
Welt im Dunkeln? Grundschulkinder erleben den Alltag von Blinden und Sehbehinderten
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15. März 2025, 10:00 Uhr
Eine Welt ohne Farben und Formen: Für Menschen, die sehen können, unvorstellbar - für Sehschwache und Blinde ist sie Alltag. In einer Dresdner Grundschule haben Kinder ihre Welt erkundet - dort ist es gar nicht so dunkel wie erwartet.
Es ist eine Exkursion in ein fremdes Land, auf die sich die Drittklässler der Grundschule in Dresden-Plauen an diesem Morgen begeben – dabei verlassen sie auf der Reise mit Daniel Martin und Bianca Weigert vom Blinden- und Sehbehindertenverband nicht einmal ihr Schulgelände.
"Ihr habt ja bestimmt schon mal durch ne Klorolle geguckt, um ein Fernrohr zu simulieren. Wenn Ihr da durchguckt, habt Ihr auch nur noch einen Kreis – und so kann ich auch nur noch gucken mit meinem rechten Auge. Mein linkes Auge ist schon so gut wie kaputt", erklärt Daniel Martin vom Blinden- und Sehverband Sachsen den aufmerksamen Kindern. An seinem Arm trägt er eine gelbe Armbinde mit drei schwarzen Punkten - eine sogenannte Blindenarmbinde.
Bianca Weigert kennt Farben noch aus ihrer Kindheit
Die Grundschulkinder sitzen im Stuhlkreis und hören gespannt zu. Besonders spannend: Blindenhündin Lizzy. Sie gehört Bianca Weigert, die ebenfalls im sächsischen Blinden- und Sehbehindertenverband aktiv ist. Sie erzählt: "Ich konnte als Kind mal ein bisschen sehen, Farben und so – aber das ist kaputt, weg. Dafür habe ich ja die Lizzy, die, wenn ich unterwegs bin, auf mich aufpasst." Lizzy ist auch für die Kinder eine Türöffnerin in die Welt ohne das Sehen.
Blinde und Mode - Wie sucht ihr eure Anziehsachen aus?
Die Kinder haben jede Menge Fragen - etwa zum Thema Mode, wie Elsa überlegt: "Es ist bestimmt auch schwer, welche Kleidung Ihr anzieht." Daniel Martin zeigt einen kleinen Kasten. "Das ist ein sogenanntes Farberkennungsgerät" Er hält es an seine Hose und das Gerät verrät ihm "blasses mittelgrau-blau".
Welt im Dunkeln? Kinder sammeln eigene Erfahrungen
Und dann können die Kinder selbst einmal ausprobieren wie es ist, mit einer schweren Augenerkrankung zu leben. Dafür bekommen die Kinder spezielle Brillen, deren Gläser zum Teil stark eingetrübt sind. Theresa beschreibt: "Man sieht ein bisschen hell und alles andere ist eher dunkel".
Auch Magda probiert Brillen aus. So die Welt wahrnehmen, die Welt erkunden und genießen – nicht leicht, aber möglich, findet Penelope: "Ich mache es zum ersten Mal und das ist schon komisch, wenn man nicht weiß, wo die anderen sind." Beysan findet: "Ich mache das auch das erste Mal. Es ist sehr einfach, dass man die Dinge auch wissen kann, auch wenn man blind ist."
Außerdem probieren die Kinder im Klassenzimmer Taststöcke mit Kugelspitzen. Sie helfen blinden Menschen, in ihrer Umgebung Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Beim Gehen mit geschlossenen Augen lassen die Kinder den Stock nach links und rechts pendeln und tasten mit ab, ob der Weg frei ist.
Empathie aufbauen, Berührungsängste abbauen
Auch wie das mit Blindenhündin Lizzy funktioniert, können die Schüler und Schülerinnen hier erleben. Lehrerinnen Tina Kortmann ist der Besuch von Daniel Martin, Biance Weigert und Hündin Lizzy ein Herzensanliegen: "Mir ist es wichtig, dass die Kinder erstmal einen Einblick bekommen, wie sehbeeinträchtigte Menschen ihre Lebenswelt wahrnehmen und entsprechend auch in Verständnis und eine Empathie dafür entwickeln und Berührungsängste vor allem abbauen."
Für eine Welt ohne Farben und Formen, in der Töne und Gerüche viel wichtiger werden - und Berührungen.
MDR (kav)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 14. März 2025 | 19:00 Uhr