Nach Kinderkrankheiten Neue Dresdner Straßenbahnen sollen jetzt zuverlässiger fahren
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15. Dezember 2022, 17:03 Uhr
Es war kein richtiger Fehlstart, aber auch keine Glanzleistung für das Image des ÖPNV. Mindestens eine der bislang zwei neuen Straßenbahnen der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) sollte eigentlich seit Wochen im echten Liniendienst erprobt werden. Stattdessen stand sie mehr in der Werkstatt. Viele Fahrgäste, dichte Haltestellenfolge und Ampeln waren zu viel für die Technik der Bahn. Der Hersteller hat nachgebessert, die DVB lassen die Tram ab Montag wieder auf Fahrgäste los - oder andersherum.
- Straßenbahnen können laut Hersteller und Verkehrsbetriebe nur im Netz unter echten Bedingungen getestet und optimiert werden.
- Ein Display steigt aus und Ampeln springen nicht um.
- Die Tatra-Bahnen sollen 2023 aufs Abstellgleis geschickt werden und aus dem Liniendienst verschwinden.
Die Dresdner und ihre "Elektrische" haben eine innige Beziehung. Kein Wunder, dass die Stadtbahnen der neuesten Generationen bei der Präsentation Ende November regelrecht gestürmt wurden. Auf so viel Zuneigung waren die Züge mit dem sperrigen Namen NGT DX DD aus dem Hause Alstom gar nicht vorbereitet. Nach wenigen Stunden im direkten Kundenkontakt machten sich Kinderkrankheiten bemerkbar und die zunächst zwei Bahnen wurden zur Nachbesserung in den Betriebshof nach Gorbitz beordert. Statt täglich auf der Linie 2 Fahrgäste zu befördern, standen sie fortan die meiste Zeit in der Werkstatt. Das soll sich ab Montag wieder ändern.
Hersteller bessert im Rahmen der Gewährleistung nach
Der Straßenbahnchef bei den DVB, Holger Seifert, sagte während einer Präsentationsfahrt am Donnerstag, dass die Kinderkrankheiten vom Hersteller als Garantieleistung geheilt worden seien. Man habe an einigen Stellschrauben gedreht, um die Bahnen für den Einsatz im Dresdner Netz fit zu machen. Die DVB betonen, dass solche Nacharbeiten während des Probebetriebs etwas ganz normales seien. Allerdings sollte dieser Probebetrieb ursprünglich vor einem Jahr starten. Doch es gab Zulassungsprobleme.
Auch bei der Einführung der ersten Generation der Stadtbahnen 1996 und beim Start der zweiten Generation 2003 seien kleinere Störungen erst beim echten Betrieb mit Fahrgästen aufgefallen und beseitigt worden. Jedes städtische Straßenbahnnetz habe seine Eigenheiten, auf welche Bahnen abgestimmt werden müssten. Feinjustierungen könnten nicht auf einem Testring beim Hersteller gemacht werden, sondern nur in dem Netz, wo die Bahnen fahren sollen.
Zu viele Informationen für ein Display
Konkret gab es drei Hauptprobleme bei den neuesten Stadtbahnen. Ein Display in der Fahrkabine fror ein, weil zu viele Informationen hätten nicht verarbeitet werden können - so etwa zeitgleich gedrückte Haltewunschtasten. Alstom spricht von einem Software-Fehler, der behoben wird. Bis dahin kann der Straßenbahnfahrer oder die -fahrerin im Störungsfall das Display ausschalten und innerhalb von 30 Sekunden wieder hochfahren. Laut Alstom würden in einer solchen modernen Bahn die Daten von 140 Schaltgeräten über 13.000 Kabelverbindungen verarbeitet.
Bahnen können sich bei Ampeln nicht anmelden
Zwei weitere Probleme stehen in keinem direkten Zusammenhang zu Fahrgästen: So habe sich gezeigt, dass die Bahnen bei der automatischen Anmeldung an Ampeln mit der Dresdner Technik nicht einwandfrei kommunizierten. Und auch zwischen den Haltestellen gab es technische Schwierigkeiten, weshalb automatische Ansagen und Anzeigen nicht störungsfrei liefen. Alle Probleme habe man nun beseitigt, hieß es. Zu keiner Zeit habe es Auswirkungen auf die Sicherheit der Stadtbahnen gegeben.
Bis Jahresende fünf neuen Stadtbahnen in Dresden
Die Fahrschulausbildung auf den neuen Zügen läuft seit Tagen wieder. Ab Montag kehrt ein erster Zug von früh bis abends auf die Linie 2 in den Fahrgastbetrieb zurück. Die DVB gehen davon aus, dass bis Jahresende ein zweiter neuer Stadtbahnwagen in den Linienbetrieb gehen wird. Zwei weitere Züge sollen dann zugelassen und zunächst für die Ausbildung des Fahrpersonals genutzt werden. Eine fünfte Stadtbahn wird vom Hersteller in Bautzen in wenigen Tagen nach Dresden geliefert. Bis Ende kommenden Jahres sollen alle 30 bestellten Stadtbahnen in Dresden sein und im Liniendienst stehen. Sie bieten mehr Platz, erstmals Klimaanlage und Wlan sowie USB-Ladestationen.
Das kosten die neuen Stadtbahnen Im August 2019 hatte die DVB den Schienenfahrzeughersteller Bombardier Transportation - heute Alstom - mit dem Bau der neuen Stadtbahnen beauftragt. Die Kosten pro Fahrzeug belaufen sich auf etwa 4,2 Millionen Euro. Das gesamte Investitionsvolumen einschließlich Herstellung, Service und langfristiger Wartung beträgt rund 197 Millionen Euro. Für den Kauf der Stadtbahnen reicht der Freistaat Sachsen 102,8 Millionen Euro Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) an die DVB aus. DVB AG
Tatras sollen 2023 aus Linienbetrieb ausscheiden
Unter den neuen Bahnen sind auch neun sogenannte Zweirichtungsfahrzeuge mit Türen auf jeder Seite und zwei Fahrerkabinen. Zwar haben die DVB auf allen ihren Linien Wendeschleifen an den Endhaltestellen. Allerdings können die Zweirichtungsfahrzeuge beispielsweise auch während Baustellen fahren, wenn die Endstelle mit Wendeschleife zeitweise nicht erreichbar ist.
Voraussichtlich 2023 wird auch das Ende der letzten Tatra-Straßenbahnen im Liniendienst kommen. Diese tschechoslowakischen Bahnen, die seit 1964 in Dresden fahren, genießen bei Bahnfans Kultstatus. Auch sie wurden anfangs ausgiebig getestet und optimiert, seit Anfang der 1990er-Jahre auch modernisiert. Ebenfalls im kommenden Jahr sollen die ersten drei Stadtbahnwagen der ersten Generation aufs Abstellgleis rollen - vorausgesetzt, die neuen Züge bewähren sich zuverlässig. Die DVB jedenfalls gehen davon aus, dass die neuen Bahnen keineswegs ein Fehlkauf waren und im Dresdner Netz mehr Fahrgäste zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV bewegen werden.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 15. Dezember 2022 | 19:00 Uhr