Auf einem Smartphone ist die geöffnete App «Das E-Rezept» zu sehen, während im Hintergrund eine Apothekerin in einer Apotheke an einem Regal steht.
Die Kinderkrankheiten des E-Rezeptes sorgen bei manchen Apothekerinnen und Apothekern derzeit für Sorgenfalten auf der Stirn. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam

Digitalisierung Zwickauer Apothekerin verzweifelt an neuem E-Rezept

15. April 2024, 09:56 Uhr

Die Digitalisierung erfasst immer mehr Bereiche unseres Alltags. Für gute Laune sorgt das nicht in jedem Fall. So plagt sich eine Apothekerin aus Zwickau im Moment mit den Kinderkrankheiten des E-Rezeptes herum. Fällt die IT aus, kann sie ihre Kunden nicht mit Medikamenten versorgen. Nicht jeder hat dafür Verständnis. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist auch Thema bei "Fakt ist!" am Montag im MDR FERNSEHEN.

Wenn die Zwickauer Apothekerin Daniela Hänel über das E-Rezept nachdenkt, bekommt sie schlechte Laune. "Politik und Softwareanbieter finden das alles ganz toll, aber wir an der Basis in den Apotheken werden mit den Problemen alleingelassen", ärgert sich Hänel und führt gleich mehrere konkrete Beispiele an: "Die Telematik fällt oft aus. Wir haben fast jede Woche Störungen. In dieser Zeit können wir unsere Kunden nicht mit Medikamenten versorgen. Nicht jeder hat dafür Verständnis."

So gebe es durchaus dramatische Situationen im Notdienst, in denen Mütter vorbeikämen, die für ihr krankes Kind mit hohem Fieber ein Antibiotikum benötigten.

Wir haben fast jede Woche Störungen. In dieser Zeit können wir unsere Kunden nicht mit Medikamenten versorgen. Nicht jeder hat dafür Verständnis.

Daniela Hänel Zwickauer Apothekerin

Apothekerin bekommt Ärger der Kunden ab

"Ohne eine funktionierende digitale Infrastruktur bin ich aber aufgeschmissen. In solchen Situationen bin ich dann die Böse, obwohl ich ja auch nichts machen kann." Neben dem vollständigen Ausfall des Systems gebe es manchmal auch Schwierigkeiten im Zusammenspiel mit den Ärzten. "Nicht jede Praxis loggt sich jeden Tag ein. Wenn der Arzt das Rezept aber nicht signiert, lässt es sich im System nicht abrufen", erklärt die Apothekerin.

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Schwierig seien für sie auch pragmatische Lösungen, beispielsweise wenn eine 20er-Packung eines Medikaments verordnet wurde, aber nur zwei Zehner-Packungen in der Apotheke erhältlich seien. "Auf dem alten rosa Rezept konnte ich solche Änderungen handschriftlich vermerken und die Sache war geklärt. Wenn ich das jetzt beim E-Rezept digital machen will, besteht immer das Risiko, dass alles gelöscht wird."

E-Rezept nicht ausgiebig getestet

Trotz des Ärgers über diese Kinderkrankheiten des E-Rezeptes sei Daniela Hänel nicht grundsätzlich gegen die Digitalisierung. Sie hätte sich nur einen anderen Weg gewünscht. "Das E-Rezept gibt es ja schon seit 2022. Wir hatten aber keine Möglichkeit, die Abläufe unter Volllast zu üben." Bis Anfang dieses Jahres hätten die Ärzte kaum E-Rezepte verschrieben. Erst jetzt, wo ihnen Budgetkürzungen drohten, habe sich das geändert, sagt Hänel.

Eine Frau mit dunklem Haar und hellem Sacko schaut in die Kamera.
Melanie Wendling glaubt an die Digitalisierung im Gesundheitswesen und geht davon aus, dass die anfänglichen Schwierigkeiten schnell überwunden werden. Bildrechte: Bundesverbandes Gesundheits-IT

Ich sehe den Start des E-Rezeptes zwar nicht als gescheitert an, aber ich würde auch sagen, dass wir in Deutschland solche Dinge viel zu kurz und zu wenig testen.

Melanie Wendling Geschäftsführerin des Bundesverbandes Gesundheits-IT

Die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Gesundheits-IT, Melanie Wendling, könne den Ärger über eine zu kurze Testphase verstehen. "Ich sehe den Start des E-Rezeptes zwar nicht als gescheitert an, aber ich würde auch sagen, dass wir in Deutschland solche Dinge viel zu kurz und zu wenig testen." Ähnlich sei das bei der elektronischen Patientenakte, die am 15. Januar 2025 starten soll. "Durch diesen Termin ist die Testphase schon vordefiniert. Und technisch umgesetzt wird es sicherlich in dieser Zeit, aber ich halte den Testzeitraum für zu kurz", sagt Wendling.

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Digitalisierung nicht auf Knopfdruck

Abgesehen davon wirbt sie dafür, eher die Chancen zu sehen und nicht nur die Probleme und Risiken. "Ich bin dagegen, alles schlecht zu reden. Vielmehr sollten wir begreifen, dass Digitalisierung nicht so abläuft, dass ich auf den Knopf drücke und es funktioniert. Man muss sich mit den Prozessen beschäftigen und man muss tatsächlich auch seine Prozesse ein wenig verändern. Das gehört in der Arztpraxis dazu und das gehört in der Apotheke dazu. Es ist immer erst ein Aufwand, die Erfolge kommen dann später", sagt die Geschäftsführerin.

Probieren statt studieren

Hinderlich findet Wendling bei dem Prozess vor allem den deutschen Perfektionismus. "Wir neigen dazu, 130-prozentige Lösungen zu machen. In anderen Ländern fange man einfach mal an, probiert aus und lernt dazu." Eine Alternative zur Digitalisierung gibt es aus ihrer Sicht ohnehin nicht. "Wir werden sonst das schlechtbehandeltste Volk der Welt sein", malt sie ein Schreckensszenario an die Wand. Gerade in Gegenden, wo es keine Ärzte mehr gebe, weil diese keine Nachfolger mehr fänden, biete die Digitalisierung in Gestalt von Telemedizin einen Ausweg.

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Sa 16.09.2023 16:22Uhr 00:32 min

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Zusammenführung von Daten als Chance

"Ich kann zum Beispiel selbst meine Haut fotografieren und der Arzt wertet sie dann mit Hilfe von künstlicher Intelligenz aus", benennt Wendling ein Szenario. Sie erwartet, dass der Mehrwert der Digitalisierung sichtbar wird, wenn das Zusammenspiel von E-Rezept und elektronischer Patientenakte erst einmal etabliert ist. "Es steht dann drin, welche Krankheit ich bei welchem Arzt habe, sodass ich umfassend behandelt werden kann. Außerdem werden auch die Wechselwirkungen verschiedener verschriebener Medikamente besser sichtbar."

Apothekerin Daniela Hänel, die in Zwickau acht Mitarbeiter beschäftigt, ist da noch skeptisch. Ihr würde es zunächst reichen, wenn das IT-System stabil funktioniert. "Die Apotheken in Deutschland haben etwa drei Millionen Kundenkontakte pro Tag. Wenn da nur eine Stunde die IT ausfällt, können wir eine sechsstellige Zahl an Menschen nicht versorgen", gibt Hänel zu bedenken.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | FAKT IST! | 15. April 2024 | 22:10 Uhr

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