Nach Festnahme von AfD-Mitarbeiter Interview: Warum Chinesen zu Informanten für die Partei werden
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24. April 2024, 16:03 Uhr
Jian G., ein Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah, ist wegen möglicher Spionage für China verhaftet worden. Jian G. ist gebürtiger Chinese und lebt seit mehr als 20 Jahren in Dresden. Er hatte zeitweise Kontakte zum Chinesisch-Deutschen Zentrum. Warum man ihm dort mit Vorsicht begegnete und was es bedeutet, ein Informant für China zu sein, erklären Andreas Opfermann, Gründungsmitglied des Zentrums, und die Vorstandsvorsitzende Hongfeng Yang im Interview mit MDR SACHSEN.
Herr Opfermann, woher kennen Sie Jian G.?
Andreas Opfermann: Wir kennen G. Jian durch unsere Veranstaltungen, die wir im Verein durchführen. Er ist dort das eine oder andere Mal als Teilnehmer aufgetaucht.
Was hat er für einen Eindruck auf Sie gemacht?
Er verhielt sich etwas anders als andere Chinesen, die doch sehr zurückhaltend sind. Er hat sich sehr stark für die Belange und Arbeit des Vereins interessiert. Speziell hat er sich für unsere QiGong-Kurse (eine traditionelle chinesische Meditationsform, Anm. d. Red.) interessiert und für die Teilnehmer an diesen Kursen.
Warum gerade diese Kurse?
Das mag daran liegen, dass wir eine QiGong-Schule praktizieren, die in China verboten ist. Es handelt sich dabei um eine von 13 dort verbotenen QiGong-Schulen. Diese Schule ist in der traditionellen chinesischen Kultur verhaftet und darf im Rest der Welt glücklicherweise problemlos praktiziert werden.
Sie sind Jian G. mit Vorsicht begegnet, warum?
Als gelernter DDR-Bürger hat man so seine Instinkte. Dieses spezielle und verstärkte Interesse für die Dinge, die der Verein macht, war doch recht außergewöhnlich, weil andere Chinesen sich nicht so neugierig geben. Sie sind eher zurückhaltend.
Was sagen Sie zum aktuellen Spionagevorwurf Jian G.s?
Das ist schwer einzuschätzen. Aber möglicherweise war er doch etwas höher angebunden. Denn im Nachhinein haben auch wir erfahren, dass er sich wohl dem deutschen Verfassungsschutz angedient hatte, der aber abgelehnt hatte, unter dem Vorbehalt, dass wohl Doppelspionage im Hintergrund steht.
Ist mögliche Spionage ab und an mal ein Thema im Verein?
Ja. Manche Chinesen, die zu unseren Veranstaltungen gekommen sind, haben extra darum gebeten, dass bestimmte andere Leute, die in der chinesischen Community als mögliche Informanten bekannt waren, ausgeladen werden. Damit keine Informationen von den Veranstaltungen und über die Teilnehmer nach Peking gelangen.
Das hat der Verein aber nicht getan?
Nein. Wir als überparteilicher und überreligiöser Verein sind offen für alle. Wir schließen niemanden aus. Wenn man Informanten befürchtet, muss man seine eigenen Konsequenzen ziehen: entweder nichts sagen oder die Veranstaltung verlassen. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier Staatsschutz zu spielen.
Chinesisch-Deutsches Zentrum e.V. in Dresden
* Das Chinesisch-Deutsche Zentrum wurde 2003 in Dresden gegründet.
* Es hat seinen Sitz in Altstrehlen.
* Der Verein widmet sich nach eigenen Aussagen der Pflege und Bewahrung der Werte Ehrlichkeit, Mitgefühl und Toleranz der traditionellen, chinesischen Kultur und dem Austausch zwischen den chinesischsprachigen Menschen und der Mehrheitsgesellschaft Deutschlands.
* In unterschiedlichen Veranstaltungen werde versucht, die persönlichen Erfahrungen der Menschen beider Länder zusammenzuführen.
* Es gibt unter anderem Kurse in QiGong, Wushu und Bogenschießen.
Frau Yang, warum werden Chinesen zu Informanten?
Hongfeng Yang: Das heutige China ist so wie die ehemalige DDR. Man wird schon in der Schule dazu gebracht, der kommunistischen Partei zu dienen und dem System die Treue zu schwören. Unter dieser patriotischen Erziehung tut man eigentlich alles für das Land. Nach der Schule geht es weiter: In der Hochschule werden manche als informelle Mitarbeiter rekrutiert – sogar mit großer Zeremonie und der Aussage, dass man etwas Gutes für das Land tut. Manche geben Informationen ohne zu bedenken, dass das schadet.
Dabei geht es nicht nur um Informationen aus dem Ausland?
Solche Spione sind nicht nur am Westen interessiert. Es geht auch um die Beobachtung oder sogar die Kontrolle der eigenen Landsleute im Ausland.
Wurden Sie als Informant auch rekrutiert?
Nein. Ich wurde nicht als informeller Mitarbeiter rekrutiert. Aber ich war Pionier und in der chinesischen Jugendliga. Aber man kann sich aus diesem Zwang befreien – mit einer Stellungnahme, dass man aus der Jugendliga und sogar der Partei austritt. Man kann sogar diese informelle Mitarbeit verneinen. Die Stellungnahme kann man als Beweismittel für die Zukunft verwenden.
Das klingt nach einem großen bürokratischen Akt...
Die Stellungnahme kann man online machen. Man kann sie sogar anonym abgeben und danach kriegt man eine eindeutige Nummer – wie unsere Personalausweisnummer. Und wenn man es braucht, bietet die Online-Plattform sogar noch ein Zertifikat an. Dieses Zertifikat wird zum Beispiel vom Einbürgerungsbüro in Amerika akzeptiert. Die Online-Plattform wurde von Chinesen außerhalb Chinas extra für die eigenen Landsleute erstellt.
Wie wirkt sich der aktuelle Spionageverdacht des AfD-Mitarbeiters Jian G. auf die chinesische Community aus?
Die Community in Dresden hat große Sorge. Man hat Angst, dass jeder Chinese als Spion abgestempelt wird. Dabei ist nicht jeder Chinese ein informeller Mitarbeiter oder sogar Spion. Der große Teil hier sind intelligente, fleißige Studenten oder Wissenschaftler. Und die Chinesen mögen die informellen Mitarbeiter oder Spione auch nicht. Weil sie auch die eigenen Leute beobachten. Die Community hier will ein freies Leben in Deutschland.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. April 2024 | 19:00 Uhr