Sozialarbeiterin diskutiert mit Schülerinnen einer achten Klasse
Dresdens Sozialeinrichtungen droht ein Kahlschlag. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Busse

Liste der Grausamkeiten Dresdens Sozialeinrichtungen droht Kahlschlag

06. November 2024, 16:16 Uhr

Als "Liste der Grausamkeiten" kursieren die Kürzungspläne im Sozialbereich durch Dresden. In sogenannten Blauen Briefen wurden mehr als 70 Einrichtungen von der Stadt bereits vorinformiert - darüber, welche Stellen abgebaut werden könnten und welche Einrichtungen damit sogar ganz schließen müssten. Einrichtungen und Mitarbeitende stehen nun vor einer ungewissen Zukunft. Es betrifft alle - die Kinder- und Jugendarbeit, die Erwachsenenhilfe und die Seniorenbetreuung.

Dresdens Sozialeinrichtungen befinden sich vor einer ungewissen Zukunft. Im Zeichen des Sparkurses der Stadt stehen teils langjährige Angebote und Anlaufstellen in der Kinderbetreuung und Erwachsenenhilfe auf der Kippe. Die geplanten Kürzungen beträfen ÖPNV, Gesundheit, Kultur, Sport, Bildung und Hilfen für Familien, Geflüchtete, Frauen sowie Kinder und Jugendliche, zählt Anne Pötzsch vom "Bündnis gegen Kürzungen Dresden" auf.

Es wird die gesamte Stadtgesellschaft treffen.

Anne Pötzsch Bündnis gegen Kürzungen in Dresden

"Es wird die gesamte Stadtgesellschaft treffen, insbesondere diejenigen, die in den letzten Jahren ohnehin vernachlässigt wurden", so Pötzsch. Es reiche nicht aus, einzelne Sparmaßnahmen herauszupicken und zu skandalisieren, während andere als "weniger wichtig" ohne öffentlichen Aufschrei dann vom Stadtrat durchgewinkt würden.

Das Bündnis gegen Kürzungen hatte sich gegründet, nachdem die Dresdner Neuesten Nachrichten die Sparpläne von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) als "Liste der Grausamkeiten" titelten. Die Verbände und Initiativen griffen das Schlagwort auf. Sie wollen gegen den möglichen Kahlschlag im gesamten Stadtgebiet kämpfen.

Männer-, Frauen und Seniorenzentren von Schließung bedroht

Von den geplanten Kürzungen der Mittel ist zum Beispiel das Väterzentrum "Papaseiten.de" in Dresden-Löbtau betroffen. Wie die Einrichtung mitteilte, steht die soziale Anlaufstelle nächstes Jahr im schlimmsten Falle vor der Schließung. Dabei leiste man wichtige Präventionsarbeit, unterstütze zum Beispiel Väter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagt Geschäftsführer Holger Strenz zur Bedeutung des Väterzentrums.

Wir sind eventuell ab April 2025 von der Schließung betroffen.

Christin Lewandowski Medea

Ähnlich sieht es beim Frauen- und Mädchengesundheitszentrum Medea in der Johannstadt aus, sagt dort Sozialarbeiterin Christin Lewandowski. "Wir sind eventuell ab April 2025 von der Schließung betroffen." Dabei biete man seit mehr als zwei Jahrzehnten Projekte zur Gewaltprävention, Müttergesundheit und Gleichstellung an.

Auch die vier Gerda-Demenzberatungsstellen in der Stadt stehen vor dem Aus. Dabei steige die Zahl alter Menschen mit jedem Jahr, sagt Ulla Klinger von der Gerda-Stelle in Gorbitz.

Mehr als 10.000 Unterschriften unter E-Petition

Alle Initiativen, Einrichtungen und Stellen sind wichtig für ein gutes Zusammenleben in Dresden. Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und gemeinsam gegen alle Kürzungen kämpfen", erklärt Sozialarbeiterin Dorit Hollasky vom Bündnis für Pflege. Neben verschiedenen Protestaktionen mit Flyern und Zusammenschlüssen im Netz gibt es eine Online-Petition bei der Stadt mit mehr als 10.000 Unterschriften gegen die Sparpläne. Auch sind in den kommenden Tagen Demonstrationen geplant.

Dicker Rotstift in der Jugendhilfe

Denn es geht um richtig viel Geld. Allein im Etat der Jugendhilfe für nächstes Jahr hat Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) 8,7 Millionen Euro bei den freiwilligen Leistungen herausgestrichen. Im Vorschlag der Verwaltung trifft es Ferienangebote, Beratungsstellen, Treffpunkte und vieles mehr.

Der größte Betrag von 1,5 Millionen Euro soll bei der Schulsozialarbeit eingespart werden. 20 Schulen in der Stadt wären betroffen und müssten teils ganz auf ihr Angebot verzichten. Für Jens Schuster, Schulleiter des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums war die Ankündigung ein Schock, sagt er im Gespräch mit MDR SACHSEN. Man habe erfolgreiche Schulsozialarbeit an den Schulen etabliert. "Strukturen, die man jetzt zerstört, lassen sich nicht so leicht wieder aufbauen, wenn das Geld einfacher da ist", warnt er.

Strukturen, die man jetzt zerstört, lassen sich nicht so leicht wieder aufbauen, wenn das Geld einfacher da ist.

Jens Schuster Schulleiter vom Nexö-Gymnasium

Grund für die ganzen Kürzungen sei nicht etwa die eingestürzte Carolabrücke, sagte Donhauser MDR SACHSEN, sondern Tarifsteigerungen bei den Personalkosten und wegbrechende Zuschüsse von Land oder Bund. Am morgigen Donnerstag bespricht der Jugendhilfeausschuss die Streichungen in erster Lesung. Lehrende und Mitarbeiter von Schulen sowie Schüler und Eltern haben zu einer Demonstration für dem Dresdner Rathaus aufgerufen. Eine weitere Demonstration ist am 21. November zur Stadtratssitzung angekündigt.

MDR (ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 05. November 2024 | 18:30 Uhr

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