Theater, Museum, Bibliothek Von Leipzig bis Dresden: Neun Kultur-Angebote für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung

In der Buchstadt Leipzig befindet sich das Zentrum für barrierefreies Lesen, wo Literatur für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich gemacht wird – entweder zum Tasten oder zum Hören. Bücher mit hoher Nachfrage werden dort schon seit Jahren in Punktschrift übertragen und können im gesamten deutschsprachigen Raum ausgeliehen werden. Selbst Musiknoten finden sich in der umfangreichen Sammlung. Das gestiegene Interesse an Audioproduktionen hat die Arbeit der Bibliothek in den vergangenen Jahren massiv vereinfacht, denn inzwischen gibt es viele Bücher auch gleich als Hörbuch-Variante. Aber auch noch heute werden Bücher auf Wunsch eingelesen. Außerdem gibt es regelmäßig Veranstaltungen, wo sich Menschen vernetzen können oder Hilfsangebote vermittelt werden.  

Bereits seit fast zehn Jahren bietet das Leipziger Schauspielhaus ausgewählte Vorstellungen mit Live-Audiodeskription an. Vor der Vorstellung können Menschen mit Sehbehinderung sich anmelden und erhalten eine kurze Führung über die Bühne, bei der sie Kostüme und Bühnenelemente betasten können. Zudem gibt es eine besondere Einführung, die die optische Erscheinung der Figuren vorstellt. Ein Team hat die Proben begleitet und Bildbeschreibungen für die Inszenierungen entwickelt. Um auf die aktuelle Vorstellung reagieren zu können, liest eine Person die Beschreibung live vor, die das interessierte Publikum über Kopfhörer mithören kann. 

Das Museum der bildenden Künste in Leipzig konzentriert sich in seiner Sammlung auf die Romantik und die Moderne nach 1950. Im zweiten Stock gibt es zahlreiche Werke, beispielsweise von Max Klinger oder Caspar David Friedrich. Im oberen Stockwerk sind Arbeiten von Leipziger Künstlerinnen und Künstlern aus der DDR-Zeit und danach versammelt. Das Bildermuseum versucht, Inklusion in allen Bereichen mitzudenken. Dafür gibt es gleich im Eingangsbereich verschiedene Orientierungspunkte, wie einen Lageplan zum Abtasten. Dort sind auch die "MdbK [hubs]" – so nennt das Museum die Stationen vor ausgewählten Bildern, die für verschiedene Bedürfnisse Informationen bieten. So gibt es Tastreliefs, die den Bildaufbau nachspüren lassen und eine Bildbeschreibung im Hörformat. Für Sonderausstellungen bietet das Museum zudem regelmäßig Führungen an, die sich speziell an Menschen mit Sehbehinderungen richten, um die Ausstellungen zu erkunden. 

Am Museum der bildenden Künste Leipzig ermöglichen Tastreliefs, den Bildaufbau von Kunstwerken nachzuspüren. Bildrechte: Katharina Blach

Schon seit einigen Jahren arbeitet das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen mit dem lokalen Blindenverband zusammen. In Absprache bieten sie ähnlich wie im Schauspiel Leipzig zu ausgewählten Inszenierungen Audiodeskriptionen an. Beim alljährlichen Sommertheater beispielsweise gibt es immer eine Vorstellung mit AD-Angebot für Menschen mit Sehbehinderung. 

Das Schöne an der Oper ist, dass man sie allein mit den Ohren genießen kann. Vielleicht sind auch deswegen Angebote für Menschen mit Sehbehinderung im Musiktheater eher selten. Dennoch hat die Dresdner Semperoper angekündigt, ab der Spielzeit 2023/24 auch ausgewählte Vorstellungen mit Audiodeskription anzubieten. Wie genau das realisiert werden soll, daran wird aktuell gearbeitet. Auch das Staatsschauspiel in Dresden bietet gelegentlich Vorstellungen mit Audiodeskription an. 

An der Semperoper Dresden sind Vorstellungen mit Audiodeskription geplant. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden präsentieren ihre Schätze in mehreren Museen in der Elbestadt, darunter befinden sich beeindruckende Werke wie das Lesende Mädchen von Vermeer oder die Sixtinische Madonna von Raffael. Regelmäßig werden Führungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen angeboten. Neben Angeboten in Leichter Sprache und mit Gebärden gibt es so auch Führungen für Menschen mit Sehbehinderung, die mehr als Bildbeschreibungen bieten. Interessierte können auch abseits von angebotenen Terminen eine Führung anfragen. 

Das Deutsche Hygienemuseum will seinem Publikum ein neues Verständnis vom Körper vermitteln. So versteht es sich als ein Museum für alle und um diesem Anspruch gerecht zu werden, gibt es verschiedene Angebote. Das Kindermuseum bietet die Möglichkeit, verschiedene zu erforschen: Dazu gehören unter anderem der Tastsinn in einem Dunkeltunnel, der auch von Menschen mit Sehbehinderung begangen werden kann. Zudem sind viele Ausstellungsstücke auch in Punktschrift beschriftet oder werden als Audio vorgestellt. Im Museum werden auch gelegentlich Tastführungen angeboten. Und: In den regelmäßigen Hörführungen müssen Interessierte nicht einmal anwesend sein – sie werden per Telefonschaltung mit durch das Museum genommen, wo ihnen die Ausstellung beschrieben und erklärt wird. 

Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen vor allem Werke der klassischen Moderne, die sich durch klare Formen und leuchtende Farben auszeichnen. Im Kunstmuseum am Chemnitzer Theaterplatz sowie im Museum Gunzenhauser können ausgewählte Gemälde als Reliefbilder erfahren werden. Dafür wird das Bild nachempfunden, in verschiedene Bereiche aufgeteilt, die mit verschiedenen Oberflächen versehen sind. Über eine Legende an der Seite kann so nachvollzogen werden, aus welchen Formen und Farben das Werk besteht. Diese Tastbilder sind auch Teil der multisensorischen Ausstellungserkundung, die weitere Bildbeschreibungen liefert. 

Bereits im frühen 19. Jahrhundert wurde in Görlitz ein Naturkundemuseum geschaffen und bis heute erzählt das Senckenberg Museum von Erkenntnissen über die Natur. Die Ausstellung kann von Menschen mit Sehbehinderung selbstständig erkundet werden. Der gesamte Ausstellungsbereich ist mit einem Bodenleitsystem ausgestattet, das Orientierung bietet. Über einen Audioguide können Interessierte Informationen zur Ausstellung erhalten und anhand von Tastmodellen auch zentrale Ausstellungsstücke mit den Händen nachvollziehen. 

Im Görlitzer Senckenberg-Museum gibt es mehrere Tastelemente. Bildrechte: Christian Düker