Katja Wolf während einer Pressekonferenz.
Katja Wolf ist seit 2012 Oberbürgermeisterin von Eisenach. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Kommunen Tauscht "Traumjob" gegen BSW-Kandidatur: Eisenachs OB Katja Wolf blickt zurück

10. Mai 2024, 18:02 Uhr

Mit 16 Jahren Eintritt in die PDS, als 23-Jährige für die Linke im Thüringer Landtag, mit 36 Jahren Eisenacher Oberbürgermeisterin - Katja Wolf hat eine steile politische Karriere hingelegt. Umso größer die Überraschung, als sie ankündigte, nicht erneut für das Amt anzutreten, sondern für das "Bündnis Sahra Wagenknecht" für den Landtag zu kandidieren. Wolf findet, ihre Bilanz für Eisenach könne sich sehen lassen. Sie gebe den "Traumjob" ungern auf - auch wenn ihr nicht alles gelungen sei.

Es lag an einem Radiosender, dass Katja Wolf vor 32 Jahren begann, sich für Politik zu interessieren. Das geplante Aus des Jugendradios DT 64 empörte sie, war ihr doch der Sender "wahnsinnig wichtig, ein Medium, das mich begleitet hat als Leitplanke im Leben". Darum wollte sie kämpfen.

Für die Linke, damals noch PDS, entschied sich die 16-jährige, weil sie die Partei als "Heimathafen" sah für Fragen, die sie damals bewegten. Empfundene Ungerechtigkeiten, die mit der Wende verbunden waren, "wo Lebenserfahrungen ausradiert werden sollten und Biografien plötzlich entwertet wurden."

Katja Wolf (r), Oberbürgermeisterin von Eisenach, und Christian Leye (M), Generalsekretär vom Bündnis Sahra Wagenknecht, nehmen an der Gründungsversammlung des Landesverbandes Thüringen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Hotel «Thüringer Hof» teil.
Von der PDS zum BSW: Katja Wolf bei der Gründung des "Bündnis Sahra Wagenknecht". Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Dabei rechnet sich Wolf klar zu den "Wendegewinnern" - sie habe ihr Leben in der Zeit ganz neu planen können: "Die Mischung aus Pubertät und Wende war eigentlich sensationell". Nach dem Abitur studierte sie in ihrer Heimatstadt Erfurt Sozialpädagogik, arbeitete nach dem Diplom kurze Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landtag, bevor sie 1999 als Abgeordnete dort einzog. Zehn Jahre später holte sie ein Direktmandat, saß seit 2004 im Eisenacher Stadtrat.

Die Mischung aus Pubertät und Wende war eigentlich sensationell

Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf

Schrecksekunde nach der Stichwahl

2012 bewarb sich Katja Wolf in Eisenach für das Amt der Oberbürgermeisterin. Sie habe nicht damit gerechnet, gewählt zu werden, gibt sie zu. "Da kandidiert es sich leichter." Während des Wahlkampfs habe sich das verändert, am Ende wollte sie das Amt. Doch als sie die Stichwahl mit 51,6 Prozent gewonnen hatte, gab es schon "eine Schrecksekunde". Sie habe Angst vor der eigenen Courage empfunden - und eine "wahnsinnige Verantwortung".

Der Anfang war nicht leicht. Sie habe in einer klassischen Krisensituation übernommen, sagt Wolf. Die Stadt habe finanziell wie politisch am Boden gelegen. Im Stadtrat hätten einige darauf gesetzt, dass sie das Amt nach spätestens einem Jahr wieder aufgeben werde, erzählt sie. "Eine echt schwierige Zeit, die werde ich nicht vergessen." Die Stadt musste in die Haushaltssicherung, Steuern und Abgaben erhöhen, um jede freiwillige Leistung kämpfen.

Dass es trotzdem gelungen ist, die Kultur in der Stadt - wie das Landestheater und das freie Theater am Markt - zu erhalten und sogar auszubauen, darauf ist Katja Wolf heute stolz. Inzwischen ist die Haushaltssicherung geschafft, die Stadt wieder handlungsfähig, wie die Oberbürgermeisterin immer wieder betont. Eisenach dürfte wieder Kredite aufnehmen, kann längerfristig planen.

Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf und eine Mitarbeiterin stehen an einem Tisch und blättern durch Papiere.
Oberbürgermeisterin Wolf mit einer Mitarbeiterin. Bildrechte: MDR/Ruth Breer

Trotz aller Schwierigkeiten hat die Stadt mit Unterstützung des Landes viel in Schulen investiert, liegt bei der Digitalisierung vorn, saniert inzwischen auch Sporthallen. Lange Zeit hatten die Eisenacher mit viel Neid in den Landkreis geschaut, wo ringsum moderne Sportstätten entstanden.

Aufgabe der Kreisfreiheit

Zur Sanierung der städtischen Finanzen gehörte auch ein Schritt, der vielen in der Stadt schwergefallen ist - auch der Oberbürgermeisterin, obwohl sie, wie sie sagt, dafür gekämpft habe: die Aufgabe der Kreisfreiheit.

Wolf macht in der Folge "Licht und Schatten" aus: Der Schatten, das ist in ihren Augen der Verlust von "Kompetenzen, die ich für eine Stadt wichtig fand wie zum Beispiel die Sozialplanung und die Verantwortung für die Integration von Geflüchteten". Das Licht: es werde jetzt stärker in Regionen gedacht und gearbeitet. "Ich bin überzeugt: das müssen wir, um am Ende überlebensfähig zu sein."

Eisenachs "Elbphilharmonie" O1

"Eigentlich könnte man jetzt ernten", sagt Wolf, räumt aber gleich darauf ein, dass es für ihren Nachfolger noch reichlich Baustellen gibt. Nach wie vor besteht ein großer Investitionsstau bei städtischen Straßen und Brücken. Und dann ist da noch das Großprojekt "O1", die Multifunktions-Sportarena in einem denkmalgeschützten Gebäude des einstigen Automobilwerks. "Unsere Elbphilharmonie", sagt die Oberbürgermeisterin. Ein Großprojekt brauche seine Zeit, aber dieses habe zu lange gedauert. Einer der Punkte, wo sie habe mehr erreichen wollen.

Westseite = Vorderseite
Entwurf der künftigen Wartburg-Arena in Eisenach. Bildrechte: MDR/Stadt Eisenach

Ebenso bei der Wirtschaftsförderung, auch die hätte sie gern besser übergeben. Dass die nicht so gut aufgestellt ist, empfinde sie als Niederlage. Der Stadtrat habe ihre Vorstellungen nicht mitgetragen. Die Zusammenarbeit mit dem Parlament war insgesamt schwierig.

Wolf musste erleben, dass selbst die Fraktion der Linken nicht immer ihre Vorhaben unterstützte. Mehrheiten mussten immer wieder neu gefunden werden. Das Misstrauen im Stadtrat gegenüber der Verwaltung ist bis heute groß, und das, obwohl CDU und SPD jeweils einen der Beigeordneten stellen.

Ostdeutsche Perspektive im Städtetag

Aus der Stadt heraus hat Katja Wolf auch überregional Politik gemacht. So wurde sie in den Vorstand des Deutschen Städtetags gewählt. Ein wichtiges Gremium, sagt sie, weil es die Interessen aller Städte vertritt - und die alle mit den gleichen Problemen befasst seien. Ihr sei es darum gegangen, "die ostdeutsche Perspektive einzubringen - und die einer Stadt, die finanziell zu kämpfen hat. Die Welt besteht eben nicht nur aus Münster, Heidelberg und Bonn!"

Eisenach Rathaus Marktplatz
Noch ist das Rathaus in Eisenach der Arbeitsplatz von Oberbürgermeisterin Katja Wolf. Bildrechte: Tino Sieland

Das Amt hat seinen Preis, und der ist relativ hoch, stellt Katja Wolf fest. Lange Arbeitszeiten, durchgetaktete Tage. "Man wird schnell älter und verpasst viel vom Familienleben. Zeit zum Luftholen gibt es nicht mehr." Doch das Amt gibt auch viel, sogar das Wort "Traumjob" fällt: Keine Routine, immer neue Herausforderungen.

Die Verwaltung erlebt die Oberbürgermeisterin als großes Team. "Die eigene Wirksamkeit, die man empfindet, die ist ein Privileg - wer hat das schon in dieser Weise". Dazu Begegnungen mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen - von 100-Jährigen, die sie zum Geburtstag besucht - bis zu Präsidenten und Königen. Man müsse als Kommunalpolitiker den Umgang mit Menschen lieben, sagt Wolf, und komme ihnen viel näher als Politiker in Land und Bund.

Eisenach weiter verbunden

So verspürt sie jetzt durchaus "Trennungsschmerz", wie sie sagt. "Am Ende war es die Entscheidung für einen politischen Weg und nicht gegen ein Amt." Der Stadt Eisenach werde sie weiter verbunden bleiben - von Erfurt aus, hofft Wolf.

Die Politikerin Sahra Wagenknecht (BSW / Buendnis Sahra Wagenknecht), rechts, und Eisenachs Oberbuergermeisterin Katja Wolf (Die Linke), links, posieren am Abend im Weimarer Hotel Dorint fuer ein Foto. Wolf tritt zur Kommunalwahl am 26. Mai 2024 nicht wieder an. Das kuendigte die 47-Jaehrige am Freitag an. Stattdessen will sie fuer das Buendnis Sahra Wagenknecht fuer den Thueringer Landtag kandidieren.
Katja Wolf wird ihre politische Arbeit im "Bündnis Sahra Wagenknecht" fortsetzen. Bildrechte: IMAGO/Funke Foto Services

Es sei ein großes Wagnis, für eine Partei zu kandidieren, die noch im Aufbau ist. Sie hat sich dafür entschieden, weil sie darin die Chance sieht, einen Ministerpräsidenten der AfD zu verhindern und Thüringen regierbar zu halten. Auch wenn das für sie persönlich bedeuten würde, in einer Landesregierung Verantwortung zu übernehmen? "Ja, das traue ich mir zu."

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MDR (lea)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 10. Mai 2024 | 18:40 Uhr

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