Neubau trotz Sparmaßnahmen? Dresden: Streit um Millionen-Projekt Wagner-Akademie

27. September 2024, 13:54 Uhr

Kommt mit der Richard-Wagner-Akademie ein spektakulärer Neubau mit Konzertsaal an die Elbe in Dresden? Als Kompetenzzentrum für romantische Orchester- und Opernpraxis des 19. Jahrhunderts soll die Akademie den ansässigen Musikfestspielen dienen, Wagners Originalklang zu erforschen. Trotz Millionenförderung vom Bund sorgt das Vorhaben für Kritik – denn Dresden plant gleichzeitig enorme Kürzungen in der städtischen Kulturlandschaft.

Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) zeigte sich überrascht von den Plänen für eine millionenteure Richard-Wagner-Akademie am Elbufer. Mit der Kulturverwaltung habe es keinerlei Absprachen gegeben, sagte Klepsch MDR KULTUR.

Es gab mit der Kulturverwaltung keinerlei Absprachen. Wir waren überrascht, als wir nach Antragstellung durch die Musikfestspiele erstmals von der Idee im Detail gehört haben.

Annekatrin Klepsch, Kulturbürgermeisterin der Stadt Dresden

Millionenförderung für Hochkulturprojekt

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Bund mit 15 Millionen Euro das Vorhaben für ein internationales Kompetenzzentrum für romantische Orchester- und Opernpraxis des 19. Jahrhunderts unterstützt. Die Mittel für das Projekt der Dresdner Musikfestspiele stammen aus dem Förderprogramm "Kulturinvest".

Jan Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, sieht die Entscheidung als große Chance und sagte MDR KULTUR, es sei eine Riesen-Wertschätzung für Dresden als Musik-, Kultur- und Kunststadt.

Neubau mit Konzertsaal am Königsufer geplant

Geplant ist laut Vogler ein Neubau am sogenannten Königsufer an der Augustusbrücke, inklusive einem Konzertsaal für etwa 600 Zuschauerinnen und Zuschauer. Weiterhin sollen in dem Haus ein Orchester- und ein Chorprobensaal entstehen, außerdem Workshop-, Archiv- und Seminarräume.

Der Intendant Musikfestspiele Dresden Jan Vogler, ein Mann mit braunem Haar, Brille und schwarzem Anzug, steht mit verschränkten Armen an eine Wand gelehnt. 4 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert

Das Zentrum soll dazu dienen, den Originalklang von Richard Wagners Werken zu erforschen. Seit mehr als zwei Jahren untersuchen die Dresdner Musikfestspiele mit ihrem Festspielorchester und Concerto Köln im Projekt "The Wagner Cycles" bereits Wagners "Ring des Nibelungen".

Das geplante Wagner-Zentrum in Dresden könne Anregung für Musiker und Musikwissenschaftler in der ganzen Welt geben, argumentierte Vogler und hofft, mit der Akademie auch weltweit führend sein zu können für die Aufführungspraxis romantischer Musik. Auch beim Publikum sei gerade die Epoche der Romantik sehr beliebt.

Das 19. Jahrhundert ist wahrscheinlich das populärste in der Geschichte der klassischen Musik.

Jan Vogler, Intendant der Dresdner Musikfestspiele

Millionen-Förderung trotz Sparzwängen?

In der Stadtpolitik sorgt das Vorhaben für Kritik. Denn die Millionenförderung kommt zu einer Zeit, zu der in Dresden drastische Kürzungen bei städtischen Kultureinrichtungen geplant sind. Nach Angaben von Kulturbürgermeisterin Klepsch muss derzeit ein einstelliger Millionenbetrag im Bereich Kultur in Dresden eingespart werden.

Nun soll die Stadt allerdings den Bau der Wagner-Akademie mit einem zweistelligen Millionen-Betrag unterstützen, ebenso das Land Sachsen. Nur dann fließen auch die bewilligten 15 Millionen des Bundes. Klepsch stellte bei MDR KULTUR klar: Es habe keine schriftlichen Zusagen seitens der Stadt gegeben, auch die angebliche Zusage seitens des Freistaats könne nur mündlich sein. Auch aus der Pressestelle der Stadt Dresden hieß es, im aktuellen Haushaltsplan seien keine Mittel für das Projekt eingestellt.

Annekatrin Klepsch 6 min
Bildrechte: imago/Sven Ellger

Die Kulturbürgermeisterin verwies auf die bereits bestehende "hervorragende, kulturelle Infrastruktur" in Dresden mit dem Kulturpalast und anderen Bühnen.

Wir haben im Kulturpalast mit dem Konzertsaal einen hervorragenden, international wettbewerbsfähigen Konzertsaal.

Annekatrin Klepsch, Kulturbürgermeisterin der Stadt Dresden

Stadtrat wurde nicht einbezogen

"Es gibt Künstlerpersönlichkeiten, die in ihrer Kreativität eben auch große Ideen entwickeln und diese dann an anderen Stellen voranbringen", sagte Klepsch über die Pläne der Dresdner Musikfestspiele mit Jan Vogler an der Spitze. Ihre Aufgabe sei es, diese "Blütenträume" mit einer fachlichen Debatte zu untersetzen.

Klepsch zeigte sich bei MDR KULTUR enttäuscht vom Vorgehen und betonte: "Ich hätte mir gewünscht, dass wir vor Einreichung entsprechender Vorhaben beim Bund zunächst erst mal innerhalb der Stadt eine Debatte führen", über mögliche neue Kultureinrichtungen und Bedarfe. Der Vorgang löse bei anderen Kultureinrichtungen, die zum Sparen angehalten sind, Irritationen aus, berichtete Klepsch.

Das Dresdner Festspielorchester, mehrere schwarz gekleidete Musikerinnen und Musiker mit ihren Instrumenten stehen auf der Bühne des Dresdner Kulturpalasts.
Konzerte der Dresdner Musikfestspiele fanden bisher auch im Konzertsaal des Kulturpalats statt. Bildrechte: Oliver Killig

Mario Schmidt, kulturpolitischer Sprecher der CDU im Dresdner Stadtrat, kritisierte in einer Stellungnahme, dass das Stadtparlament in die Beantragung der Bundesmittel für das Projekt nicht einbezogen wurde. Er bezweifelte, dass "in der aktuellen Situation der Kultureinrichtungen der Aufbau einer neuen Akademie insbesondere auch mit dem Neubau eines eigenen Gebäudes mit Orchester- und Konzertsaal notwendig und die richtige Prioritätensetzung ist."

Stadträtin Kristin Dänhardt von der Partei Die Linke kritisierte auf Nachfrage von MDR KULTUR ebenfalls die Nichteinbeziehung des Stadtrats: "Es scheint, als wolle man mit der Zusage der Bundesförderung Tatsachen schaffen, die der Dresdner Stadtrat dann einfach mitzutragen hat." Sie forderte in ihrem Statement Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auf, die geplanten Streichungen im Kulturbereich abzuwenden, bevor 15 Millionen Euro in neue Großprojekte gesteckt werden.

Auch die Fraktion Team Zastrow im Dresdner Stadtrat sprach auf Nachfrage von "völligem Realitätsverlust" der Verantwortlichen und bezeichnete das Vorhaben als elitär: "Es bleibt ein dringend aufzuklärendes Rätsel, wie es überhaupt zu dieser Initiative kommen konnte und über welche Legitimation sie verfügt." Man bereite einen Fragenkatalog für die Stadt vor.

Zukunft des Wagner-Zentrums ungewiss

Vogler erinnerte bei MDR KULTUR daran, die Förderung als große Wertschätzung für Dresden zu sehen und bezeichnete das Millionenvorhaben gegenüber den Sparmaßnahmen als "andere Baustelle im wahrsten Sinne des Wortes".

Vogler hofft, dass die Wagner-Akademie bis 2029 schlüsselfertig umgesetzt werden kann. Nach Angaben von Kulturbürgermeisterin Klepsch wurde für das betreffende Grundstück am Königsufer ein ergebnisoffener Prozess gestartet.

Quellen: MDR KULTUR (Michael Ernst, Grit Krause, Ole Steffen)
Redaktionelle Bearbeitung: hro, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. September 2024 | 06:30 Uhr

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