Ein junger Mann steht vor einem beigen Haus -  SPD-Stadtrat Leonhard Weist in Radebeul
Leonhard Weist will sich im Stadtrat von Radebeul um mehr als nur Jugendthemen kümmern. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nach der Kommunalwahl Leonhard Weist will für frischen Wind im Radebeuler Stadtrat sorgen

11. Juni 2024, 16:57 Uhr

Frischer Wind und SPD mag zurzeit auf den ersten Blick nicht richtig zusammenpassen. In Radebeul will der jüngste Stadtrat Leonhard Weist das Gegenteil beweisen. Gewählt mit 610 Stimmen will er sich für mehr Jugendbeteiligung engagieren. Politische Erfahrungen hat der 18-Jährige als Schülervertreter und in der Klimaschutzbewegung gesammelt. Dass er bei der SPD gelandet ist, liegt in der Tradition seiner Familie.

Ein scharfer Wind pfeift Leonhard Weist an diesem Morgen am Kulturbahnhof im Osten von Radebeul ins Gesicht. Trotz des kühlen Juni-Tages ist der junge Mann gut gelaunt. Vor zwei Tagen hat er bei der Kommunalwahl nach eigenen Angaben 610 Stimmen aus dem Stand heraus gewinnen können. Der 18-Jährige hat es für die SPD in den Stadtrat geschafft und ist zugleich jüngster Abgeordneter in der Stadt. "Gegen den Bundestrend haben wir als SPD in Radebeul zugelegt", sagt der junge Kommunalpolitiker selbstbewusst.

Gegen den Bundestrend haben wir als SPD in Radebeul zugelegt.

Leonhard Weist, SPD-Stadtrat in Radebeul

Über Klimaschutz und Schülervertretung in die Politik

Eloquent und mit wohl überlegten Worten berichtet er von seiner noch jungen Laufbahn. Über die Klimaschutzbewegung Fridays for Future sei er zur aktiven Politik gekommen. In der Stadt und insbesondere in der Schülerschaft ist Leonhard Weist kein Unbekannter. Immerhin hat er die Interessen der Schülerinnen und Schüler im Lößnitzgymnasium, im Kreis sowie auf Landes- und Bundesebene vertreten.

Obwohl dieses Engagement mit etlichen Freistellungen verbunden war, hat er sein Abi mit 1,8 in der Tasche. Im Stadtrat will er sich natürlich um jugendpolitische Themen kümmern. Er macht aber auch klar: Eigentlich müssten alle Politikfelder die Interessen der Jugend berücksichtigen. Er verweist beispielhaft auf Fragen der Mobilität - er kommt aus einer Familie überzeugter Fahrradfahrer - und auf bezahlbaren Wohnraum für junge Familien.

SPD-Jungpolitiker will Jugendliche mehr beteiligen

Was ihm besonders am Herzen liegt, ist mehr Jugendbeteiligung in der Kommunalpolitik. Die richtige Form müsse noch gefunden werden, sagt Leonhard Weist auf Nachfrage. Bei der Suche hofft er auf die Ideen der jungen Leute in der Stadt, sie müssten aktiv einbezogen werden und ihre Beteiligung auch aktiv einfordern. Er selbst sei als Vertreter der Schülerschaft schon einmal mit dem Versuch des Etablierens eines Jugendparlaments an der Rathausspitze gescheitert, sagt er.

In Radebeul ist Bert Wendsche (parteilos, kooperiert mit der CDU) seit 2001 Oberbürgermeister - seine Erstwahl war also drei Jahre, bevor Leonhard Weist in Dresden geboren wurde. Ein wenig frischer Wind täte Radebeul gut, sagt Leonhard Weist. Das hätten ihm auch ältere Wähler mit auf den Weg gegeben. Bisher gilt Radebeul als eher betuliches Städtchen mit Weinseligkeit, vielen Festen rund um Rebensaft und Karl May sowie einer durchaus kulturbeflissenen Bürgerschaft.

Menschen sitzen und gehen spazieren vor einem Weinlokal
Für sein Weinfest ist Radebeul bekannt. Veranstaltungen, die junge Leute ansprechen, gibt es hingegen kaum. Sie pendeln zum Vergnügen ins nahe Dresden. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

Mithelfen beim frischen Wind könnte dabei auch Maximilian Speidel. Er ist nur fünf Jahre älter als Leonhard Weist und für die CDU in den Stadtrat gewählt worden. Der junge SPD-Stadtrat jedenfalls zeigt sich gesprächsbereit. An OB Wendsche hat Leonhard Weist vor allem eine Erwartung: "Hören Sie uns zu." Dass er mit seinen 18 Jahren im Stadtrat nicht ernst genommen werden könnte, befürchtet der selbstbewusste Nachwuchspolitiker aber nicht.

Wir müssen junge Menschen auf Social Media abholen. Wir müssen junge Leute in den Schulen und darüber hinaus politisch bilden. Wir müssen junge Menschen mitbedenken. Sie sind die Zukunft hier in Radebeul, aber auch in der Bundesrepublik gesamt.

Leonhard Weist SPD-Stadtrat in Radebeul

Weist: Brandmauer der SPD zur AfD steht

Auf die Wahlerfolge der AfD angesprochen, räumt der SPD-Jungspund ein, dass es ihn nicht wundere, dass auch viele junge Leute die in Sachsen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei gewählt haben. Es gebe viel rechtes Gedankengut auch an den Schulen.

Und übrigens würden sich ein Interesse an Klimaschutz und Rechtspopulismus für manche junge Leute nicht ausschließen. Jugendliche suchten nach politischer Repräsentation. Und indem die AfD viele Themen - auch Klimaschutz - vereinnahme und auf Social Media thematisiere, fange sie junge Menschen ab und hole sie mit falschen Behauptungen ab. Wer mit dem Bus in Radebeul fährt, könne fast immer Jugendliche mit Kleidung sehen, die auf deren rechte Gesinnung hinweise. "Wir müssen die jungen Leute politisch bilden."

Leonhard Weist plädiert dafür, mit gewählten AfD-Volksvertretern im Stadtrat zu reden. "Mit uns von der SPD wird aber nicht an der Brandmauer gerüttelt, wir machen keine Absprachen mit der AfD", stellt Leonhard Weist klar.

Im Wahlkampf hat der junge Politiker am eigenen Leib höchst undemokratische Erfahrungen machen müssen. Auf seinem privaten Telefon habe er einen Anruf erhalten, bei dem er persönlich bedroht und beleidigt wurde. Die Täter sind ermittelt, das Verfahren läuft.

Ein junger Mann steht vor einem beigen Haus -  SPD-Stadtrat Leonhard Weist in Radebeul
Leonhard Weist meint, für Kinder und Jugendliche zwischen dem Spielplatzalter und der Clique mit dem ersten Bierchen werde zu wenig in Radebeul geboten. Das zu ändern, will er mithelfen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Familie seit Generationen Sozialdemokraten

Dass Leonhard Weist ausgerechnet in der SPD seine politische Heimat gefunden hat, ist kein Zufall. Seine Familie habe eine lange sozialdemokratische Arbeitertradition. So sei sein Vater, Thomas Weist, in einer kinderreichen Familie in Hannover aufgewachsen. Am Sonntag wurde der Jurist bei einer Krankenkasse ebenfalls für die SPD in den Radebeuler Stadtrat gewählt. Vom Parteieintritt seines Filius habe er seinerzeit übrigens erst 14 Tage später erfahren. "Mein Vater hat mich nicht in die Politik gedrängt", sagt er. Über politische Themen gesprochen, wurde in der Familie aber immer.

Nach seiner Botschaft an seinen Parteifreund und Bundeskanzler Olaf Scholz gefragt, sagt Weist: "Passe auf, wie es weitergeht und flirte nicht mit rechten Ideen." Unter Genossen duzt man sich. Der junge Radebeuler denkt bei seiner Mahnung insbesondere an die diskutierten Abschiebungen von Schwerstkriminellen nach Afghanistan. Ein drohendes Ende der traditionsreichen Volkspartei SPD kann Leonhard Weist übrigens nicht erkennen, sagt er auf Nachfrage. Nun startet der Jungsozialist zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr bei einem Bundestagsabgeordneten seiner Partei in Berlin, hat dabei regelmäßig Arbeitstage in Radebeul eingeplant.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 11. Juni 2024 | 14:30 Uhr

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