TSMC Fabrik in Nanjing, China
Im Dresdner Norden soll eine neue Chip-Fabrik für rund zehn Milliarden Euro entstehen. Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Dresden-Niederlassung Reaktionen auf TSMC-Standort: "Mittelstand lässt man im Regen stehen"

08. August 2023, 17:52 Uhr

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist hocherfreut über die Entscheidung des Chipherstellers TSMC, eine Niederlassung in Dresden aufzubauen. Für Oberbürgermeister Dirk Hilbert zeigt sich, dass die Landeshauptstadt ein bedeutsamer Technologiestandort sei. Aus der Wirtschaft und der Wissenschaft regt sich aber auch Unmut über die teure Subventionspolitik des Bundes, die auch mit Abwasser zusammenhängt.

Es sei eine wunderbare Nachricht für Sachsen, Deutschland und ganz Europa. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wählt große Worte, um die heutige Ankündigung des taiwanischen Chipherstellers TSMC zu kommentieren, sich in Dresden niederzulassen.

"Der Bau einer komplett neuen Halbleiterfabrik wird Europas größtes Mikroelektronikcluster, Silicon Saxony, und den gesamten Wirtschafts- und Technologiestandort Sachsen weiter stärken und so für einen kräftigen Wachstumsschub sorgen", sagt Kretschmer. Zudem würde die Großinvestition nach Ansicht des CDU-Politikers für mehr europäische Souveränität und technologische Unabhängigkeit sorgen. Er ist nicht der einzige, der sich über die Niederlassung freut. Überwiegend sind es positive Reaktionen auf die Nachricht des TSMC-Werks in Dresden.

Der Bau einer komplett neuen Halbleiterfabrik wird Europas größtes Mikroelektronikcluster, Silicon Saxony, und den gesamten Wirtschafts- und Technologiestandort Sachsen weiter stärken.

Michael Kretschmer Sächsischer Ministerpräsident

Dulig wünscht sich sichtbare Willkommenskultur

Zehn Milliarden Euro soll die neue Fabrik im Dresdner Norden insgesamt kosten, die vor allem Chips für die Automobilbranche herstellen soll. Die Fabrik entsteht gemeinsam mit Bosch, Infineon und NXP, die mit jeweils zehn Prozent am Bauvorhaben beteiligt sind. Der Bund subventioniert die neue Fabrik mit fünf Milliarden Euro, die sich aus dem EU Chip Act speisen, mit dem die Europäische Union die europäische Halbleiterproduktion stärken will.  

"Wir benötigen Halbleiter, um die brennenden Herausforderungen unserer Zeit zu meistern: Digitalisierung, Energiewende, Elektromobilität, Künstliche Intelligenz", sagt Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) über die TSCM-Ansiedlung. Um die Investition abzusichern, benötige Sachsens motivierte und gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland, sagt Dulig und wünscht sich eine sichtbare Willkommenskultur, damit eine "nachhaltige Integration dieser Menschen gelingt".

Azubis üben an Wänden für Elektroinstallation das Anschließen von Pumpen und Reglern.
Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch

Dresden wichtiger Standort bei Halbleiterproduktion

Auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert sieht mit der Niederlassung, die rund 2.000 Arbeitskräfte schaffen soll, eine "steigende Nachfrage nach ÖPNV- und Wohnungsangeboten", für die es Lösungen bräuchte. Gleichzeitig lobt Hilbert das Tech-Ökosystem aus innovativen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen in Dresden, das auf internationale Konzerne eine große Anziehungskraft ausstrahle.

"Dresden hat sich in den vergangenen Jahren zum wichtigsten europäischen Standort für die Chipfertigung gemausert", sagt MDR Wirtschaftsredakteur Ralf Geißler. Bereits in der DDR gab es erste Chipfabriken in der Landeshauptstadt, nach der Wende kamen weitere Unternehmen wie Bosch, Infineon und Global Foundries hinzu. Mittlerweile kommt laut Angaben der Sächsischen Staatskanzlei jeder dritte in Europa produzierte Chip aus dem Silicon Saxony mit mehr als 70.000 Beschäftigten.

Der TSMC-Chef CC Wei bezeichnet Europa als einen "vielversprechenden Ort" für Innovationen im Halbleiterbereich. "Wir freuen uns darauf, diese Innovationen mit unserer fortschrittlichen Siliziumtechnologie und Talenten in Europa zum Leben zu erwecken", sagt Wei. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) freut sich ebenfalls über die Investition von TSMC. "Das zeigt: Deutschland ist ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Standort, gerade auch bei Schlüsseltechnologien wie der Mikroelektronik", sagte Habeck.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Pläne von TSMC als Beleg dafür, dass Deutschland trotz schlechter Konjunkturdaten Investoren anzieht. "Deutschland entwickelt sich wahrscheinlich zu dem großen Standort für die Halbleiterproduktion in Europa", sagte Scholz. Auch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, sieht das geplante Werk positiv. Die Ansiedlung werde Europa unabhängiger von asiatischen Importen machen, sagte Schneider dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Kritik von Linken und Branchenverband

Nicht überall herrscht über die angekündigte Niederlassung Partystimmung. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Nico Brünler, warnt davor, dass die hohe Fördersumme nicht zu Kürzungen beim Sozialen und in der Bildung führen dürfe.

Zudem wäre laut Brünler derzeit noch unklar, ob TSMC tarifgebunden sein werde. In den USA gibt es Kritik an den Arbeitsbedingungen an TSMC-Standorten. Einige Angestellte würden demnach zehn Stunden und mehr pro Tag arbeiten müssen. Auch die angeblich strenge Hierarchie wird bemängelt.

Der Branchenverband "Der Mittelstand BVMW" kritisiert die geplante Subvention in Höhe von fünf Milliarden Euro:

"Es ist keinem Unternehmer in Deutschland mehr vermittelbar, warum den Großen milliardenschwere Begrüßungspakete geschnürt und großzügige Ausgleichszahlungen für die hohen deutschen Strompreise gewährt werden, während man den Mittelstand im Regen stehen lässt", sagt BVMW-Vorsitzender Christoph Ahlhaus. Der Verband fordert daher, den Strompreis für alle Unternehmen in Deutschland auf ein "wettbewerbsfähiges Niveau" zu deckeln.         

Es ist keinem Unternehmer in Deutschland mehr vermittelbar, warum den Großen milliardenschwere Begrüßungspakete geschnürt und großzügige Ausgleichszahlungen für die hohen deutschen Strompreise gewährt werden.

Christoph Ahlhaus Vorsitzender "Der Mittelstand BVMW"

Chip-Industrie benötigt viel Wasser

Das Thema Abwasser könnte ebenfalls noch für Streit sorgen. Die Halbleiterindustrie benötigt enorme Mengen Wasser zur Kühlung ihrer Systeme. Laut der Dresdner Stadtentwässerung sind die jetzigen Chip-Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab für 93 Prozent der Industrie-Abwässer in der Landeshauptstadt verantwortlich. Die Abwassermenge aus der Chipindustrie entspricht etwa dem Verbrauch von 250.000 Einwohnern und Einwohnerinnen, Tendenz steigend.

Dresdens OB Hilbert sagte dazu während einer heutigen Pressekonferenz: "Die Kapazitäten, die in den Dresdner Nordraum fließen, werden sich ungefähr verdoppeln und ungefähr 50 Prozent des gesamten städtischen Volumens bei Strom, Wasser und Abwasser ausmachen."

Die TSMC-Niederlassung wird also große Auswirkungen auf die bisherige Infrastruktur der Stadt haben. Das kann besonders das Elbwasser betreffen, das von der Industrie mitgenutzt wird. Der Leiter des Instituts für Grundwasserwirtschaft Andreas Hartmann warnt davor, dass diese Herangehensweise nur eine Übergangslösung sei und irgendwann Engpässe auftreten könnten. Langfristig sollten geschlossene Systeme aufgebaut werden, sagt Hartmann.   

Die Stadt hat bereits angefangen, das Kanalnetz zu erweitern. Rund 70 Millionen Euro kostet ein Großprojekt im Dresdner Stadtteil Kaditz, mit dem das Kanalnetz über einen rund zehn Kilometer langen neuen Hauptkanal entlastet werden soll. Künftig soll das Abwasser direkt von den Gewerbegebieten zur nächstgelegenen Kläranlage geleitet werden. Neben dem Altstädter und Neustädter Abfangkanal würde somit ein dritter großer Abfangkanal in Dresden entstehen.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. August 2023 | 12:36 Uhr

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