Theater Künstlerin arbeitet ihre Kindheit in der DDR mit Tanz auf
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07. November 2024, 03:30 Uhr
Aufwachsen in der DDR, zwischen Wochenkrippen und Leistungssport – davon erzählt Lykke Langer in "Winterkind". In dem autobiographischen Theaterstück teilt sie Erfahrungen aus ihrer Kindheit. Mit ihrer Geschichte bietet sie eine Projektionsfläche für Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Das Tanz-Stück feiert am 7.11. seine Uraufführung am Projekttheater Dresden.
- In "Winterkind" erzählt Lykke Langer von ihrer Kindheit in der DDR.
- Sie setzt das Thema auf der Bühne tänzersich und multimedial um.
- So soll Verständigung über Traumata stattfinden.
Am Donnerstag wird das Stück "Winterkind" im Dresdner Projekttheater uraufgeführt. Es setzt sich mit dem Aufwachsen in der DDR auseinander. Die Idee und das Konzept stammen von der Künstlerin Lykke Langer aus Leipzig.
"Das Winterkind ist ein Kind, das immer wieder innerlich einfrieren musste, um zu überleben", erklärte Langer im Gespräch mit MDR KULTUR den Titel des autobiographioschen Theaterstücks. Am Beispiel ihrer eigenen Lebensgeschichte verhandelt sie darin, wie es sich für sie angefühlt hat, als Kind in der DDR und damit in einem totalitären System aufzuwachsen. Ihre Kindheit sei, so Langer, vom Aufenthalt in Wochenkrippen und ihrer Zeit als Leistungssportlerin geprägt gewesen.
Heute wird von Anfang an darauf geachtet, dass Kinder Halt brauchen.
DDR-Geschichte und eigene Erfahrungen
Um sich künstlerisch damit auseinander setzen zu können, begab sich Langer auf eine Spurensuche in ihre eigene Vergangenheit. Sie führte Gespräche mit ehemaligen Wochenkrippen-Kindern, las Stasi-Unterlagen und befragte frühere Wegbegleiter. Darunter war zum Beispiel auch ihre ehemalige Schwimmtrainerin, mit der sie über den damaligen Trainingsethos und die Zusammenhänge von Leistungssport und Politik in der DDR sprach.
Begriffsklärung: Wochenkrippe Wochenkrippen waren Betreuungseinrichtungen in der DDR. Dort konnten Säuglinge und Kleinkinder am Montagmorgen abgegeben werden. Wieder abgeholt wurden sie am Wochenende.
Unterstützt wurde Langer bei ihrer Arbeit von Eleanora Allerdings. Die Regisseurin wuchs in der Sowjetunion auf. Für "Winterkind" setzte sie sich mit heutigen Perspektiven auf die DDR auseinander. Sie habe auch zum Thema Bindungspsychologie recherchiert, erklärte Allerdings bei MDR KULTUR. Dabei habe sie eine wichtige Erkenntnis gehabt: "Heute kümmert man sich auf eine andere Art um die Kinder, heute wird von Anfang an darauf geachtet, dass Kinder Halt brauchen."
Theater und Multimedia
Neben dieser Recherche nutzten Langer und Allerdings verschiedene Wege, um sich dem Thema auf Bühne anzunähern – von Improvisationen aus dem Körpertheater bis zum Durchspielen frühkindlicher Bewegungsabläufe. Es sei auch ein körperliches Befragen gewesen, so Allerdings: "Und dann kommt in der nächsten Stufe: Wie bringen wir das in eine künstlerische Form?"
Herausgekommen ist eine tänzerische Performance von Langer, die von Fotos und Videoclips begleitet wird, darunter animierte oder nachgestellte Ausschnitte aus ihrem eigenen Leben. So soll laut der Künstlerin ein Bogen von damals bis ins Heute gespannt werden.
Traumata auflösen
"Winterkind" behandle zwar ihre persönliche Lebensgeschichte, so Langer, betreffe aber nicht sie allein. So sei das Stück nicht nur durchzogen von Erfahrungen und Erlebnissen, sondern thematisiere auch allgemein das Menschenbild und den Umgang mit Kindern zu DDR-Zeiten. Zwar bietet Langer ihre eigene Vergangenheit als Projektionsfläche. Sie betont aber, dass es sich bei "Winterkind" um eine Teamproduktion handle.
Das Stück sei schon vor der Veröffentlichung auf große Resonanz gestoßen, führt sie aus. Daraus leitet Langer ab, dass es offenbar ein großes Bedürfnis gebe, über die persönlichen Geschichten ins Gespräch zu kommen: "Damit die eigenen Rucksäcke, in denen man diese Traumata von damals mit sich rumschleppt, nicht an die nächste Generation weitergegeben werden, sondern durch Sichtbarmachen im günstigsten Falle aufgelöst werden."
Die Aufarbeitung von Kindheitstraumata, verbunden mit der DDR, wurde erst kürzlich breit diskutiert. Im Frühjahr 2024 sorgte der Roman "Maifliegenzeit" von Matthias Jügler für Kontroversen. Jügler schreibt darin über systematisch vorgetäuschten Kindstod und Zwangsadoptionen in der DDR. Wissenschaftler und Betroffeneninitiativen sind uneinig über das tatsächliche Ausmaß solcher Fälle.
Quelle: MDR KULTUR (Karoline Knappe), Projekttheater Dresden
Redaktionelle Bearbeitung: az, bh
Transparenzhinweis Ulrike Lykke Langer ist auch freie Mitarbeiterin bei MDR KULTUR.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. November 2024 | 16:10 Uhr