Politik Bündnis Sahra Wagenknecht präsentiert Kandidaten und Programm für Landtagswahlkampf in Thüringen
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28. Mai 2024, 19:44 Uhr
Frieden, Bildung, leistungsfähiger Staat, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft - mit diesen fünf zentralen Themen will das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Thüringen in den Landtagswahlkampf 2024 gehen. Am Dienstag stellte die Partei ihre Inhalte und Kandidaten in Erfurt vor. Am 1. Juni soll der Parteitag endgültig über das Programm entscheiden.
- Bei der Kommunalwahl ist das Bündnis Sahra Wagenknecht in vier Thüringer Kreistage eingezogen.
- Mit dieser Liste will das BSW zur Landtagswahl antreten
- Das Bündnis Sahra Wagenknecht geht in Thüringen mit fünf Schwerpunkten in den Landtagswahlkampf 2024.
- Am 1. Juni soll der Parteitag final über das Wahlprogramm entscheiden.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Erfurt neue Details zur voraussichtlichen Kandidatenliste und dem Programm für den Landtagswahlkampf in Thüringen bekannt gegeben. Darüber hinaus lobten die Vorsitzenden des Landespartei, Katja Wolf und Steffen Schütz, den zurückliegenden Kommunalwahlkampf der noch jungen Partei: "Wir sind sehr zufrieden und stolz auf das Ergebnis. Wir haben das, was wir uns für die Kommunalwahl vorgenommen haben, übererfüllt", bilanzierte Schütz.
Vier von vier: BSW zieht in mehrere Thüringer Kreistage ein
Das BSW ist bei der Kommunalwahl in vier Landkreisen und mehreren Kommunen angetreten. In allen vier Landkreisen zog das BSW in die Kreistage ein. Das beste Ergebnis gelang der Partei mit 12,4 Prozent im Landkreis Gotha. Außerdem konnte die Partei das Amt eines ehrenamtlichen Ortschaftsbürgermeisters in Bleicherode erringen. Der ehemalige Linken-Politiker Robert Henning erhielt hier 56,6 Prozent aller Stimmen und konnte sich im ersten Wahlgang gegen die CDU-Kandidatin Claudia Schmidt-Krumbein durchsetzen.
"Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich damit der erste direkt gewählte Mandatsträger unserer jungen Partei bin", sagte Henning. Auf der Pressekonferenz dankte er seiner Kontrahentin für einen fairen Wahlkampf und freute sich dann auf die kommunale Arbeit. Hierbei wird er künftig von vier Parteikollegen unterstützt, die in den Gemeinderat gewählt wurden.
Ehemalige Linke, Grüne und Medienprofis als Spitzenkandidaten
Beflügelt durch das positive Abschneiden bei der Kommunalwahl zeigte sich das BSW selbstbewusst, auch bei der Landtagswahl eine gewichtige Rolle spielen zu können. Davon zeugte auch die Vorschlagsliste des Landesvorstandes, die 32 Listenplätze umfassen soll - das entspräche einem Wahlergebnis von etwa 35 Prozent. "Wir wollen bei einem guten Ergebnis genügend Nachrücker haben", sagte Landesvorstand Tilo Kummer.
Nicht überraschend soll die Liste von Katja Wolf als Spitzenkandidatin angeführt werden. Die scheidende Eisenacher Oberbürgermeisterin erklärte, dass bei der Auswahl neben fachlicher Kompetenz, regionaler Ausgewogenheit, einer erkennbaren Geschlechtergerechtigkeit auch die Arbeitsfähigkeit in einer zukünftigen Landtagsfraktion berücksichtigt worden sei.
Das Ergebnis ist - zumindest auf den ersten fünf Plätzen - eine Mischung aus drei ehemaligen linken und grünen Berufspolitikern sowie zwei Medienprofis: Auf Wolf folgen auf den Plätzen zwei bis fünf der Co-Vorsitzende und Medienunternehmer Steffen Schütz, der ehemalige Fernsehmoderator Steffen Quasebarth sowie Sigrid Hupach und Frank Augsten. Hupach und Augsten sammelten mit der Linkspartei und den Grünen bereits Landtagserfahrung. Hupach ist studierte Architektin, die nach der Wende auch als Berufsschullehrerin arbeitete. Augsten ist Agrarwissenschaftler und arbeitete zuletzt als Abteilungsleiter im Landesamt für Landwirtschaft.
Online-Befragung als Grundstein des Parteiprogramms
Neben der personellen Aufstellung gab der BSW-Landesvorstand auch erste Details zum Parteiprogramm bekannt. Dieses basiere auf fünf zentralen Themen, die sich aus einer Online-Befragung herauskristallisiert hätten, sagte Schütz. Die Themen seien Frieden, Bildung, leistungsfähiger Staat, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft.
An der Online-Befragung haben laut Schütz mehr als 6.000 Menschen teilgenommen. Manipulationsversuche oder Bot-Beteiligungen, auf die MDR THÜRINGEN in einer Berichterstattung im März hingewiesen hatte, räumte Schütz ein, versicherte aber, dass die Daten bereinigt worden seien. Aufbauend auf der Online-Befragung soll das Motto der Wahlkampfkampagne "Klartext für Thüringen - Damit sich etwas ändert" lauten.
Mit Bürgerbeteiligung zum sozialen Frieden
Erstmals skizzierten die BSW-Vorsitzenden auch, was diese fünf Themenfelder konkret bedeuten sollen. So will die Partei den Friedensbegriff auf Landesebene vor allem als "Sozialen Frieden" interpretiert wissen. Dafür möchte die Partei mehr direkte Demokratie in Thüringen möglich machen und führt als Vorbild das Schweizer Modell an. Bei Gesetzesvorhaben sollen Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit bekommen, innerhalb von 100 Tagen Einsprüche zu erheben oder Änderungen vorzuschlagen.
Wer sich das in der Schweiz anschaut, wird sehen: das funktioniert.
"Das wird dazu führen, dass sich Prozesse um 100 Tage verzögern. Aber ich denke, das ist ein guter und praktikabler Vorschlag. Wer sich das in der Schweiz anschaut, wird sehen: Das funktioniert", sagte Steffen Schütz dazu. Das BSW wolle von anderen Ländern lernen. Zugleich habe sich die Partei für diesen Vorschlag mit dem Thüringer Verein "Mehr Demokratie e.V." in Verbindung gesetzt, der sich seit 1998 in Thüringen dafür einsetzt, demokratische Prozesse zu reformieren.
Erst kürzlich hat der Verein eine Petition für eine Verfassungsreform in Thüringen gestartet, die mehr Bürgerbeteiligung ermöglichen, die Verfassung nach Vorbild der Arbeit des Verfassungsblogs schützen und die Menschenrechte in der Verfassung verankern soll.
Analoger Unterricht bis zur fünften Klasse
In der Bildungspolitik, die das wohl wichtigste landespolitische Thema des BSW werden soll, will die Partei eine Vorschulreform anstoßen. "Wir brauchen wieder Kinder, die Sprachfähigkeiten haben, wenn sie zur Schule kommen", erklärte Steffen Schütz. Die Grundschulen sollten wieder dafür sorgen, dass Kinder "richtig lesen, schreiben und rechnen können".
Kommunen haben nicht nur gute Kämmerinnen und Kämmerer, sondern auch das Fingerspitzengefühl dafür, keinen gigantischen Blödsinn zu machen.
Druckschrift oder das Schreiben nach Gehör solle der Vergangenheit angehören, sagte Schütz. Darüber hinaus soll der Unterricht mit digitalen Hilfsmitteln bis zur fünften Klasse abgeschafft werden. "In der Grundschule steht für uns das analoge Lernen im Vordergrund", sagte Schütz. Digitale Fähigkeiten und der Umgang mit digitalen Medien soll erst an weiterführenden Schulen erfolgen.
Kommunen finanziell unabhängiger machen
Ein weiterer wichtiger Punkt des BSW soll eine Reform der Finanzierung von Kommunen sein. "Der Haupthebel muss hier der kommunale Finanzausgleich sein. Alle Studien zeigen, dass die Kommunen unterfinanziert sind", sagte Wolf und kritisierte, dass derzeit nach dem Motto verfahren werde, dass wenn eine Kommune Geld am Ende des Jahres übrig habe, es vom Land als Zeichen der auskömmlichen Finanzierung gewertet werde. "Kassenreste sind am Ende des Jahres normal. Das heißt nicht, dass eine Kommune reich ist", so Wolf.
Zudem wolle das BSW die Landeshaushaltsverordnung vereinfachen, damit Kommunen finanziell unabhängiger von der Landespolitik agieren könnten. Die "Nach-Wende-Skepsis", wie Wolf es nannte, die es Kommunen nicht zutraute, eigene Entscheidungen zu treffen, sei veraltet. "Kommunen haben nicht nur gute Kämmerinnen und Kämmerer, sondern auch das Fingerspitzengefühl dafür, keinen gigantischen Blödsinn zu machen", sagte Wolf.
Keine Rentenbesteuerung, kein Asylmissbrauch, aber Energie-Speicher
Das Thema soziale Gerechtigkeit verbindet die Partei mit der Forderung, die Rentenbesteuerung abzuschaffen, was aber nur auf Bundesebene möglich ist. Darüber hinaus soll der Staat mehr Sozialwohnungen bauen und im ländlichen Raum Begegnungsorte schaffen. Ein Liegenschaftsregister soll mögliche Bau- und Wohnräume identifizieren. Wirtschaftlich will die Partei Thüringen zum Vorreiter für Speichertechnologien entwickeln und somit den Ausbau erneuerbarer Energien fördern. Diese Energie soll vor Ort erzeugt und lokale Energienetze gestärkt werden.
In der Migrationspolitik bekennt sich das BSW zum Asylrecht und will die Leistungsfähigkeit lokaler und kommunaler Träger stärken. Um Asylmissbrauch zu verhindern, sollen Menschen ohne Bleiberecht oder Migranten, die sich strafbar gemacht haben, nicht mehr alimentiert werden. Auch ein Thema, das auf Bundesebene entschieden werden muss. Katja Wolf hält entgegen: "Man kann über den Bundesrat Einfluss auf die Bundesgesetzgebung nehmen." Darüber hinaus könne man in Thüringen dafür sorgen, dass Staatsanwaltschaften und Ämter besser arbeiten könnten, um Asylverfahren zu beschleunigen. Von Ankerzentren nach dem Vorbild der CDU distanzierte sich das BSW.
BSW-Parteitag am 1. Juni
Ob all diese Vorhaben am Ende tatsächlich im Parteiprogramm unterkommen werden, wird sich am 1. Juni entscheiden. Dann wird das BSW einen Parteitag in Erfurt abhalten. Alle derzeit 47 BSW-Mitglieder in Thüringen sollen dann über die Listenplätze und das Parteiprogramm abstimmen. Im Anschluss soll das endgültige Wahlkampfprogramm vorgestellt und veröffentlicht werden. Bis Jahresende will der Landesverband, der erst seit wenigen Tagen gegenüber der Bundespartei zumindest mehr Mitbestimmung bei neuen Mitgliedern hat, seine Mitgliederzahl in Thüringen verdoppeln.
MDR (cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. Mai 2024 | 19:00 Uhr
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