Blick auf einen Teil des modernen Gebäudes des Sächsischen Landtags in Dresden mit dem Schriftzug "Sächsischer Landtag" 3 min
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Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen

MDR AKTUELL Fr 04.10.2024 06:18Uhr 02:58 min

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Landtagswahl Ist die Grundmandatsklausel in Sachsen verfassungswidrig?

04. Oktober 2024, 06:33 Uhr

Die Linke ist im neuen sächsischen Landtag mit sechs Sitzen vertreten. Das hat sie der sogenannten Grundmandatsklausel zu verdanken, die das sächsische Wahlrecht vorsieht. Erringt eine Partei mindestens zwei Direktmandate, zieht sie auch dann ins Parlament ein, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen auf sich vereinen konnte. Der ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Klaus Rennert, hat daran nun allerdings Bedenken geäußert.

Raja Kraus, Autorin, Reporterin
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  • Klaus Rennert zufolge hätten es Parteien schwerer, ein Direktmandat zu gewinnen, wenn sich deren Wähler – anders als bei der Linken – gleichmäßiger auf Stadt und Land verteilen.
  • Auf Bundesebene hat das Bundesverfassungsgericht erst diesen Sommer die zwischenzeitliche Abschaffung der Grundmandatsklausel wieder gekippt.
  • In Sachsen wiederum könnte die Klausel laut Politikwissenschaftler Joachim Behnke problemlos abgeschafft werden.

Die sächsische Grundmandatsklausel widerspreche dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl und sei deshalb verfassungswidrig – so argumentiert der Verwaltungsrechter Klaus Rennert in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Stefan Hartmann, Landesvorsitzender der Linken in Sachsen, hält das für Unfug: "Na ja, ich sag's mal so: Wenn ihm die Verfassung so wichtig ist, dem Kollegen Richter, der da seine Kritik geäußert hat, dann hätte er durchaus auch vor den Wahlen darauf kommen können, wenn das für ihn von Interesse ist. Ansonsten ist das fast ein bisschen virtuelles Clickbaiting." Seit Jahrzehnten gelte die Grundmandatsklausel in Sachsen, sei bisher nie ein Problem gewesen.

Rennert: Linke wird vor allem in Großstädten gewählt

Die Linke ist nach den Wahlen nur dank ihr in den Landtag eingezogen. Ihre Direktmandate hat sie in Leipzig gewonnen. Und genau hier sieht der ehemalige Richter Klaus Rennert die erste Ungleichbehandlung: Die Linke sei nur in Großstädten sehr beliebt. Andere Parteien, deren Klientel sich gleichmäßiger auf Stadt und Land verteilt, hätten es deutlich schwerer, ein Direktmandat zu gewinnen.

Der Linke Stefan Hartmann argumentiert andersherum: "Wenn eine Partei die Bedeutung erreicht hat, in einer oder mehreren Regionen bei so vielen Menschen von Bedeutung zu sein, dass sie ein Direktmandat holt, dann dürfen sie nicht durch die Fünf-Prozent-Hürde von der Meinungsbildung ausgeschlossen sein." Deshalb auch die Klausel.

Grundmandatsklausel hat auf Bundesebene Bestand

In Bezug auf die Grundmandatsklausel hat das Bundesverfassungsgericht im Sommer ein Urteil gesprochen – die Wahlrechtsreform des Bundes betreffend. Das Gericht ist zu dem Schluss gekommen, dass die Grundmandatsklausel im Bund nicht abgeschafft werden darf, da die regionale CSU als Schwesterpartei der CDU dann kaum mehr Chancen hätte, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Joachim Behnke war Mitglied der Wahlrechtskommission im Bundestag. Der Politikwissenschaftler von der Zeppelin-Universität Friedrichshafen sagt mit Blick auf Sachsen: "Ich glaube nicht, dass das Verfassungsgericht in Sachsen die Grundmandatsklausel für verfassungswidrig erklären würde." Sie sei geltendes Wahlrecht.

Politikwissenschaftler hält Abschaffung in Sachsen für möglich

Sinnvoll findet Behnke die Grundmandatsklausel trotzdem nicht. Auch er sieht die Stadt-Land-Problematik und ein Einfallstor für Manipulation – nämlich dann, wenn Parteien sich zusammentun und gezielt für das Splitten von Erst- und Zweitstimmen werben, damit eine bestimmte Konstellation im Parlament zustande kommt.

Er fände eine Abschaffung durch den Gesetzgeber deshalb gut und glaubt, dass das in Sachsen, wo es keine CSU-Besonderheit gibt, möglich wäre: "Die Abschaffung der Grundmandatsklausel jetzt nur für Sachsen wäre sicherlich völlig unproblematisch."

Stefan Hartmann von den Linken fände das nur unter einer zweiten Bedingung vertretbar: "Wenn der sagen würde, lasst uns doch die Fünf-Prozent-Hürde wegnehmen und die Grundmandatsklausel, dann ist das doch eine Lösung, mit der alle leben." Trotzdem findet er, dass es im neuen sächsischen Landtag erstmal viel wichtigere Themen als eine Wahlrechtsänderung gibt.

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Auch Kleinparteien könnten nach der Wahl in den sächsischen Landtag einziehen – wenn sie von der Grundmandatsklausel profitieren.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. Oktober 2024 | 06:18 Uhr

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