Von Blindheit bis zu Knochenbrüchen Marta hilft kranken Tieren: Wenn die Mitbewohner 13 Tauben sind
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03. November 2024, 11:20 Uhr
Jeder kennt sie, die wenigsten mögen sie und die Vorurteile ihnen gegenüber halten sich bis dato hartnäckig: Stadttauben. Man sagt ihnen unter anderem nach, dass sie vermehrt Krankheiten übertragen und Innenstädte verschmutzen. Dass das Problem größtenteils menschengemacht ist, wissen dabei die wenigsten. Füttern oder aktive Hilfe ist vielerorts verboten und doch gibt es hier und da Menschen, die sich davon nicht abhalten lassen und helfen. So wie Marta aus Dresden.
Alles fing laut Marta vor etwa drei Jahren mit einer Taubenreportage im Fernsehen an. Dort habe sie viel Neues über Tauben erfahren. Sie sei total verdutzt gewesen, als sie erfuhr, dass es vielen Tauben sehr schlecht gehe, sie eigentlich gar nicht auf die Straße gehören und sie den Ruf als Krankheitsüberträger nicht verdient hätten. Marta bestellte direkt einen Sack Körnerfutter, um den Tauben zu helfen. Doch das sollte erst der Anfang ihrer Karriere als Taubenretterin sein.
Ich wollte meinen Beitrag leisten, dass es den Tauben ein bisschen besser geht.
Aus einer werden fünf, werden 13
Kurze Zeit später habe ihr Sohn ein hilfloses Taubenküken auf seinem Schulweg gefunden. Die beiden hätten es nicht übers Herz gebracht den Vogel dort liegen zu lassen, nahmen ihn erstmal mit nach Hause und brachten ihn ein paar Tage später dann zu einer Pflegestelle der Taubeninitiative Dresden. Kurze Zeit später habe Marta dann selbst die Pflege einer kranken Taube übernommen. Aus dem Hobby ist mittlerweile eine richtige Berufung geworden und sie ist selbst aktives Mitglied in der Taubeninitiative.
Hobby ist es schon fast gar nicht mehr. Es ist irgendwie ja irgendwie Berufung schon geworden.
Mehr als 100 Tauben hat Marta ihren eigenen Angaben nach seither gepflegt. Aktuell leben 13 Tauben bei ihr in der Wohnung. Von Blindheit bis hin zu Knochenbrücken ist bei ihren fliegenden Patienten alles dabei.
Medizinisches Wissen selbst beigebracht
Einen medizinischen Hintergrund hat Marta nicht. Viele der Behandlungen müsse man sich selbst beibringen, aber es gäbe auch jederzeit Tierarztpraxen, die helfen würden. Der Verein stünde ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite. Laut Marta bekommen Interessierte eine Art medizinischen Grundkurs und eine gewisse Grundausstattung samt Futter und Halteboxen bereitgestellt.
50 Menschen im Taubenverein
Von den aktuell 50 Mitgliedern im Verein nehmen in etwa 15 Leute regelmäßig kranke Tiere auf, so Marta. Nicht jeder traue sich dabei alles zu - beispielsweise einen offenen Bruch zu behandeln.
Mit der Behandlung mancher Probleme kommt nicht jeder klar. Man muss sich langsam rantrauen.
Auch Marta hat ihren eigenen Angaben nach anfangs Berührungsängste gehabt. Aber irgendwann würde man in die Aufgaben reinwachsen und am Ende sei man froh, wenn man einem Tier helfen konnte. Dass man am Ende ein Ergebnis sieht, ist für Marta einer der Hauptantriebe für ihr Engagement.
Das ist schon schon toll. Das ist, glaube ich auch der Antrieb, dass man sich das Ganze irgendwie gibt und zu sehen, dass man irgendwie geholfen hat und ein Ergebnis sieht.
Den "Ratten der Lüfte" helfen
Dass die allermeisten Leute ein negatives Bild von Tauben haben, weiß Marta. "Ratten der Lüfte" werden sie häufig genannt. Auch sie habe anfangs so gedacht. "Tauben übertragen aber nicht mehr und nicht weniger Krankheiten als andere Vögel." Etwaige Kritik, dass sie "Schädlingen" ein Zuhause gibt, weist sie daher von sich. Aus ihrer Sicht trägt sie dazu bei, das Leid der Tauben zu minimieren.
Marta erzählt, dass die Probleme, die viele Leute mit den Tieren hätten, menschengemacht seien. Menschen hielten Tauben über die Jahrhunderte hinweg aufgrund ihres Fleisches, düngten ihre Felder mit deren Kot oder nutzten ihr Heimfindevermögen zur Orientierung. Tauben gelten als durch den Menschen domestizierter Vogel.
Mittlerweile hätten sich Taube und Mensch jedoch entfremdet. Doch die Tauben seien geblieben und zwar dort, wo es die Möglichkeit auf Nahrung gebe: in Innenstädten. Dort würden sie allerdings oft vertrieben, gejagt und Fütterungsverbote gebe es ebenfalls. Eigentlich gelten die Tiere als Eigentum der Stadt, von denen sie allerdings wenig bis gar keine Aufmerksamkeit bekommen und sich dadurch unkontrolliert vermehren, so Marta.
Die Stadttaubeninitiative und Mitglieder wie Marta wollen dem etwas entgegensetzen. Sie versuchen die Taubenpopulation vermindern. In sogenannten Taubenschlägen, eigens für Stadttauben geschaffene Rückzugsorte, können Tauben nisten und brüten. Die dort gelegten Eier tauschen Marta und andere Freiwillige gegen Attrappen aus. In einem der Schläge haben sie ihren eigenen Angaben nach in diesem Jahr fast 2.000 Eier getauscht. Für Marta 2.000 Tiere weniger, die auf Dresdens Straßen leiden müssen.
Umso weniger Tauben auf der Straße sind, umso weniger müssen sich tagtäglich durchkämpfen und man kann dann halt mehr Tauben in Schlägen irgendwie artgerecht gehalten und es möglich machen, dass sie so leben können, wie sie es verdient haben.
Tierschützer zwiegespalten
Lisa Kainz, Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie von PETA Deutschland, steht der Pflege kranker Tauben durch ärztliche Laien zwiegespalten gegenüber. Ihrer Auffassung nach kann es dazu kommen, dass Menschen Tiere bei sich zu Hause aufnehmen und dann nicht adäquat versorgen. Im schlimmsten Falle könne diese falsch verstandene Tierliebe im qualvollen Tod der Tiere enden.
Das gelte aber nicht für gut informierte Menschen, die sich mit vogelkundigen Praxen und Experten vernetzten. Ein viel größeres Problem sieht auch sie aber in der Anzahl an hilfsbedürftigen Tauben sowie zu wenigen Taubenschlägen.
Lisa Kainz krisitiert Stadtverwaltungen, die weder ein adäquates Taubenmanagement aufbauen, noch ausreichend betreute Taubenschläge zur Verfügung stellen. Weitere Probleme sieht sie im "egoistischen Verhalten von Brieftaubenzüchterinnen" und deren Sport, bei dem immer wieder geschwächte Tiere in Städten landen würden.
Es braucht ausreichend betreute Taubenschläge in der Kombination mit tierschutzgerechter Vergrämung, damit möglichst viele Tauben in die Schläge einziehen und dort ihre Eier durch Attrappen getauscht werden können.
Was passiert beim Brieftaubensport? (zum Ausklappen)
- Brieftaubensport gilt als traditionelles Hobby. Eine Taube versucht dabei, aus beliebigen Entfernungen in ihren Heimatschlag und zu ihrem Züchter zurückzufinden.
- Laut Verband Deutscher Brieftaubenzüchter gibt es bundesweit 58.000 Züchter, die mehrere Millionen Tauben halten. Die Tauben müssten Strecken zurücklegen, die teilweise immer länger werden - bis zu 1.000 Kilometer.
- Dabei nehmen Züchter Verluste von bis zu 30 Prozent ihrer Vögel hin. Die Tauben sterben entweder unterwegs oder verirren sich in andere Städte.
Stadt weist Schuld von sich
Die Stadt Dresden sieht sich selbst nicht in der Pflicht, sich um Tauben zu kümmern. Stadttauben sind aus ihrer Sicht Wildtiere und werden daher nicht durch die Stadt betreut. Es obliege den Dresdnerinnen und Dresdnern selbst, wildlebende Tiere bei Krankheit zur Pflege zu Hause aufzunehmen, um sie im Anschluss wieder in Freiheit zu entlassen. Städte wie Berlin sehen das anders und stufen Stadttauben als Haustiere ein. Diesem Urteil schließen sich auch einige Biologen an.
Um die Überpopulation der Tauben einzudämmen trifft die Stadtverwaltung Dresden nach eigenen Angaben verschiedene Maßnahmen. Unter anderem würden Nist- und Sitzmöglichkeiten für Stadttauben minimiert, Futterstellen wie offene Mülleimer würden eingeschränkt und "Tauben-Hotspots" würden durch das Fütterverbot vermieden. Außerdem sind laut der Stadtverwaltung Turmfalkennistkästen an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet angebracht worden. Diese seien nicht primär zur Regulierung der Taubenpopulation, würden diese aber verschrecken und vertreiben.
Eine finanzielle Unterstützung der Taubeninitiative seitens der Stadt Dresden gibt es nicht. Das bestätigt auch Taubenliebhaberin Marta.
Mit Vorurteilen aufräumen
Und so kämpft Marta auch drei Jahre nach Beginn ihres eher ungewöhnlichen Hobbys für das Tierwohl der Tauben. Die Resonanz gegenüber den Vögeln sei in der Bevölkerung nach wie vor sehr negativ. Dadurch sei es schwer, für die Tauben etwas Gutes rauszuholen. Doch Marta gibt nicht auf und möchte künftig noch mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Diese Reportage wurde erstmals am 27.10.2024 veröffentlicht.
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