Street Art trifft Romantik Ein Dresdner Künstler bringt Caspar David Friedrich in die Neustadt
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17. Juli 2024, 06:00 Uhr
Der Dresdner Streetart-Künstler Milchmann kreiert sogenannte "Paste-ups" – statt mit Spraydosen arbeitet er mit Leim und Papier. Eigentlich beschäftigt er sich mit DDR-Motiven, zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich widmet er sich aber auch dem bedeutendsten Künstler der deutschen Romantik. Seine Werke sind nun in einer kleinen Ausstellung zu sehen – und natürlich auf den Straßen der Dresdner Neustadt.
- Der Dresdner Streetart-Künstler Milchmann verarbeitet in seiner Kunst vor allem DDR-Motive.
- Zum Jubiläumsjahr widmet er sich nun Caspar David Friedrich, das zeigt eine kleine Ausstellung.
- Milchmann wurde mit seiner Kunst bereits ins Dresdner Albertinum eingeladen.
Der Künstler- und Deckname "Milchmann" ist an den Songtext einer US-Rock-Band angelehnt. Milchmann klebt seine Kunst an Häuserwände – sein Haupt-Kunstrevier sind die Fassaden des Szeneviertels Neustadt. In einem unüberhörbaren Dresdner Dialekt erklärt er: "Wände sind für mich Leinwand." Für ihn seien sie besser als Galerien, denn jeder, der wolle, könne so seine Kunst sehen. "Ich mag diesen Fame, der von der Straße kommt", sagt Milchmann und ergänzt, dass ihm Leute im Internet Fotos seiner Bilder aus Berlin oder Zürich zuschicken würden.
Wände sind für mich Leinwand.
Seine Collagen erstellt Milchmann daheim mit Filzstift, Schere, Kamera, Computer, Fotos und Papier. Im Dunkeln zieht er dann mit seinen Bildern los, ausgestattet mit Leim und Papier. Seine meist 30 bis 40 Zentimeter großen Paste-up-Motive bestehen aus Schnipseln aus DDR-Druckerzeugnissen: Fernseher, Waschmittel, Kekse und knallige Textilmuster, die er mixt und teils in Andy-Warhol-Manier dupliziert.
Obendrein nimmt sich Milchmann Spielzeugfiguren vom Flohmarkt für die künstlerische Weiterverarbeitung mit. Da gebe es zum Beispiel die roten 70er-Jahre Plastik-Affen mit beweglichen Gelenken oder die mechanischen Puppen zum Aufziehen. Der Dresdner zerlegt die Puppen und fügt sie zu Chimären seiner Phantasie zusammen: Herr im Frack mit Katzenkopf, Puppenkörper mit Fernseher als Schädel. Die Fotos davon erscheinen dann als Paste-ups an den Wänden oder auch an größeren Stromkästen. Dort muss er sich dann hinknien, um seine Kunst anzubringen – denn er arbeitet am liebsten auf "Hundehöhe". Die Kunst bleibt dort auch länger dran, wird nicht so schnell überklebt.
Caspar David Friedrich trifft auf urban art
Der Dresdner, Jahrgang 1978, stellt aktuell einen anderen, sehr viel berühmteren Dresdner in einen speziellen DDR-Pop-Art-Zusammenhang: Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag in den großen Museen gefeiert wird, ist nun auch ein Fall für die Straßenkunst. Milchmann sieht durchaus auch Parallelen zu sich selbst: "Der Caspar ist in den Wald gegangen, um seine Ruhe zu haben." Doch auch er bewege sich in einem Wald: "Für mich sind die Menschen der Wald. Deshalb gehe ich in den Menschenwald und schaue mir die Menschen an.“
Der Dresdner Autodidakt, seit rund 10 Jahren als Paste-up-Künstler unterwegs, versetzt Caspar-David-Friedrich-Köpfe beispielsweise in ein DDR-Betriebskollektiv oder lässt den Romantiker aus einem DDR-Fernseher schauen, umringt von Ikonen des Ost-Designs: Barock-Büroleim, Florena-Disco-Club-Deo-Spray, Tortelett-Kekse. Milchmann hat noch andere Street art-Kollegen ermuntert – und nun sind die Neo-Romantik-Werke in einem Plattenladen an der Rothenburger Straße zu sehen. "Art Meets Street" (deutsch: Kunst trifft Straße), heißt die kleine, witzige Schau.
Plattenladenbesitzer Tobias Hornung freut sich über das entstandene Kunst-Clash-Mashup. Dabei sei keine Idee blöd genug, um sie auf die Straße zu bringen. Das komme gut an, eins sei aber klar: "Die Straße ist die Bühne. Hier drin ist es nur einmal zusammengefasst und mal anders dargestellt."
Street art erobert das Dresdner Albertinum
Streetart-Künstler Milchmann hat sogar noch einen anderen Sprung geschafft. Mit einem seiner Caspar-David-Friedrich-Pop-Art-Bilder hat er sich vors Albertinum gestellt, ein Foto gemacht und dieses mit dem Text "Klopf, klopf, lasst mich rein" an die Chefs des Kunstmuseums gemailt. Tatsächlich meldete sich der Kurator für die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung zurück. Der habe ihn und seine Paste-ups kurzerhand eingeladen. "Privataudienz im Albertinum, was wollte ich mehr?", scherzt Milchmann. Dort sei der Kurator mit seiner Kunst "schmerzfrei vor den Bildern rumgesprungen" und Milchmann konnte noch ein schönes Foto machen.
Geld verdienen muss Milchmann mit seiner Streetart nicht. Ab und zu kauft jemand was von ihm, ein Paste-up auf Leinwand geklebt. Ansonsten, beteuert er, interessiere ihn der ganze Kunstmarkt einfach überhaupt nicht. Die Straße sei ihm die bessere Galerie.
Mehr Informationen zur Ausstellung
"Caspar David Friedrich. Art Meets Street"
Plattenladen GrooveAmt Records
Rothenburger Straße 24, 01099 Dresden
Während der Öffnungszeiten
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Juli 2024 | 17:10 Uhr