Blaues Fahrzeug
Aufgrund ihres Aussehens können die Miniautos mit einem echten Pkw verwechselt werden. Dabei ähneln sie eher dem Moped. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Verkehr Zwischen Freiheit und Risiko: Microcars als Alternative für Jugendliche und Senioren?

27. April 2025, 08:00 Uhr

Sie sehen aus wie kleine Autos, dürfen schon Menschen ab 15 Jahren gefahren werden und sollen eine sichere Alternative zum Moped sein - sogenannte Microcars. Ein Unfall im sächsischen Schneeberg Anfang des Jahres hat kritische Fragen zur Sicherheit dieser Miniautos aufgeworfen. MDR SACHSEN ist der Frage nachgegangen, wie sicher die Fahrzeuge tatsächlich sind.

Anfang Februar dieses Jahres in Schneeberg im Erzgebirge: An einer Kreuzung kommt es zu einem Unfall. Zwei junge Frauen im Alter von 16 und 17 Jahren werden verletzt, von einem Transporter eingeklemmt in ihrem Microcar. Die Feuerwehr muss beide mit schwerem Gerät freischneiden. Der Transporterfahrer bleibt unverletzt.

Unfall mit Microcar und Transporter in Schneeberg Anfang Februar 2025
Im Februar hat es in Schneeberg einen Unfall zwischen einem Microcar und einem Transporter gegeben. Die jugendlichen Insassen mussten mit speziellem Gerät befreit werden. Bildrechte: Niko Mutschmann

Minderjährig am Steuer eines Autos? Das geht, denn Microcars - oder Leichtkraftfahrzeuge - benötigen in Deutschland lediglich einen Mopedführerschein. Deshalb sind sie besonders für Jugendliche von Interesse, denn man darf sie ab 15 Jahren fahren. Sie sind in der Regel maximal 45 km/h schnell und können eine Alternative zu herkömmlichen Autos bieten. So sicher wie Autos seien sie deshalb aber nicht, sagt Henrik Liers, Geschäftsführer der Verkehrsunfallforschung (VUFO) der TU Dresden GmbH im Gespräch mit MDR SACHSEN.

Wenn Unfall, dann schwer

Laut Liers sind Microcars bei Kollisionen mit schwereren Fahrzeugen wie Pkws oder Lkws deutlich benachteiligt. Die Tatsache, dass diese Fahrzeuge keine Knautschzonen besitzen und oft nur mit einem Sicherheitsgurt ausgestattet sind, erhöhe das Risiko schwerer Verletzungen erheblich. "Der Gurt ist eben das einzige, worauf man sich verlassen kann", sagte Liers.

Sie sind also nicht ansatzweise so sicher wie echte Pkw im Vergleich zum Moped.

Henrik Liers Geschäftsführer der Verkehrsunfallforschung
Henrik Liers 1 min
Bildrechte: Denise Wallner
1 min

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Do 06.03.2025 16:15Uhr 00:38 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/audio-microcars-verkehr-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Genaue Anzahl? Unbekannt

Wie viele Microcars in Sachsen unterwegs sind - und wie viele in Unfälle verwickelt waren - weiß man nicht genau. Die Polizeidirektionen in Sachsen führen keine spezielle Statistik für Unfälle mit Microcars, sondern für drei- und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge gleichermaßen. Eine Differenzierung sei nicht möglich, hieß es auf Anfrage.

Microcars werden auch nicht klassisch zugelassen, sondern benötigen lediglich ein Versicherungskennzeichen, sagt Henrik Liers von der Verkehrsunfallforschung. Dadurch gebe es keine verlässlichen Zahlen über die genaue Anzahl der Microcars auf Sachsens Straßen. Liers schätzt, dass sie nur einen sehr kleinen Anteil - im Bereich von wenigen Promille - aller zugelassenen Fahrzeuge ausmachen.

In den letzten 25 Jahren wurden laut Liers in den VUFO-Erhebungen rund um Dresden lediglich etwa 30 Microcars dokumentiert, während mehr als 23.000 normale Pkws erfasst wurden. Dies verdeutliche, dass Microcars in der Region relativ selten seien und nur sporadisch im Stadtbild auftauchen.

Blick auf das Cockpit 1 min
Bildrechte: MDR/Konstantin Henß
1 min

Noch einmal kleiner als ein Kleinwagen: Das sind sogenannte Microcars. Maximal 45 Kilometer pro Stunde schnell dürfen sie fahren - also vor allem ein urbanes Ding? Wir haben einen Autohändler besucht.

MDR FERNSEHEN Di 22.04.2025 09:57Uhr 00:43 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/video-gefahr-microcar-moped-auto-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Vor allem Lösung für Stadtverkehr

Liers hält Microcars vor allem für eine Lösung für den urbanen Verkehr. Gegenüber den Pkw hätten sie "den Vorteil, dass sie kleiner sind, was bei der Parkplatzsuche hilft in Innenstädten oder auch in engen Parkhäusern. Und sie verbrauchen auch etwas weniger, weil sie kleiner und leichter sind. Das heißt, sie sind eigentlich für Nutzer für den Stadtverkehr konzipiert", erklärte Liers im Gespräch weiter.

Darüber hinaus haben sie eine Berechtigung für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, die keinen Pkw-Führerschein besitzen. Auch diejenigen, die auf dem Land wohnen und keine ÖPNV-Anbindung haben, könnten von einem Leichtkraftfahrzeug profitieren.

Front des Microcars namens Rosalie
Aufgrund ihrer Größe und Bauart sehen viele Microcars eher putzig aus. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Snowfield Photography | D. Kerlekin

Dresdner Forschung für ein EU-Projekt (zum Ausklappen)

Im Rahmen eines EU-Projekts wird an der Schaffung einer neuen Fahrzeugklasse, der sogenannten M0-Klasse, gearbeitet, um die Lücke zwischen den immer größer und schwerer werdenden M1-Pkws und den derzeit unzureichend geschützten Microcars zu schließen. Verkehrsunfallforscher Liers betont, dass es einen wachsenden Bedarf an kleinen, elektrisch betriebenen Fahrzeugen gebe, die sowohl umweltfreundlich als auch sicher sind. Gleichzeitig sollten diese kleinen Fahrzeuge in der Lage sein, auch auf Landstraßen und gegebenenfalls Autobahnen zu fahren.

Die Dresdner Verkehrsunfallforschung beteiligt sich aktiv an diesem Projekt, indem sie die EU-Kommission berät. Ziel ist es, spezifische Dimensionen, Gewichte und Geschwindigkeiten für die neuen Fahrzeuge festzulegen sowie verbindliche Sicherheitsanforderungen zu definieren. Liers hebt hervor, dass diese M0-Klasse unter den regulären Pkws angesiedelt sein wird, jedoch deutlich über den aktuellen Leichtkraftfahrzeugen steht, die bislang ohne umfassende Sicherheitsstandards auf dem Markt sind.

Teurer Witterungsschutz?

Als entscheidenen Vorteil der Microcars gegenüber der Moped hebt Liers hervor: "Man ist durch den Witterungsschutz besser gegen die Widrigkeiten der Natur wie Regen, Niederschlag und Hagel geschützt als mit einem Moped."

Er hinterfragt jedoch auch das Interesse junger Menschen an diesen Fahrzeugen: "So wirklich cool sitzt man dann in so einem kleinen Fahrzeug dann doch nicht. Die sehen ja auch teilweise etwas lustig aus", findet Liers. Er glaube daher, dass Jugendliche eher auf beispielsweise einer Simson unterwegs sein wollen, bis sie mit 17 Jahren begleitet Pkw fahren dürfen.

Dort sieht Liers auch den Zusammenhang: "Es ist, glaube ich, auch deswegen nicht so ein großes Phänomen auf unseren Straßen, weil eben für junge Leute der Einstieg in die Mobilität dann doch lieber erst mal noch zwei, drei Jahre Moped und ein richtiger Pkw immer noch erstrebenswert ist".

Ein Mann steht ah einer geöffneten Wagentür 1 min
Bildrechte: MDR/Konstantin Henß
1 min

Noch einmal kleiner als ein Kleinwagen: Das sind sogenannte Microcars. Maximal 45 Kilometer pro Stunde schnell dürfen sie fahren - also vor allem ein urbanes Ding? Wir haben einen Autohändler besucht.

MDR FERNSEHEN Di 22.04.2025 09:57Uhr 00:45 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/video-gefahr-microcar-moped-auto-102.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Was sagt ein Leipziger Händler?

Trotz der begrenzten Zahl dieser Fahrzeuge gibt es einige Hersteller, die verschiedene Modelle anbieten. So zum Beispiel der französische Autobauer Aixam. Neben dem Coupé, dem City Sport oder dem Crossline, wird laut Hersteller auch ein Nutzfahrzeug angeboten. Das ist besonders bei Ausbildungsbetrieben beliebt, die ihren Lehrlingen eigenständiges Fahren zu Baustellen ermöglichen wollen, weiß Holger Pfeifer, Verkaufsleiter bei einem Aixam Vertriebspartner in Leipzig.

Die Modelle würden zwischen 10.000 und 18.000 Euro kosten, je nach Ausstattung. Hinzubuchbar sei zum Beispiel ein ABS, aber auch verschiedene Soundsysteme. Außerdem könne man bei den meisten Modellen zwischen Verbrenner und Elektromotor wählen. Wieso es keine Airbags gibt, ist auch Pfeifer ein Rätsel.

Ausgestellte Fahrzeuge
Ein Händler aus Leipzig hat sich auf die Leichtkraftfahrzeuge der Marke Aixam spezialisiert. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

15-Jährige und Rentner sind Interessenten

Die meisten Interessenten, die zu ihm kommen, sind seinen eigenen Angaben nach 15-jährige Jugendliche und Rentner. Die einen würden sich ein Microcar zulegen, weil der Sportverein weiter weg sei und die Eltern keine Lust mehr hätten, als Taxi herzuhalten. Und die anderen würden sich für ein solches Gefährt entscheiden, weil es einen normalen Pkw für die kleinen Fahrten zum Arzt oder Einkaufen nicht mehr zwingend brauche. Dadurch, dass das Auto maximal 45 km/h fährt, würden sich besonders Rentner sicherer fühlen, so Pfeifer.

Transportfahrzeug
Aixam bietet auch einen kleinen Transporter an. Autosteuer, sowie Haupt-und Abgasuntersuchung fallen bei solchen Microcars weg. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Händler: Alternative zum Moped, nicht zum Pkw

Pfeifer sagte MDR SACHSEN weiter, viele Leute würden den Fehler machen, das Microcar mit einem Pkw zu verwechseln. Das sei nicht der Fall. Es stelle eine Alternative zu einem Moped dar und eben nicht zu einem Pkw, den man ab 18 Jahren steuern darf. Denn im Gegensatz zu einem Moped, ist - ist sich Pfeifer sicher - ein Microcar doch die sicherere Variante.

Es ist kein kein Auto im klassischen Sinne. Es ist ein Leichtmobil. Es ist eher als Alternative zum Moped zu sehen.

Holger Pfeifer Verkaufsleiter Aixam Vertriebspartner Leipzig

Transporter mit Microlino Microcars auf einer Autobahn
Nur so dürfen die sogenannten Microcars auf die Autobahn - auf einem Transporter. Nur Fahrzeuge, die mindestens 60 km/h fahren können, sind auf deutschen Autobahnen zugelassen. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Snowfield Photography | D. Kerlekin/Snowfield Photography

ADAC Sachsen: Keine gesetzlichen Anforderungen bei Sicherheit

Auch der ADAC Sachsen warnt vor den spezifischen Unfallrisiken, die mit diesen Fahrzeugen verbunden sind. Sie werden oft fälschlicherweise als reguläre Pkw wahrgenommen, was dazu führe, dass andere Verkehrsteilnehmer ihr Fahrverhalten und Tempo überschätzen. Die Insassen dieser Leichtkraftfahrzeuge sind bei Unfällen nur unzureichend geschützt.

Der ADAC empfiehlt daher eine verstärkte Karosserie sowie zusätzliche Sicherheitsfeatures wie Airbags, um das Risiko für die Insassen zu minimieren. Zudem weist der ADAC darauf hin, dass Leichtkraftfahrzeuge beim Thema Crashsicherheit keinen gesetzlichen Anforderungen unterliegen, was die Sicherheit weiter gefährde.

Unfall mit Microcar und Transporter in Schneeberg Anfang Februar 2025
Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen mit Microcars. Bildrechte: Niko Mutschmann

ADAC-Tests "teils ernüchternd"

Die allgemeine Verkehrssicherheit von Leichtkraftfahrzeugen auf sächsischen Straßen wird als eher bedenklich eingeschätzt. Zwischen 2006 und zuletzt 2018 wurden mehrere Generationen dieser Mopedautos Fahrtests unterzogen. "Die Ergebnisse waren teils ernüchternd, denn selbst die damals modernsten Fahrzeuge lieferten kein wirklich zufriedenstellendes Ergebnis bei den Sicherheitsausstattungen", hieß es.

Obwohl Microcars überall dort fahren dürfen, wo Mofas zugelassen sind, birgt ihre Nutzung auf Straßen mit höherem Verkehrsaufkommen zusätzliche Risiken. Der ADAC empfiehlt Fahranfängern dringend spezielle Fahrtrainings, um sich besser mit den besonderen Fahreigenschaften dieser Fahrzeuge vertraut zu machen. Aufgrund geringer Nachfrage fehlen allerdings entsprechende Schulungsangebote.

MDR (sme/koh/ben)

Mehr aus Sachsen