Der Wandel nach dem Rücktritt Sachsen ohne Tillich: Was hat sich verändert?
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18. Oktober 2018, 21:24 Uhr
Er wollte die politische Verantwortung nicht mehr haben und trat ab. Stanislaw Tillich hat vor einem Jahr angekündigt nicht mehr Ministerpräsident von Sachsen sein zu wollen und schlug einen Nachfolger vor: Michael Kretschmer. Seitdem hat sich einiges geändert in der politischen Kultur.
Als Stanislaw Tillich in die Wappengalerie der sächsischen Staatskanzlei tritt, am 18. Oktober 2017, da war für diesen einen Moment noch nicht klar, wen er als seinen Nachfolger vorschlagen würde.
Ich bin davon überzeugt, für eine gute Zukunft Sachsens sind auch neue Antworten wichtig, es braucht den Mut, gewohnte Bahnen zu verlassen.
Erst als Tillich sagt, er würde gerne die Verantwortung für das Ministerpräsidentenamt und für die Führung der CDU in jüngere Hände übergeben, ist klar, nicht Thomas de Maizière, der damals noch Bundesinnenminister ist, würde es werden, sondern Tillichs CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer.
Schnell mit dem Finger
Kretschmer ist vom Naturell ein anderer Typ. Bedächtigkeit ist nicht seine Sache. Er sucht sein Heil in der Kommunikation mit den Bürgern. Ob nun als Parteivorsitzender oder als Ministerpräsident, ob in der Bürgerrunde oder via Twitter.
Michael Kretschmer sucht mehr den Kontakt. Er sucht auch mehr die Diskussion, den Streit. Er stellt sich deutlich mehr in die Diskussion. Stanislaw Tillich ist ein Mann der leiseren Töne, des pragmatischen Ansatzes. Ich glaube, wir brauchen sie (Anmerkung d. Red., die Diskussion) zur Zeit.
Kretschmers schnelles Reagieren hat Folgen bis nach Berlin. Er twittert, dass manchem schwindlig wird. In der Hutbürger-Affäre um einen LKA-Mitarbeiter und sächsische Polizeibeamte schreibt Kretschmer, die einzigen, die sich seriös verhalten haben seien die Polizisten. Nach Ausschreitungen von Rechtsextremisten in Chemnitz Ende August, sah Kretschmer in seiner Regierungserklärung keinen Anlass, von Hetzjagden zu sprechen. Diese Einschätzung führte mehr oder weniger zur Regierungskrise in Berlin um den damaligen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen. Das wäre Tillich so wohl nie passiert. Christian Hartmann verteidigt seinen Parteivorsitzenden, das Internet verlange nach Schnelligkeit. Er fügt aber auch hinzu:
Ich glaube, keiner von uns ist perfekt […]. Etwas mehr warten, etwas mehr zu überlegen, ist richtig.
Trotz Krisentwittern, die SPD ist treu
So schockiert der Koalitionspartner SPD über Kretschmers flinke Twitter-Finger ist, so sehr schätzt man den Ministerpräsidenten für seine Art politische Lösungen anzugehen.
Ich bin natürlich froh, dass ich mit Michael Kretschmer Dinge lösen konnte, die vorher mit der alten Regierung nicht lösbar waren. Uns ist dieses Kaputtsparen wirklich auf die Füße gefallen, mit zu wenig Lehrerinnen und Lehrern, zu wenig Polizisten und einem ausgedünnten überalterten öffentlichen Dienst. Und von daher war es notwendig, dass wir jetzt die Hebel rumlegen und deshalb bin ich auch froh, dass wir das mit Michael Kretschmer gemeinsam tun konnten.
Als hätte es mit Stanislaw Tillich nicht auch Kompromisse gegeben. Die Lehrerverbeamtung war ja mehr eine Sache die in der CDU-Fraktion auf Widerstand gestoßen ist und kein Wunschkind der SPD.
Linke sieht Symbolpolitik
Was sich geändert hat, ist Kretschmers sehr deutliches öffentliches Verhalten zum Rechtsradikalismus und zur AfD. Da wirkte Stanislaw Tillich stets zögerlich, ganz besonders im Umgang mit Pegida. Das hat sich geändert. Kretschmer geht zur 1.Mai-Demonstration oder zu einem Friedensfest in Ostritz, um gegen Neonazis und Rechtsextreme zu demonstrieren. Da kann selbst die Partei die Linke Veränderung erkennen. Kretschmer hat angekündigt am Sonntag an einer Demonstration von "Herz statt Hetze" teilzunehmen. Gegen das Jubiläum bei Pegida.
Zum Beispiel, dass Michael Kretschmer, jetzt am Sonntag bei Herz statt Hetze an der Demonstration teilnehmen wird und damit anerkennt, dass es ein Problem mit Nazis in Sachsen gibt, das ist neu. Allerdings muss Symbolpolitik sich in konkreten politischen Projekten in Regierungshandeln niederschlagen, das wird sich mit der Haushaltsdebatte, die jetzt im Herbst/Winter stattfindet, zeigen.
Allerdings sei hier noch angemerkt, dass sich auch Stanislaw Tillich als Ministerpräsident in öffentlichen Reden klar gegen Rechtsextremismus positioniert hat. Schon weil er als Sorbe stets rechtsextremen und rassistischen Anfeindungen ausgesetzt war.
Quelle: MDR/ag
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 18.10.2018 | 07:20 Uhr