vorwurf zurück und legt Wert auf die Feststellung, dass gegen seinen Mandanten nicht wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittelt worden sei. Bedeutet: Er gebe keinen Verdacht, dass Maurizio C. Mitglied der 'Ndrangheta ist.

Zwei Männer sitzen in einem Schnittraum. 39 min
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39 min

Zwei Jahre lang spürten Ludwig Kendzia und Axel Hemmerling der 'Ndrangheta nach; Sie trafen Ermittler und reisten nach Italien. Wie man gegen die Mafia recherchiert, erzählen sie im Interview mit Andreas Kehrer.

Das Erste Mo 22.02.2021 22:50Uhr 38:44 min

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Fahnder überwachen Promi-Wirt

Dass C. aber ein enges Verhältnis zu einigen der Hauptbeschuldigten im Eureka-Verfahren haben könnte, geht aus internen Akten hervor, die MDR Investigativ und die FAZ auswerten konnte. Demnach wurde er im Frühjahr 2021 in San Luca von Mafia-Fahndern der Carabinieri überwacht.

Sie dokumentierten die Reise mit seiner Familie in einem Auto mit Erfurter Kennzeichen in den Ort. Dort traf er sich unter anderem mit Salvatore G., der einer der Hauptdrahtzieher des Kokain-Handels gewesen sein soll, der Gegenstand des Eureka-Verfahrens ist.

Italienische Polizisten stehen neben einem Polizeiauto am Ortseingang von San Luca.
Der Angeklagte C. wurde im Frühjahr 2021 in San Luca von Mafia-Fahndern der Carabinieri überwacht. Bildrechte: FAZ/David Klaubert

Gerichtsprozesse laufen in Kalabrien

Kurz vor seiner Abreise aus San Luca beobachteten die Fahnder noch ein weiteres Treffen zwischen C. und einem Sebastiano S.. Dieser ist mit seinem Bruder Francesco ebenfalls im Eureka-Verfahren angeklagt. Beide sollen vom belgischen Genk aus Kokain-Importe nach Europa organisiert haben.

C. und die beiden Brüder aus Belgien sind Cousins. Bei dem Treffen soll C. an S. einige Schmuckstücke übergeben haben. Diese sollte er für seinen Bruder Francesco mit nach Belgien nehmen, als Geschenk zur Geburt seiner Tochter. Offenbar hielten die Ermittler dieses Treffen und die Übergabe für so wichtig, dass sie in den Ermittlungsakten dokumentiert wurde.

C. selber saß nach seiner Festnahme in Erfurt, im Mai vergangenen Jahres, bis Sommer dieses Jahres in Italien in Untersuchungshaft. Inzwischen ist er nicht mehr in Haft, steht aber während des Prozesses gegen ihn in Kalabrien unter Hausarrest. Wie lange die Gerichtsverfahren in Kalabrien noch dauern und wann mit Urteilen zu rechnen ist, ist bisher nicht bekannt.

Mehr zum Eureka-Verfahren

MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt - DIE STORY | 30. Oktober 2024 | 20:45 Uhr

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