Ansteckende Erkrankung Von wegen Kinderkrankheit: Infektionen mit Keuchhusten steigen bei Erwachsenen in Sachsen
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27. Juli 2024, 06:00 Uhr
Erst fühlt es sich wie eine wochenlange Erkältung an und dann kommt der beißende Husten. So in etwa verläuft die hochansteckende Krankheit Keuchhusten. In Sachsen ist sie weiterhin auf dem Vormarsch.
- Immer mehr Menschen in Sachsen erkranken an Keuchhusten.
- Obwohl es eine Kinderkrankheit ist, zeigen die aktuellen Zahlen, dass vor allem Erwachsene betroffen sind.
- Die Impfung gegen Keuchhusten sollte alle zehn Jahre aufgefrischt werden.
In Sachsen hat es seit Jahresbeginn insgesamt mehr als 600 Fälle der hochansteckenden Infektionskrankheit Keuchhusten gegeben. Das geht aus dem aktuellen Epidemiologischen Wochenbericht des sächsischen Sozialministeriums hervor. Im vergangenen Jahr um diese Zeit lag die Zahl bei lediglich 71 Fällen (2024 bislang: 619). Dies entspricht einem fast neunfachen Anstieg (8,7 mal mehr Fälle).
Bereits Anfang Juni hatte das Sozialministerium auf die steigenden Fallzahlen hingewiesen. Vor allem in den vergangenen Wochen hat es laut Wochenbericht einen steten Anstieg der Infektionszahlen gegeben. Jede Woche gab es jeweils zwischen 25 und mehr als 50 neue Erkrankungen.
Corona-Effekt und mangelnder Impfschutz?
Die Chefin der Barmer-Krankenkasse in Sachsen, Monika Welfens, sieht zum einen den Nachholeffekt der Corona-Pandemie, wie er derzeit auch bei Röteln zu beobachten sei. Zum anderen sei auch mangelnder Impfschutz der Erwachsenen ein Grund für die hohe Infektionsrate.
Diese Gründe nennt auch Sachsens Sozialministerium: Nachholeffekte nach Corona und Impflücken bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Denn die Anteile nach Altersgruppen der Erkrankungsfälle 2024 in Sachsen zeigten, dass in diesem Jahr viele Schüler und junge Erwachsene erkranken und weniger die ansonsten deutlich mehr betroffenen Kleinkinder.
Bereits vor zwei Jahren meldete das Sächsische Sozialministerium einen Rückgang der Impfzahlen gängiger Infektionskrankheiten. Von Keuchhusten beispielsweise wurde 2022 ein Viertel weniger Impfdosen verabreicht als noch 2017. Weil die Impfungen nicht meldepflichtig sind, liegen keine Zahlen zu genauen Impfraten und Auffrischungsimpfungen vor.
Impfraten bei Grundschülern gehen seit Jahren zurück
Allerdings lassen sich Rückschlüsse aus Daten von Kita-Kindern und Schülern ziehen. "Die Impfraten der Kinder in Sachsen, deren Impfausweis bei der Schuleingangsuntersuchung in Sachsen vorgelegt wurde, haben in den letzten Jahren bedauerlicherweise stetig abgenommen. Die erhobenen Durchimpfungsraten bei Kindern im 4. Lebensjahr in Kindertagesstätten sind ebenfalls kontinuierlich gesunken", informiert das Sozialministerium. Und: "Die Durchimpfungsraten bei den Schülern der 6. Klassen in Sachsen waren schon immer nicht gut und haben sich ebenfalls in den letzten beiden Jahren noch deutlich verschlechtert."
Die Impfraten der Kinder in Sachsen, deren Impfausweis bei der Schuleingangsuntersuchung in Sachsen vorgelegt wurde, haben in den letzten Jahren bedauerlicherweise stetig abgenommen.
Alle Altersgruppen können erkranken, Babys Hochrisikogruppe
Das Ministerium verweist darauf hin, dass sämtliche Altersgruppen an Keuchhusten erkranken können. "Es ist keineswegs so, dass Pertussis eine Krankheit ist, die nur oder vorwiegend Kinder betrifft." Deshalb sollten alle einen Impfschutz aufweisen und den auch regelmäßig auffrischen. Bei Erwachsenen und Senioren würden weniger typische Krankheitsbilder auftreten. Daher werde Keuchhusten unter Umständen auch als chronische Bronchitis bewertet oder seltener von Ärzten festgestellt.
Sämtliche Altersgruppen können erkranken und sollten deshalb einen Impfschutz aufweisen und diesen auch regelmäßig auffrischen.
"Dagegen gelten Säuglinge als Hochrisikogruppe, weil bei ihnen besonders schwere Verläufe und Komplikationen mit Atemaussetzern auftreten können", betont das Sozialministerium. Zum Schutz der Säuglinge empfiehlt es besonders Schwangeren, Angehörigen und Betreuungspersonen "dringend eine Auffrischimpfung".
Was ist Keuchhusten?
- Keuchhusten (lat. Pertussis) wird durch Bakterien ausgelöst und über Tröpfcheninfektion weitergegeben, hauptsächlich beim Niesen, Husten oder Sprechen.
- Besonders gefährlich ist die Krankheit für Säuglinge, bei denen sie tödlich verlaufen kann.
- Bei Erwachsenen führt Keuchhusten zu monatelang anhaltenden, quälenden Hustenanfällen.
Erwachsene unterschätzen die Krankheit
"Keuchhusten wird von vielen Erwachsenen unterschätzt", weiß auch die Krankenkassen-Sprecherin Monika Welfens von der Barmer. Die Krankheit werde für eine Kinderkrankheit gehalten. Auch Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge treten inzwischen zwei Drittel aller Keuchhusten-Fälle bei Erwachsenen auf. Die Erkrankten seien im Schnitt zwischen 35 und 42 Jahre alt. Zudem sei die Erkrankung hoch ansteckend. Auch Welfens weißt auf die besondere Gefahr für ungeimpfte ältere Menschen und Babys hin.
Mehrere Erkrankungen im Leben möglich
An Keuchhusten kann man mehrmals erkranken, denn nach einer überstandenen Erkrankung besteht keine lebenslange Immunität. Deshalb empfehlen auch Krankenkassen die Impfung als Schutz. Erwachsene sollten sich einmalig immunisieren lassen, mit einer Auffrischungsimpfung alle zehn Jahre, heißt es.
MDR (sme, kk)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 27. Juli 2024 | 07:00 Uhr