Mehrere Personen sitzen die Hand hebend im Landtag
Björn Höcke und seine AfD-Fraktion haben im neuen Thüringer Landtag über ein Drittel aller Stimmen und damit eine Sperrminorität. Das kann auch Folgen für den Thüringer Verfassungsschutz haben. Bildrechte: Sascha Fromm / Thueringer Allgemeine

Landtag Wie die AfD-Sperrminorität den Thüringer Verfassungsschutz infrage stellt

24. September 2024, 13:30 Uhr

Die AfD-Sperrminorität wird weitreichende Folgen für die Parlamentsarbeit im Thüringer Landtag haben. Die rechtsextreme Partei kann damit Ämter, Gremien und Institutionen infrage stellen oder blockieren. Die übrigen Parteien werden sich dazu positionieren müssen. Verhindern lässt sich eine Einflussnahme der AfD häufig nur noch durch Gesetzesänderungen, wie das Beispiel des Thüringer Verfassungsschutzes zeigt.

"Viele Menschen sagen, der Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Die überlegen sich aber nicht, dass die Aufgaben des Verfassungsschutzes dann immer noch da wären", gibt Dorothea Marx zu bedenken. "Diese Aufgaben müssten dann von der Polizei erledigt werden und würden dann nicht mehr parlamentarisch kontrolliert."

Dass der Thüringer Verfassungsschutz ausgerechnet in der 66-jährigen SPD-Politikerin Dorothea Marx eine Fürsprecherin hat, ist durchaus bemerkenswert. Schließlich war es Marx, die 2012 den Vorsitz des NSU-Untersuchungsausschusses in Thüringen übernahm und einen Abschlussbericht vorlegte, der auf 1.898 Seiten das tiefgreifende Versagen eben jener Behörde dokumentierte.

Seit vielen Jahren ist Marx außerdem Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (ParlKK). Also jenem Gremium des Thüringer Landtags, das dem Geheimdienst auf die Finger schaut. Denn auch das wüssten viele nicht: "Geheim bedeutet in einem Rechtsstaat nie kontrollfrei." Mehrmals im Jahr muss der Verfassungsschutz der Kommission offenlegen, welche nachrichtendienstliche Mittel er gegen wen einsetzt und warum.

Eine Frau mittleren Alters mit Schal und Brille sitzt in einem Büro. 18 min
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Dorothea Marx ist SPD-Mitglied und Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission in Thüringen. Im Interview spricht sie über die Artbeit der ParlKK und ihre Bedeutung für den Verfassungschutz.

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Aufgrund ihrer langjährigen Expertise und ihrer exklusiven Einblicke in die Arbeit des Thüringer Geheimdienstes gibt es nur wenige Menschen in Thüringen, die besser über den Verfassungsschutz informiert und über die Aufgaben und Abläufe in der ParlKK besser Bescheid wissen als Dorothea Marx. Trotzdem weiß auch sie nicht so recht, wie es in Zukunft weitergehen wird.

Die Sperrminorität der AfD

Denn seit der Landtagswahl ist die Zukunft der Parlamentarischen Kontrollkommission und damit die des Thüringer Verfassungsschutzes ungewisser denn je. Mit 32,8 Prozent aller Stimmen hat die rechtsextreme AfD Thüringen eine Sperrminorität im Landtag errungen. Damit könnte sie die Wahl einer neuen ParlKK verhindern.

Das ist für den Verfassungsschutz zwar kein unmittelbares Problem, weil die aktuelle Kommission, die im August 2024 eingesetzt wurde, übergangsweise ihre Arbeit fortsetzen kann, langfristig wird es aber die Arbeit des Geheimdienstes infrage stellen. Denn in Artikel 97 der Thüringer Verfassung sind das Gremium und die Behörde fest miteinander verzahnt:

Zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung ist eine Landesbehörde einzurichten. Polizeiliche Befugnisse und Weisungen stehen dieser Behörde nicht zu. Ihre Tätigkeit wird durch eine parlamentarische Kontrollkommission überwacht.

Artikel 97 der Thüringer Verfassung

Auch wenn Artikel 97 es so deutlich nicht sagt, nach Ansicht der Landtagsverwaltung bildet die parlamentarische Kontrollkommission damit die Legitimationsgrundlage für den Thüringer Verfassungsschutz. Überhaupt sind diese Kommissionen insbesondere in Ostdeutschland von großer Bedeutung, wo das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu Zeiten der DDR einen nahezu unkontrollierten Polizei- und Überwachsungsapparat bildete, der die Bevölkerung ausspähte, abhörte und Andersdenkende einschüchterte, um jeden Oppositionsgeist zu zersetzen.

Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz
Das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz in Erfurt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Martin Schutt

Anders als der MfS hat der heutige Verfassungsschutz keine polizeilichen Befugnisse. So kann er zum Beispiel keine Festnahmen oder Durchschuchungen durchführen. Stattdessen sammelt er Informationen und gibt Relevantes an andere Stellen der Exekutive (Polizei, Landesregierung) weiter. Seine Arbeit wird durch Gerichte (Judikative) immer wieder überprüft und weil das Parlament in Form der ParlKK seine Arbeit überwacht, ist auch die Legislative eingebunden. Dahinter steckt das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung.

Gepflegte Feindschaft

Die AfD spricht beim Verfassungsschutz stattdessen von der "Stasi 2.0". Spätestens seit 2018, als der Geheimdienst den Thüringer Landesverband zum "rechtsextremen Prüffall" erklärte, verbreitet die AfD diese Verschwörungserzählung. Damit beförderte sie zugleich, dass der Verfassungsschutz noch genauer hinschaute, denn das Verächtlichmachen von staatlichen Institutionen ist ein Wesenskern des politischen Extremismus. 2020 stufte der Verfassungsschutz die Partei als "extremistischen Verdachtsfall" ein. 2021 gelangte er zu der Erkenntnis: Die AfD Thüringen sei eine "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung".

Zahlreiche Wortbeiträge von Fraktionschef Björn Höcke und seinen Parteifreunden haben in den vergangenen sechs Jahren die Feindschaft der Partei zum Verfassungsschutz kultiviert. Dieser sei "politisch instrumentalisiert", würde "Gesinnungsschnüffelei" betreiben, gehöre abgeschafft oder wenigstens umgestaltet. Zugleich strengte die Partei mehrere Klagen gegen den Thüringer Verfassungsschutz an. Nicht immer verlor die AfD diese Prozesse, aber das Ziel, dass eines der Gerichte die Einstufung der Partei als gesichert rechtsextrem einkassierte, erreichte sie nicht.

Ein Spiel auf Zeit

Mit der Landtagswahl am 1. September 2024 hat sich das Blatt für die AfD Thüringen womöglich gewendet. Denn mit ihrer Sperrminorität hat sie eine neue Möglichkeit erhalten, dem Verfassungsschutz nicht juristisch, aber parlamentarisch zu Leibe zu rücken. Im Landtag kann sie die Wahl einer neuen Parlamentarischen Kontrollkommission blockieren und damit indirekt den Verfassungsschutz treffen. Der würde ohne die Kommission "ziemlich in der Luft hängen", sagt Dorothea Marx.

Björn Höcke, AfD-Landeschef, steht im Saal des Hotel Pfiffelburg während der Landeswahlversammlung der AfD auf der Bühne.
Auf dem AfD-Parteitag am 17. November in Pfiffelbach erklärte Höcke, er wolle den Verfassungschutz "demokratisieren" und ihm sämtliche Kompetenzen zur Überwachung extremistischer Bestrebungen nehmen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Denn die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes ist nicht nur durch die Thüringer Verfassung, sondern auch durch das Grundgesetz vorgeschrieben. Außerdem zieht sie sich wie ein roter Faden durch das Thüringer Verfassungsschutzgesetz: In den 40 Paragrafen taucht die Kontrollkommission 71-mal auf. Das wirft fast zwangsläufig die Frage auf: Wäre der Verfassungsschutz ohne parlamentarische Kontrolle überhaupt noch arbeitsfähig?

Eine Frage, die Dorothea Marx Sorgenfalten auf die Stirn treibt: "So einen Fall hat es noch nicht gegeben. Die Frage, gibt es da so eine Art Notfallmanagement, kann ich nicht beantworten. Damit würden sich dann Juristen befassen müssen."

Auf Anfrage von MDR THÜRINGEN wollten sich die Juristen der Landtagsverwaltung nicht dazu äußern. Man werde "derzeit keine Überlegungen zu rein hypothetischen Ereignissen" anstellen, hieß es in der Antwort der Landtagsverwaltung. Sie verwies darauf, dass die Kontrollkommission der 7. Wahlperiode - also von 2019 bis 2024 - im August 2024 konstituiert wurde. Das würde "eine wirksame und lückenlose Kontrolle des Verfassungsschutzes" bis zum Ende der 8. Wahlperiode gewährleisten.

Das ist richtig. Es ist aber auch ein Spiel auf Zeit. Denn das Thüringer Verfassungsschutzgesetz legt fest, dass die alte ParlKK übergangsweise weiterarbeitet, aber nur solange bis der neue Landtag eine neue Kommission eingesetzt hat oder die folgende Wahlperiode endet. Das heißt: Wenn die AfD Thüringen die Wahl einer neuen Kontrollkommission fortwährend blockiert, würde der Verfassungsschutz mit Beginn der 9. Wahlperiode in spätestens fünf Jahren ohne die vorgeschriebene parlamentarische Kontrolle dastehen. Neuwahlen könnten die Länge der aktuellen 8. Wahlperiode rapide verkürzen.

Wie die Kontrollkommission den Verfassungsschutz überwacht

Um eine Idee davon zu bekommen, wie es mit dem Thüringer Verfassungsschutz ohne eine ParlKK weitergehen würde, muss man zunächst verstehen, wie die Behörde und das Gremium zusammenarbeiten. Im Thüringer Verfassungsschutzgesetz sind dazu eine Reihe von Berichtspflichten festgelegt. Das heißt: Mehrmals im Jahr berichtet der Verfassungsschutz der ParlKK, welche nachrichtendienstlichen Mittel wie und gegen wen eingesetzt werden.

Dorothea Marx SPD
Seit August 2024 ist Dorothea Marx die Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission in Thüringen. Bildrechte: imago images/Karina Hessland

"Wir erfahren da sehr genau, was die gerade so treiben beim Verfassungsschutz", sagt Marx. Weil die Mitglieder der ParlKK selbst zur Geheimhaltung verpflichtet sind, gebe es auch keine Frage, die die Behörde vor den Mitgliedern unbeantwortet lassen könne. Die Kontrollkommission achte ihrerseits darauf, dass bei allen nachrichtendienstlichen Mittel die Prinzipien der Rechtstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Wir könnten jetzt also zum Verfassungsschutz gehen und sagen: Zeigt uns mal, was ihr in diesem oder jenem Fall getan habt.

Dorothea Marx Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission

In ihrer Arbeit ist die ParlKK mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet, die nach der NSU-Affäre noch einmal deutlich verschärft wurden. "Seitdem haben wir ein Zutrittsrecht", erklärt Marx. "Wir könnten jetzt also zum Verfassungsschutz gehen und sagen: Zeigt uns mal, was ihr in diesem oder jenem Fall getan habt." Darüber hinaus kann die Kommission unter anderem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zur Befragung einbestellen, Akteneinsicht verlangen oder Sachverständige einsetzen.

Das Ergebnis ihrer Arbeit legt die Kommission alle zwei Jahre dem Landtag dar. Zuletzt war das im Juni 2024 der Fall. Der 56-seitige Bericht stellte dem Verfassungsschutz ein gutes Zeugnis aus: "Das Amt für Verfassungsschutz war stets auskunftswillig und hat Nachfragen der Kommissionsmitglieder beantwortet." Die Kommission äußerte keine Mängel an der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes.

Wohl noch handlungsfähig, aber…

Weil sich die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes größtenteils auf Berichtspflichten beschränkt, ist es denkbar, dass der Verfassungsschutz auch ohne ParlKK weiterarbeiten könnte. Zu dieser Einschätzung gelangt der Verfassungsrechtler Jannik Jaschinski. Aber auch er gibt zu bedenken: "Das ist ein Zustand, der bisher noch unbekannt ist". Es gibt also auch keine vergleichbare Rechtsprechung, die als Vorbild taugen könnte.

Jaschinski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Verfassungsblog und Teil des "Thüringen Projekts", dass sich bereits vor der Landtagswahl damit beschäftigte, wie die Demokratie vor Einflüssen von autoritär-populistischen Parteien zu schützen sei. Im Interview wagt er eine vorsichtige Prognose: "Ich würde davon ausgehen, dass die Rechtsprechung einzelne Maßnahmen [des Verfassungsschutzes] grundsätzlich erstmal als nicht als rechtswidrig ansehen muss." Zwar würde der Verfassungsschutz ohne ParlKK gegen seine Berichtspflichten verstoßen, für die einzelne Überwachungsmaßnahme bedeute das aber keine Einschränkungen der Rechtmäßigkeit.

Portraitfoto von einem junger Mann mit Bart und zurückgebundenen Haaren. Er trägt ein schwarzes Hemd. 16 min
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Eine konsequente Blockade der AfD bei der Wahl einer neuen ParlKK muss also nicht dazu führen, dass der Verfassungsschutz handlungsunfähig würde, aber es würde in einen "unguten Zustand" führen, sagt Jaschinski. Die Rechtsprechung müsste überprüfen, ob für Betroffene ein Mangel an Rechtsschutzmöglichkeiten bestünde. Das sei bei vielen Maßnahmen, die der Verfassungsschutz ergreift, aber auch im Nachhinein möglich, sagt Jaschinski. Es blieben aber rechtliche Vorbehalte.

Der verfassungswidrige Zustand

Prekär wäre die Situation vor allem deswegen, weil ein Verfassungsschutz ohne ParlKK sowohl Art. 13 Abs. 6 des Grundgesetzes als auch Artikel 97 der Landesverfassung verletzen würde. "Wir hätten einen verfassungswidrigen Zustand", sagt Jannik Jaschinski. Dieser müsste dann gelöst werden. Für den Verfassungsrechtler zeige sich hier auch, warum eine Sperrminorität der AfD Fraktion "eine große Macht verleiht". Sie besteht darin, dass die AfD das Parlament mit ihrer Sperrminorität vor ein Dilemma stellen kann.

Denn die AfD kann mit der Blockade drohen und den anderen Parteien gleichzeitig ein Angebot machen: Ihr wählt einen von uns in die Kommission und wir machen den Weg frei für welche von euch. Ein solcher Tauschhandel ist für die anderen Parteien aber de facto unannehmbar, denn "andere Verfassungsschutz-Verbände haben bereits angedroht, die Zusammenarbeit mit dem Thüringer Verfassungsschutz einzustellen, wenn die AfD in hier Zugriff auf die Verfassungsschutzarbeit und Akten bekäme", sagt Dorothea Marx.

Und hierin besteht das Dilemma: Eine Isolation des Thüringer Verfassungsschutzes würde gegen Paragraf 5 des Bundesverfassungschutzgesetz verstoßen, das die Zusammenarbeit der Landesämter mit dem Bundamt regelt. Ein Verfassungsschutz ohne parlamentarische Kontrolle wäre hingegen verfassungswidrig. Jaschinski erklärt: "Man kommt in einen Konflikt zwischen einer eigentlich freien Wahl, die ja den Landtagsabgeordneten obliegen soll, einerseits. Andererseits gibt es aber die [verfassungsgemäße] Pflicht, dass diese Kommission bestehen muss."

Auch die Auswege sind problematisch

Juristisch lässt sich dieses Dilemma auf zwei Wegen lösen. "Wenn es Thüringen nicht hinbekommt, dass diese Kommission besteht, weil die politischen Verhältnisse so verzwickt sind, dann ist theoretisch der Bund gefordert, die Pflichten aus dem Grundgesetz, die das Land einhalten muss, einzufordern", sagt Jaschinski. Das wäre mittels Artikel 37 des Grundgesetzes, dem sogenannten Bundeszwang, möglich. Es wäre aber auch in 75 Jahren Bundesrepublik Deutschland ein einmaliger Vorgang. "Ob das politisch realistisch aber ist, ist eine andere Frage."

Eine Mitarbeiterin des Parlamentsarchivs des Deutschen Bundestages zeigt die Unterschrift des damaligen Präsidenten des Parlamentarischen Rates und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer (M. r) und seiner Stellvertreter auf einer Seite im Originalbuch des Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, während einer Pressepräsentation im Vorfeld des 75-jährigen Bestehens der Verfassung.
Im Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Manche Artikel sind seit damals noch nie zur Anwendung gekommen - so wie der Bundeszwang in Artikel 37. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Eine zweite Möglichkeit, diesen Konflikt zu beheben, würde über den Landtag führen. "Wir sind gesetzlich jetzt schon in einer sehr, sehr schwierigen Lage", sagt Jaschinski. Es wäre aber möglich das Thüringer Verfassungsschutzgesetz mit einer einfachen Mehrheit zu ändern und beispielsweise festzulegen, dass die Mitglieder der ParlKK nicht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden müssen. Denkbar wäre auch, dass der Landtag beschließt, die Übergangsfrist zu streichen, sodass eine einmal gewählte ParlKK unbegrenzt weiterarbeiten muss, solange keine neu gewählt wurde.

Solche Gesetzesänderungen, die vor allem darauf abzielen, die AfD herauszuhalten, sind politisch jedoch heikel. Zum einen lösen sie das parlamentarische Problem nicht, dass eine rechtsextreme und antidemokratische Partei eine Sperrminorität im Parlament hat, zum anderen wirken sie wie eine Kapitulation der demokratischen Kräfte. Ganz nach dem Motto: Wenn wir politisch gegen die AfD nicht ankommen, dann hegen wir sie juristisch so ein, dass sie erstmal keinen Schaden anrichtet.

Der Hase und der Igel

CDU, BSW, Linke und SPD werden trotzdem auf solche Gesetzesänderungen im neuen Landtag angewiesen sein, wenn sie die Einflussmöglichkeiten der AfD begrenzen wollen. Häufig wird das an das Märchen vom Hasen und Igel erinnern, denn die anderen Parteien werden den Möglichkeiten, den die aktuelle Rechtslage der AfD bietet, stets hinterherarbeiten.   

Die kürzlich vom BSW und der CDU beantragte Änderung der Geschäftsordnung (GOLT) kurz vor der Landtagspräsidentenwahl ist dafür ein erstes Beispiel. Um der AfD und ihrem Alterspräsidenten keine unkonventionelle Auslegung der GOLT bei der Präsidentenwahl zu ermöglichen, die zu einer Blockade ähnlichen Situation führen könnte, wollen die übrigen Parteien die Geschäftsordnung im letzten Moment ändern. Weitere Möglichkeiten ergeben sich für die AfD fast zwangsläufig beim Richterwahlausschuss, der Wahl der Richter für den Thüringer Verfassungsgerichtshof und der Ministerpräsidentenwahl.

Und auch was den Thüringer Verfassungsschutz betrifft, ist es mit einer Gesetzesänderung längst nicht getan. Denn neben der parlamentarischen Kontrollkommission gibt es auch die sogenannte G-10-Kommission, die Jaschinski sogar für noch wichtiger hält. "Diese Kommission muss einzelnen Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes im Vorhinein zustimmen." Auch hier müssen sich die Parteien überlegen, wie sie die AfD hier raushalten wollen.

Denn: "Die Zusammensetzung der Kommission ist im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen", heißt es im Thüringer G-10-Ausführungsgesetz. "Das heißt, auch die AfD muss bei der Wahl der Kommissionsmitglieder berücksichtigt werden", sagt Jaschinski. Und bei der G-10-Kommission ist die Übergangsfrist auf nur drei Monate begrenzt. Dann muss eine neue Kommission her.

Mehr zur politischen Situation in Thüringen

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 26. September 2024 | 16:00 Uhr

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