Ironischer Rückblick Kartoffeln, Marx und Klopapier: Darüber hat Sachsens Landtag gelacht
Hauptinhalt
24. August 2024, 07:00 Uhr
Politiker haben wenig zu lachen in krisenhaften Zeiten. Das heißt aber nicht, dass es im Sächsischen Landtag nur ernst und staatstragend zugeht. Gern eröffnen Abgeordnete ihre Reden mit Sprichworten oder verweisen auf Zitate schlauerer Geister. Wenn die Sätze nicht richtig sitzen, folgen Spott und rhetorische Gegenwehr. Jetzt aber mal Spaß beiseite für ein paar denkwürdige Zitate aus den vergangenen fünf Sitzungsjahren.
Wer wurde in der vergangenen Legislatur häufiger im Landtag in Dresden zitiert: Karl Valentin oder Karl Marx? Die Antwort zeigt, wie unlustig die Zeiten sind: Vier Mal führten die Abgeordneten direkte Zitate des Kapitalismuskritikers Marx an, nur einmal den Komiker Valentin.
Gleich mehrfach bemühte der AfD-Abgeordnete Jörg Dornau Karl Marx. Laut Bericht "Der Welt" betreibt Dornau einen großen Landwirtschaftsbetrieb im Lukaschenko-Staat Belarus. Weil er das der Landtagsverwaltung verschwiegen hatte, wurde er mit 21.000 Euro Ordnungsgeld belegt. Kapital und Kapitalismuskritik sollten für ihn kein Problem darstellen. Am 18. November 2021 ging es bei einer Aussprache um eine Petition über eine "Broschüre, Karl-Marx-Denkmal, Stadt Chemnitz". Dornau zitierte den Gesellschaftstheoretiker Marx mit den Worten: "Religion war für ihn 'Opium für das Volk'."
Gerechtigkeit für Marx
Das wollte der SPD-Abgeordnete Frank Richter so nicht stehen lassen. "Die intellektuelle Redlichkeit verlangt es zu differenzieren, Herr Dornau. Karl Marx hat gesagt: 'Religion ist Opium des Volkes'. Wladimir Iljitsch Lenin hat gesagt: 'Religion ist Opium für das Volk'." Und es folgte noch ein Seitenhieb gegen den Rechtsaußen-Politiker: "Das ist zugegebenermaßen ein für Sie vielleicht nicht sofort erkennbarer Unterschied, aber in der Substanz ist er es schon. Ich bin alles andere als ein Marxist. Aber ich stehe hier, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das sollte auch Ihr Anliegen sein."
Würde und Sachlichkeit waren auch die Wünsche des Alterspräsidenten Svend-Gunnar Kirmes (CDU), der zur Auftaktsitzung zur neuen Legislaturperiode 2019 zuvor im Plenum darum bat: "Lassen Sie uns trotz verschiedener Ansichten unsere Arbeit für die nächsten fünf Jahre mit etwas Gelassenheit, vor allem aber in Würde, mit Sachlichkeit sowie mit menschlichem und kollegialem Umgang beginnen."
Auch Kartoffelböden brauchen Vielfalt
Sachlich klang am 30. Januar 2020 anfangs der Tagesordnungspunkt: "Ausstattung mit Schulgärten landesweit sicherstellen". Dann reagierte Luise Neuhaus-Wartenberg von den Linken auf die Ausführungen der AfD: "Was Sie eigentlich wollen, sind deutsche Kartoffelbeete, so weit das Auge reicht. Ich verrate Ihnen aber etwas: Die Kartoffel kommt eigentlich aus Lateinamerika, und Böden brauchen Vielfalt. Sie aber wollen Monokulturen. Das verödet die Böden und macht die Menschen krank, ebenso wie Sie unsere Gesellschaft krank machen."
Der AfD-Abgeordnete Rolf Weigand erwiderte: "Ich stelle (...) fest, dass natürlich ein Garten Vielfalt schafft. Ich möchte zu Protokoll geben, dass ich die 'Goldmarie' als Kartoffelsorte sehr schätze. Dankeschön."
Systemrelevanz von Toilettenpapier
Die Landwirtschaft beschäftigte auch am 11. Juni 2020 das Plenum beim Tagesordnungspunkt "Corona-Krise und Klimakrise meistern". Andreas Heinz von der CDU freute sich, dass die Landwirtschaft in der Krise "wieder als systemrelevant erkannt wurde. Sie ist jedenfalls deutlich systemrelevanter als Klopapier; denn wenn man oben nichts hineinstecken kann, braucht man am anderen Ende des Kanals auch kein Papier."
Kampf gegen Rassismus und Atommüll
Am 30. September 2020 diskutierten die Fraktionen über den Tagesordnungspunkt "Fremden- und Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Hass und Gewalt in unserer Gesellschaft keinen Raum geben". Das veranlasste Anne Gorskih von der Linken zu diesem Ausspruch:
Demokratiearbeit ist wie Zähneputzen: Wenn man es vernachlässigt, wird es irgendwann braun.
Dynamo-Aufstieg per Landtagsbeschluss?
Fußball wird gern als Metapher in politischen Reden bemüht. Am 1. Oktober 2020 hieß das Thema: "30 Jahre im selben Land und doch nicht in derselben Liga: Ostdeutsche Fußballvereine fast ohne Chance zum Aufstieg". Der damalige Sport- und Innenminister der CDU, Roland Wöller, hatte eine Idee: "Wir könnten hier ja einen überfraktionellen Antrag einbringen und den Aufstieg von Dynamo Dresden in die 2. Liga beschließen – aber das nur am Rande."
Mit Highspeed auf dem Trockenklo
Anfang November 2020 wurde über den Antrag "Öffentliche Trinkwasserversorgung endlich landesweit gewährleisten" diskutiert. Der AfD-Abgeordnete André Barth verwies auf die Sächsische Zeitung des Vortages: "In Herzogswalde gibt es dank einer 100-Prozent-Förderung des Freistaates Sachsen bald schnelles Internet. Die Trinkwasserversorgung jedoch ist nach wie vor nicht gesichert. Ich spitze es einmal zu: In Herzogswalde kann man bald bestes Internet genießen, wenn man mit dem Smartphone auf der Toilette sitzt; diese ist mangels Wasser jedoch nach wie vor ein Trockenklo."
Können AfD-Politiker Kaffee kochen?
"Frauen in der Corona-Krise – gesellschaftliche Rückschritte vermeiden und Gleichberechtigung stärken" war am 25. März 2021 Debattenthema, als die SPD-Abgeordnete Hanka Kliese Richtung AfD-Fraktion sprach: "Als ich mein erstes Spiel als Schiedsrichterin gepfiffen habe, bei einer Männermannschaft, durfte ich mich fragen lassen, ob ich nicht vielleicht erst einmal für die Herren einen Kaffee kochen will. Ich kann mir viele Herren in Ihrer Fraktion vorstellen, die das witzig gefunden oder diese Frage auch gern gestellt hätten."
Die frauenpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Doreen Schwietzer, widersprach: "Frau Kliese, ein kleiner Einwurf: Unsere Männer in der Fraktion kochen Kaffee."
Wer hat Angst vor "Pepe Pimmel"?
In der Kaffeeküche haben AfD-Abgeordnete laut Schwietzer keine Handlungsprobleme. Dafür fürchten sie sich offenbar vor "Regina Vagina". Schuld daran trägt nach Worten des AfD-Politikers Rolf Weigand die angeblich "rotgrüne Ideologie" des "Genderwahns im Stundenplan". Weigand beklagte sich bei Kultusminister Piwarz (CDU): "In Schulen müssen Zwölfjährige seit Jahren manngroße Penisse und fraugroße Vaginas ertragen – 'Pepe Pimmel' und 'Regina Vagina'."
Ein Audi am Tag des Mauerfalls
Der 9. November ist ein Tag des Gedenkens an die Opfer der Reichspogromnacht der Nationalsozialisten und an den Mauerfall 1989. Doch am 9. November 2022 unterbrach Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) mit einer profanen Ansage:
"Ich darf, bevor ich den nächsten Redner aufrufe, noch etwas bekannt geben: Draußen in der Lobby ist von einem wohltätigen und nicht genannten Finder ein fast nagelneuer Audi-Schlüssel abgegeben worden. Wenn sich die Besitzerin oder der Besitzer im Raum befindet, so kann er seinen Schlüssel hier vorn bei unserer Saalbetreuung abholen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. August 2024 | 15:35 Uhr