Gesundheit Unter Kostendruck – "Jede zehnte Apotheke in Sachsen schreibt rote Zahlen"
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26. April 2024, 05:00 Uhr
Steigende Kosten und Personalmangel bringen Apotheken in eine wirtschaftlich prekäre Lage. Das hat auch Folgen für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung - Sachsens Apotheker schlagen erneut Alarm. Doch noch ist die Versorgung nicht überall schlecht, wie eine Umfrage von MDR SACHSEN in der Dresdner Neustadt ergeben hat.
Dresden Königsbrücker Straße. Hier mitten in der Neustadt gibt es im Umkreis von ein paar hundert Metern vier Apotheken – insgesamt neun für den gesamten Stadtteil. Für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung ist das geradezu ideal. Doch wie rechnet sich das noch wirtschaftlich – angesichts des wachsenden Kostendrucks und Honoraren, die seit vielen Jahren nicht erhöht wurden? "Mit ganz viel persönlichem Einsatz, mit viel Spaß im Team, mit der Hingabe zum Patienten, dass man die gut betreuen kann", sagt die Eigentümerin der Lindenapotheke Ines Maren Rogus. Aber eigentlich sei sie einmal anders angetreten als Pharmazeutin - um Menschen zu helfen.
Rogus beteiligt sich wie viel andere an der bundesweiten Aktionswoche der Apotheken "Wir sehen rot". "Wir erklären uns solidarisch, weil man uns jetzt auch noch die Einkaufskonditionen - sprich die Skonti kürzen möchte." Auch in Dresden müssten viele Apotheken in den nächsten Jahren schließen, befürchtet Rogus.
Apothekerverband: Jede zehnte Apotheke in Sachsen schreibt rote Zahlen
Sachsenweit sei in den letzten 15 Jahren etwa jede zehnte Apotheke geschlossen worden, so der Sächsische Apothekerverband. Aktuell gebe es noch 895. Und die Prognosen für die Zukunft sind noch dramatischer: "Jede zehnte Apotheke in Sachsen schreibt bereits rote Zahlen, weitere dreißig Prozent gelten als gefährdet." Die bisher bekannten Pläne zur geplanten Apothekenreform würden die derzeitige Lage noch "massiv verschlechtern", beklagt der Verband.
Als Gründe der Entwicklung im Freistaat nannte der Verband steigende Kosten bei seit 20 Jahren "nahezu gleichbleibendem Festhonorar", Mangel an pharmazeutischen Fachkräften und anhaltende Lieferengpässe, die "einen enormen Mehraufwand" verursachten
Zurück nach Dresden-Neustadt. Nur zweihundert Meter von der Lindenapotheke entfernt, an der Ecke Bischofsweg, ist die Schauburgapotheke. Diese wird seit 2023 von Mohammed Dhamen geführt. Seine Apotheke profitiere von der guten Lage in der Neustadt mit Laufkundschaft, vielen Praxen und einem Ärztehaus, sagt Dhamen.
Auch die Versorgung in der Neustadt insgesamt bewertet er derzeit noch als gut, auch wenn eine Apotheke in diesem Jahr schließen werde. "Wenn eine fehlt, können die Menschen einfach zur nächsten Apotheke gehen." Schwieriger sei die Situation auf dem Land, wo 20 bis 30 Kilometer zwischen Apotheken lägen. "Wenn man ein Kind hat, das Fieber hat, wird man die Arznei nicht bei einer Internetapotheke bestellen. Und das kommt dann zwei, drei Tage später".
Auch er kritisiert deshalb die Politik der Bundesregierung und wünscht sich bessere Rahmenbedingungen, um die Versorgung der Menschen mit Medikamenten zu sichern. "Vielleicht müssen auch ein paar Politiker krank werden, um das besser zu verstehen."
Zweihundert Meter und zwei Ecken weiter ist die St. Pauli-Apotheke im Hechtviertel, die seit 2007 von Grita Harb geleitet wird. "Bei mir ist die Apotheke stabil", sagt Harb. Sie kenne aber Apotheken in Dresden, die geschlossen hätten oder nicht verkauft werden konnten vom Inhaber: "Wer eine ungünstige Lage hat oder wenn Ärzte wegziehen, wird´s problematisch."
Doch auch bei ihr mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar: "Man nimmt im Grunde genommen, denjenigen der kommt und ist froh darüber". Das sei früher anders gewesen. "Da hatte man zumindest auf eine Bewerbung die Auswahl."
In der Zukunft sieht Gritta Harb den selbstständigen Apotheker eher als Geschäftsmann: "Der Apotheker, der wie ich früher mal am Start war: 'Ich rühre meine Salben, ich versorge meine Kunden.' Das wird wohl so nicht bleiben". Gute Chancen hätten dann große Apotheken oder Apotheken-Verbünde, die personell flexibel seien und auch gegenüber dem Großhandel anders auftreten könnten, um bessere Konditionen zu bekommen. "Kleine oder kleinere Apotheken werden es schwer haben."
Der Apotheker, der wie ich früher mal am Start war: 'Ich rühre meine Salben, ich versorge meine Kunden.' Das wird wohl so nicht bleiben.
MDR (kbe/ane)