"Kommunikationspanne" Stadt Dresden entschuldigt sich nach Entfernung der Gedenkinschrift für Bombenopfer
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19. Januar 2024, 16:00 Uhr
Seit Tagen sorgt die Entfernung einer Inschrift zur Erinnerung an die Bombenopfer im Februar 1945 in Dresden für Diskussionen. Am Freitag hat die Stadt eine neue Erinnerungsstele auf dem Altmarkt eingeweiht. In dem Zusammenhang hat sie erklärt, wie es zur Entfernung der Inschrift gekommen ist. Der Baubürgermeister spricht von einer "schwerwiegenden Kommunikationspanne".
- Die Dresdner Stadtverwaltung hat sich entschuldigt, dass sie ohne aktuelle Ankündigung die Gedenkinschrift entfernt hat.
- Bürgermeister Hilbert verweist auf einen Beschluss aus dem Jahr 2019.
- Sein Parteikollege Holger Hase, Mitglied der AG 13. Februar, zeigte sich entsetzt.
In der seit Tagen andauernden öffentlichen Diskussion um eine entfernte Inschrift für die Opfer des Zweiten Weltkrieges in Dresden hat die Stadtverwaltung bei MDR SACHSEN nun Fehler in der internen Kommunikation eingeräumt und sich entschuldigt. "Uns und den handelnden Personen tut es sehr leid, wie es gelaufen ist. Wir können es nun nicht mehr ändern und nicht rückgängig machen," sagte Baubürgermeister Stephan Kühn. Besonders der Zeitpunkt der Entfernung so kurz vor dem 13. Februar sei "suboptimal" gewesen, ergänzte Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch.
Nun soll eine neue Info-Stele an die Bombardierung der Stadt im Februar 1945 erinnern. Aufgestellt wurde sie am Freitag auf dem Dresdner Altmarkt. Die 2020 aufgestellte Vorgängerstele wurde bei Bauarbeiten beschädigt und musste ausgetauscht werden. Bei der Gelegenheit wurde sie inhaltlich überarbeitet.
Entfernung der Inschrift bereits 2018 besprochen
Nach dem sich Bürgerschaft, Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik und Medien anfang der Woche verwundert bis verärgert über die Entfernung einer Gedenkinschrift gezeigt hatten, war die Stadt um Aufklärung bemüht. Die Inschrift, die in die Lehne einer Bank eingraviert war, wurde am 9. und 10. Januar ohne vorherige Information der Öffentlichkeit abgeschliffen.
Geplant sei das Vorhaben bereits seit mehreren Jahren gewesen: In einem Workshop der AG 13. Februar im November 2018, an dem auch Stadträte teilgenommen haben, die heute noch aktiv sind, wurde besprochen, dass die Erinnerungsstelle "keine geeignete Form für die Erinnerungsstelle" sei. Menschen hätten diese als Sitzplatz benutzt, darauf gegessen und die Bank wurde mit Graffi beschmiert, erklärte Annekatrin Klepsch.
Allerdings sei der Zeitpunkt der Baumaßnamen nicht an übergeordnete Führungsebenen herangetragen worden und die Brisanz des Ortes und des Umstandes nicht erkannt worden, so Baubürgermeister Stephan Kühn. Er spricht von einer "schwerwiegenden Kommunikationspanne". Zeitpunkt und die Art und Weise der Kommunikation an die Öffentlichkeit hätte besser geplant werden müssen.
Kritik sei berechtigt
Die an das Rathaus herangetragenen Fragen von Bürgern, Journalisten und Kommunalpolitikern sowie die Kritik seien berechtigt. "Weil wir aus kommunikativer Sicht äußerst unglücklich agiert haben."
Die Kritik in dieser Angelegenheit ist berechtigt, da wir aus kommunikativer Sicht äußerst unglücklich agiert haben. Bei Veränderungen an einem so sensiblen Erinnerungsort ist eine proaktive Kommunikation dringend erforderlich.
Beirat soll Ideen für den Altmarkt als Gedenkort entwickeln
Hilbert führte weiter aus, dass die Inschrift in der Lehne einer Bank auf dem Altmarkt vor einigen Tagen bei Bauarbeiten entfernt wurde. Das sei planmäßig erfolgt. Er verwies auf entsprechende Absprachen zur Neugestaltung des Platzes aus dem Jahr 2019, zu der eben auch die Entfernung der Gravur in der Lehne einer Sitzbank gehört habe. "Eine rechtzeitige Information über das geplante Vorgehen wäre unerlässlich gewesen", so Hilbert.
Der OB verteidigte zugleich die Entfernung der Inschrift. Sie sei wiederholt in die Kritik geraten, weil sie nicht würdig genug sei. Entweder würden Menschen davor sitzen und sie verdecken oder die Bank werde für Graffiti missbraucht. OB Hilbert regte an, über den Altmarkt als Gedenkort im sich zu konstituierenden Beirat für Erinnerungskulturen auszutauschen. Eine 2020 errichtete Erinnerungsstele, die bei den Bauarbeiten auf dem Altmarkt beschädigt worden war, soll zeitnah wieder aufgestellt werden.
FDP beantragt Aktuelle Stunde im Stadtrat
Zu denen, die sich wundern, gehört auch der kulturpolitische Sprecher der Dresdner FDP-Ratsfraktion Holger Hase. Hilberts Parteikollege findet das Vorgehen "unvertretbar" und fordert Aufklärung. Es seien Tatsachen geschaffen worden, "ohne Information an die Öffentlichkeit oder den Stadtrat und vorbei an allen Akteuren der Stadtgesellschaft." Hase, Historiker und Mitglied der AG 13. Februar, kritisiert: "Weder die AG 13. Februar noch die Fachämter sind in diesen Vorgang einbezogen worden." Die FDP habe deshalb eine Aktuelle Stunde im Stadtrat beantragt, um das Thema öffentlich zu debattieren.
Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler Dresden, Jens Genschmar, teilte auf Facebook mit, vor Hilberts Mitteilung bei der Polizei Anzeige gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung erstattet zu haben. "Noch am Vortag konnte Oberbürgermeister Hilbert nichts zu den Hintergründen sagen", sagte Genschmar am Dienstagabend MDR SACHSEN.
Altmarkt zu Hightech-Platz umgebaut
Die Stadt Dresden hatte den historischen Altmarkt bis Ende des Jahres 2023 für 13 Millionen Euro zu einem barrierefreien Hightech- und Veranstaltungsplatz umbauen lassen. Auf dem Platz waren nach der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945 fast 7.000 Tote verbrannt worden. Insgesamt starben bei den Angriffen etwa 25.000 Menschen, wie eine Historikerkommission ermittelte.
MDR (kav/wim/dkö)/epd
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 19. Januar 2024 | 15:30 Uhr