Oberlandesgericht Dresden Rechtsextremer aus Eisenach sagt im Verfahren gegen Lina E. aus

16. März 2022, 16:00 Uhr

In Dresden ist am Mittwoch weiter gegen vier mutmaßliche Linksextreme verhandelt worden. Mehr als ein halbes Jahr läuft das Verfahren nun schon. Mit Spannung wurde die Aussage eines Eisenacher Rechtsextremisten vor dem Oberlandesgericht Dresden erwartet.

Im Verfahren des Oberlandesgerichtes Dresden um Angriffe mutmaßlicher Linksextremer auf politische Gegner hat am Mittwoch erneut ein Rechtsextremist aus Eisenach ausgesagt. Wie das Gericht mitteilte, betreibt der 28-Jährige in der thüringischen Stadt das Szenelokal "Bull's Eye", das 2019 zwei Mal angegriffen wurde. Damals sollen bis zu 15 Personen die Kneipe überfallen und Gäste verletzt haben.

Der Zeuge behauptete beim ersten Angriff in der Nacht zum 19. Oktober 2019 mit einem Teleskopschlagstock attackiert worden zu sein. Dabei habe er sich mit einem Bierglas gewehrt. Eine Frau habe dann Pfefferspray versprüht und die anderen Angreifer dazu aufgerufen, sich zurückzuziehen, sagte der Zeuge weiter.

Verhandlung seit September 2021

Seit September 2021 wird am Oberlandesgericht Dresden gegen vier mutmaßliche Linksextremisten verhandelt. Ermittler werfen ihnen unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, die sich zum Ziel gesetzt haben solle, körperliche Angriffe auf Rechtsextreme und politische Gegner zu verüben. Die bekannteste von ihnen ist die 27-jährige Studentin Lina E. Die Tatsache, dass es sich bei der Hauptangeklagten um eine Frau handelt, stieß in der Vergangenheit immer wieder auf breites mediales Interesse im Dresdner Staatsschutzsenat.

Schwindendes Interesse der Öffentlichkeit

In den vergangenen Monaten ist dieses aber merklich zurückgegangen. Mehr als 35 Mal wurde bisher verhandelt. Großen Andrang gibt es im Prozess mittlerweile nur noch zu ausgewählten Anlässen. Zuletzt war das Ende Januar so. Damals war der Rechtsextremist Leon R. vorgeladen. Er ist eine zentrale Figur der militanten Neonazi-Szene in Westthüringen. Gemeinsam mit anderen Personen gründete er zunächst die Gruppe "Nationaler Aufbau Eisenach" und später die rechtsextreme Kampfsportgruppe "Knockout 51", wie Zeugen dem Gericht in Dresden erklärt haben. 

Ursprünglich sollte er zu zwei Taten aussagen, die sich Ende 2019 in Eisenach ereignet hatten. Einmal ging es um den Überfall auf seine Gaststätte "Bull’s Eye" im Oktober. Ein paar Wochen später im Dezember 2019 wurden R. und seine Begleiter noch einmal vor dessen Wohnhaus angegriffen. Bei der anschließenden Fahndung wurde Lina E. aufgriffen. Die Festnahme brachte die Ermittlungen gegen die derzeit Angeklagten erst ins Rollen.  

Die Rolle Eisenachs

Dass Eisenach in diesem Gerichtsverfahren solch eine hervorgehobene Rolle spielt, ist nur auf den ersten Blick überraschend. Axel Salheiser ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena. 2020 hat er den Forschungsbericht "Rechtsextremismus in Eisenach. Kritische Bestandsaufnahme und Analyse" erstellt, welcher von der Verteidigung auch schon als Beweismittel in das Verfahren eingeführt wurde.

Dem MDR beschreibt er die Situation in der Stadt folgendermaßen: "Eisenach ist ein sehr eindringliches und auch problematisches Beispiel dafür, wie in lokalen Kontexten in einer Stadtgesellschaft rechtsextreme Strukturen, aber auch Bewegungsaktivitäten, das Handeln von rechtsextremen Akteur:innen wirkt."

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Demnach bringe es große personelle Kontinuitäten, die sich auch immer wieder in gewaltförmigem Handeln Bahn brächen, erläutert er weiter. Betroffen seien dabei "vermeintlich politische Gegner:innen, demokratisch positionierte Menschen, aber auch rassistisch abgewertete Menschen in der Eisenacher Stadtgesellschaft".

Der Rechtsextremismus habe in der Kleinstadt über mehrere Jahrzehnte eine Raumergreifungsstrategie verfolgt. Das sei einerseits daran zu spüren, dass rechtsextreme Akteure dort weitgehend ungestört agieren und sich vernetzen konnten. Ebenso würden sie mehrere Immobilien betreiben. "Dazu gehört auch die Gaststätte Bull's Eye, die ein Anlaufpunkt der rechtsextremen Szene ist", erklärt Salheiser.

Interesse an einer Aussage

Als Wirt dieser Kneipe sollte Leon R. also ein erhebliches Interesse an einer Aussage vor Gericht haben. Doch der rechtsextreme Aktivist, der im Verfahren auch als Nebenkläger auftritt, erschien im Januar nicht zum vorgesehenen Termin. Zur Überraschung etlicher Beteiligter ließ er sich durch seinen Anwalt entschuldigen. Demnach soll er sich wenige Tage zuvor bei einem Umzug verletzt und dabei einen Bandscheibenvorfall zugezogen haben. Seine Reiseunfähigkeit sei laut dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats auch durch ein ärztliches Attest bescheinigt worden.

Umso mehr sorgen nun Aufnahmen des Rechercheportals "Exif" für Aufsehen, die R. am Wochenende nach seinem geplatzten Vernehmungstermin zeigen sollen. Darauf posiert er mit angespanntem Bizeps und gemeinsam mit anderen Personen vor einer Hakenkreuzfahne. Entstanden sein soll das Bild im Fliedervolkshaus. Das Haus ist Sitz der NPD-Zentrale in Eisenach. Der MDR kann derzeit die Echtheit der Aufnahmen nicht unabhängig überprüfen.

Fernbleiben vor Gericht

Doch Leon R. ist nicht der Einzige, der bereits geladen war, aber noch nicht vor Gericht ausgesagt hat. Zwei weitere Zeugen des Überfalls auf das "Bull’s Eye" blieben bisher unentschuldigt fern. Gegen beide verhängte das Gericht Ordnungsgelder, die zu Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden können. Vergangenen Donnerstag wurde außerdem bekannt, dass R. einem weiteren Zeugen Anleitungen gegeben hatte, wie dieser seine Aussage vor Gericht vermeiden könne.

"Pass auf, da musst du dich zwei Tage vor der Verhandlung krankmelden", sagte R. dem Zeugen in einer Whatsapp-Sprachnachricht, die das Gericht der Öffentlichkeit vorspielte. Das müsse der geladene Zeuge noch ein zweites Mal machen. Würden genug andere Zeugen aussagen, könne es sein, dass das Gericht auf Aussagen des Mannes nicht mehr zurückgreifen werde, erklärte Leon R. darin weiter. Die Parallelen zwischen der Anleitung und R.s eigener Abwesenheit vor Gericht sind offensichtlich.

Umso spannender werden nun am Mittwoch seine Aussagen vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts in Dresden erwartet.

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