Premiere "Hans Sachs" – Lortzings Oper über den dichtenden Schuster in der Musikalischen Komödie
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14. April 2024, 16:43 Uhr
Die Komische Oper über den dichtenden Schuster Hans Sachs aus Nürnberg komponierte Albert Lortzing 1840 in Leipzig, wo er von 1833 bis 1845 tätig war. Auch seine größten Erfolge "Zar und Zimmermann" und "Der Wildschütz" entstanden in dieser Zeit. 2026, wenn Lortzings 225. Geburtstag und 175. Todestag anstehen, wird es ihm zu Ehren ein Festival in Leipzig geben. Die aktuelle "Hans Sachs"-Inszenierung an der MuKo Leipzig sei stringent, aber habe Schwächen, so unsere Kritikerin.
- Die Leipziger Inszenierung von "Hans Sachs" ist stringent und zitiert auch Heine, Brecht, Brentano Schubert und Wagner.
- Leider mangelt es in der Umsetzung teilweise hörbar an Präzision im Orchestergraben.
- Nicht alle Sängerinnen und Sänger überzeugen in ihrer Darbietung.
Sie sei eine "schützenswerte Spezies", meinte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung einmal. Recht hat er, denn die Musikalische Komödie ist neben der Staatsoperette Dresden und dem Gärtnerplatztheater in München eines der letzten Theater in Deutschland, das sich auf Operette, Musical und Spieloper spezialisiert hat.
Die MuKo – ein Theater mit bewegter Geschichte
Und die MuKo, wie sie lange schon liebevoll genannt wird, hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Als Anfang des 20. Jahrhunderts der Leipziger Westen immer stärker industrialisiert wurde, da brachte das auch den Neubau eines Gebäudekomplexes nach Plänen des Architekten Otto Gerstenberger mit sich. Dieser Bau beherbergte einen prunkvollen Konzert- und Ballsaal, samt einer kleinen Bühne für künstlerische Darbietungen. Damit war der Grundstein für musikalisches Unterhaltungstheater im Leipziger Stadtteil Lindenau gelegt. 1918 wurde das Haus erneut umgebaut, diesmal zu einem großstädtischen Varieté-Theater. Das wiederum diente dem ausgebombten Opernensemble nach dem Zweiten Weltkrieg als Heimstatt, bis 1961 das neue Opernhaus eröffnet wurde. Danach erst konnte sich das Haus als Unterhaltungsbühne profilieren, erhielt 1968 offiziell den Namen Musikalische Komödie, kurz MuKo.
Heute gehört die MuKo als dritte Sparte zur Oper Leipzig, deren Intendant Tobias Wolff ist. Dennoch hat das frisch sanierte Haus mit Torsten Rose einen eigenen Direktor, der sich glücklich schätzen dürfte, dass man nunmehr von jedem der 640 Plätze aus gut sehen und hören kann! 172 Vorstellung werden pro Spielzeit gegeben und auch wenn die Auslastung 2023 bei nur 68 Prozent lag (vor Corona waren es weit über 80 Prozent) – man verzeichnet gerade einen kräftigen Aufwärtstrend in Sachen Besucherzahlen.
Leipzig und Lortzing: ein gutes Team
Das Multitalent Albert Lortzing war von 1833 an als Schauspieler und Sänger am Leipziger Stadttheater engagiert. Nebenbei brachte er hier zwei seiner erfolgreichsten Opern heraus: "Zar und Zimmermann" sowie "Der Wildschütz" – und 1840 auch den "Hans Sachs". Gute Gründe für den Intendanten, 2026 Lortzing zu Ehren ein Festival zu veranstalten, dann also, wenn dessen 225. Geburtstag und 175. Todestag anstehen. Und so kam mit "Hans Sachs" nach "Undine" und "Casanova" eine weitere Lortzing-Rarität ins Leipziger Repertoire.
Komische Oper über den dichtenden Schuster Hans Sachs
Im Mittelpunkt steht der dichtende Schuster Hans Sachs. Den gab es im 15. Jahrhundert wirklich und seine Geschichte inspirierte nicht nur Lortzing, sondern später auch Richard Wagner, der sich für seine "Meistersinger von Nürnberg" einiges beim Vorgänger abschaute. Schustermeister Sachs also wirbt um die Tochter des Goldschmieds Steffen und wird vom Volk auch zum Sieger eines Sängerwettstreits erklärt. Allein Steffen, der frisch gekürte Bürgermeister, hat längst mit Ratsherr Eoban Hesse gedealt, dass der seine Tochter Kunigunde ehelichen soll. Sachs verlässt frustriert seine Heimatstadt, doch am Ende siegt die Liebe, befördert von einem kunstsinnigen Herrscher – in der Oper geht sowas idealerweise.
Mangelnde Präzision im Orchestergraben
Die junge Leipzigerin Rahel Thiel setzte diese Geschichte stringent in einem ebenso reduzierten, wie variablen Bühnenbild um: Man kommt mit ein paar schiebbaren Podesten aus, über die sich die Schusterstube, der Treffpunkt der Liebespaare oder der Ort des Sängerwettstreits trefflich andeuten lassen. Ein blauer Seidenvorhang grenzt die eingebaute Bühne als Spielfläche ab, wird zudem spielerisch u.a. von Julian Brandão als Cupido einbezogen. Zudem reicherte Thiel den Sachs an: um Liebesgedichte von Heinrich Heine, Bertolt Brecht oder Clemens Brentano etwa, oder Schuberts "An die Musik", am Ende gar mit einem Zitat aus Wagners "Meistersingern". Dass sie damit auch die wunden Punkte dieser Neuproduktion triggerte, dürfte Zufall sein.
Denn gleichwohl Tobias Engeli die Musik beherzt und mit flotten Tempi angeht, gleichwohl er die instrumentalen Farben zur Geltung bringt und dynamisch intensiv akzentuiert – es mangelte teilweise hörbar an Präzision im Graben, aber auch zwischen Bühne und Orchester. Und genau das verträgt die Musik eines Albert Lortzing, samt ihren unzähligen vertrackten Ensembleszenen nun gar nicht. Die Schönheit dieser Partitur steckt im Detail. Wenn das nicht sitzt, sind Leichtigkeit, Witz und das Prickelnde der Musik perdu.
Der Kurs steht auf Lortzing-Festival 2026 in Leipzig
Sängerisch sowie in den Dialogen konnten vor allem Adam Sanchez als Görg und wie so oft der urkomisch-geniale Andreas Rainer, hier als Eoban, überzeugen. Mirjam Neururer als Kunigunde und Justus Seeger als Sachs wünschte man, dass sie die beiden anspruchsvollen Hauptpartien (künftig ohne Premierendruck) mit mehr Flexibilität, aus dem Geiste Mozarts mit einem Schuss Freischütz-Romantik zu interpretieren in der Lage wären. In jedem Fall aber bleibt es spannend, wie auch dieser unbekannte Lortzing in Leipzig angenommen werden wird – der Kurs mit Blick auf 2026 stimmt schon mal.
Informationen zur Inszenierung: (zum Aufklappen)
"Hans Sachs" von Albert Lortzing
Komische Oper in drei Akten | Libretto von Philipp Reger, Philipp Jakob Düringer und dem Komponisten
Leitung
Musikalische Leitung: Tobias Engeli
Inszenierung: Rahel Thiel
Bühne: Elisabeth Vogetseder
Kostüme: Renée Listerdal
Dramaturgie: Inken Meents
Choreinstudierung: Mathias Drechsler
Chor: Chor der Musikalischen Komödie
Zusatzchor: Extrachor
Orchester: Orchester der Musikalischen Komödie
Besetzung
Kunigunde: Nora Lentner / Mirjam Neururer
Cordula: Sandra Maxheimer
Hans Sachs: Justus Seeger / Ivo Kovrigar
Görg: Jeffery Krueger / Adam Sánchez
Eoban Hesse: Andreas Rainer
Meister: Steffen Milko Milev
Kaiser Maximilian I.: Christian Henneberg
Cupido: Julian Brandão / August Karlström / Fritz Rösch
Termine 2024
20. April, 19 Uhr
21. April, 15 Uhr
4. Mai, 19 Uhr
5. Mai, 15 Uhr
25. Mai, 19 Uhr
26. Mai, 15 Uhr
Quelle: MDR KULTUR (Bettina Volksdorf), redaktionelle Bearbeitung: jb, sg
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Sonntagmorgen | 14. April 2024 | 09:40 Uhr