Ausländische Fachkräfte So tritt ein sächsischer Handwerksbetrieb der Personalnot entgegen

09. Februar 2023, 18:30 Uhr

Handwerker sind rar gesät - ein Umstand, der bekannt ist und sich sobald wohl nicht ändern wird. 70 Prozent der sächsischen Elektro- und Sanitärinstallationsbetriebe werden von Inhabern geführt, die 55 Jahre oder älter sind. Nach Einschätzung der sächsischen Handwerkskammer wird nicht einmal die Hälfte von ihnen übernommen und fortgeführt werden. Dabei ist gerade dieses Gewerbe krisenfest und eine Unternehmensübernahme potenziell der Anfang einer Erfolgsgeschichte wie der von Nick Dietrich.

Nick Dietrich, 31 Jahre alt, nicht sehr groß, smart gekleidet und durchaus wortgewandt, ist der Geschäftsführer der ND-Versorgungstechnik in Lichtenstein. Die ND-Versorgungstechnik ist ein Zusammenschluss aus den Unternehmen, die Dietrich in den vergangenen acht Jahren übernommen hat, weil ihre Inhaber in Rente gingen oder verstarben. "Die fünf, sechs Unternehmen waren schon seit den 90er-Jahren im Bereich Elektroinstallation und Heizung- und Sanitärtechnik tätig", erzählt der gelernte Schlosser für Hybridtechnik, der als Quereinsteiger ins Handwerk gekommen ist.

Von solchen Leuten wie Dietrich hätte die Handwerkskammer in Chemnitz gern mehr. Denn wie Sören Ruppik, Geschäftsführer Gewerbeförderung bei der Handwerkskammer, erklärt, wird in den kommenden Jahren eine enorme Anzahl von sächsischen Betrieben im Bereich der Gebäudetechnik altersbedingt schließen, wenn sich niemand findet, der sie übernimmt. "Erfahrungsgemäß klappt es aber nur in etwa 24 Prozent der Fälle mit einer Übernahme", sagt Ruppik.

Und wenn es klappt, dann nicht einfach so. "Wir mussten einiges umstrukturieren und es ist auch nicht so einfach, wenn ein junger Mensch wie ich zum alten Stamm dazukommt", erklärt Dietrich. Und auch er habe sich schnell mit der Aussicht auf Personalmangel auseinandersetzen müssen: "Die Firmen haben nicht ausgebildet oder nach neuem Personal gesucht, das heißt, ich habe einen älteren Personalstamm übernommen, bei dem klar war, dass viele in den nächsten Jahren in Rente gehen."

Höhere Löhne und 4-Tage-Woche

Dietrich hat also angefangen auszubilden. Und um im Landkreis Zwickau mit VW und anderen Industriebetrieben konkurrieren zu können, hat er die Löhne seiner Azubis auf Industrieniveau angehoben: "Wir sind jetzt bei 800 Euro im ersten Lehrjahr. Im Handwerk sind es sonst auch gern mal nur 200 oder 300 Euro. Das macht den Beruf natürlich nicht attraktiv und das, obwohl er so krisenfest ist", erklärt Dietrich.

Eine weitere Idee, um die ND-Versorgungstechnik attraktiver zu machen: "Wir denken darüber nach, eine 4-Tage-Woche einzuführen", sagt Dietrich. Die Handwerker würden dann nur noch 36,5 Stunden in der Woche arbeiten - bei gleichem Lohn. Gut für die Handwerker, weniger gut für die Kunden, für die sich diese Idee an den Preisen und Wartezeiten bemerkbar machen dürfte.

Ausländische Fachkräfte willkommen

Höhere Löhne sind nicht das einzige Mittel mit dem Dietrich gegen den Fachkräftemangel kämpft. Er setzt auch das in die Praxis um, was Experten als einzige Lösung für den Fachkräftemangel sehen: Er holt Arbeitskräfte aus dem Ausland. 25 bis 30 Prozent seiner Angestellten seien ausländische Fachkräfte, erzählt Dietrich. Die Handwerker kommen aus EU-Ländern wie Polen und Ungarn, aber auch aus Serbien, Bosnien und der Türkei.

Einer von ihnen ist Andrzej Kosmala, der sich in der Firma um feinere Bauarbeiten kümmert. Er ist 2012 aus Polen nach Deutschland gekommen, um mehr Geld verdienen und das Studium seiner Kinder mitfinanzieren zu können. Er arbeitet seit zwei Jahren für die ND-Versorgungstechnik und sagt, er fühle sich dort sehr wohl.

Mittlerweile ist man froh, wenn man den Handwerker begrüßen kann, wo er herkommt, ist dann auch egal. Die Leute interessiert eher: Wann wird es gemacht und ist es noch bezahlbar?

Nick Dietrich Geschäftsführer ND-Versorgungstechnik

Netzwerke in Serbien, Bosnien und der Türkei

"Angefangen hat das bei Großprojekten im Stuttgarter Raum. Da haben wir mit ausländischen Unternehmen zusammengearbeitet und Freundschaft geschlossen", erzählt Dietrich. Danach sei man in Kontakt geblieben und habe zunächst in Serbien und Bosnien ein Netzwerk aufgebaut, in dem man sich gegenseitig mit Arbeitern und Produkten unterstütze. Dazu gehörten auch Kooperationen mit Universitäten. "Aber nachhaltig: Wenn wir aus den Ländern Arbeiter abziehen, fehlen sie schließlich dort. Deswegen arbeiten zum Beispiel einige Handwerker abwechselnd ein halbes Jahr bei uns und ein halbes Jahr in ihrem Herkunftsland."

Im Moment sei er dabei, ein ähnliches Netzwerk in der Türkei aufzubauen, sagt Dietrich. "Die wirtschaftliche Lage dort ist schwierig. Gut ausgebildete Leute, Ingenieure, verdienen dort umgerechnet vielleicht 300 bis 400 Euro im Monat." Spezialisten für Heizungsbau, Solaranlagen, etc. von der Türkei nach Deutschland zu bringen, dabei hilft ihm sein Mitarbeiter Sahin Hulusi. Der Mann für "Fußbodenheizung, Fußbodenbelag und alles Mögliche" ist seit drei Jahren in der Firma angestellt. 1978 ist er aus der Türkei nach Deutschland gekommen, damals nach Frankfurt. Heute wünscht sich der 62-Jährige, er wäre direkt nach Sachsen gekommen: "Ich fühle mich hier einfach wohl, es ist nicht so stressig wie in Frankfurt."

Neben seinen festangestellten Mitarbeitern holt Dietrich ausländische Arbeitskräfte für Großprojekte zeitweise ins Land. Angestellt sind diese Arbeiter dann bei einem Partnerunternehmen in ihrem Herkunftsland. Man achte aber sehr darauf, dass den Handwerkern deutscher Mindestlohn gezahlt werde, so Dietrich. "Wir haben dafür ein Qualitätsmanagement, das wir mit Leuten besetzt haben, die sich mit unlauteren Machenschaften bei den Gehaltszahlungen auskennen und dem gut entgegentreten können."

Herausforderungen: Sprachbarrieren und bürokratische Hürden

Einfach sei all das nicht: "Zum einen ist es sehr schwierig, die Menschen ins Land zu holen", sagt Dietrich. Oft dauere das drei bis sieben Monate und dann sei das Projekt schon wieder abgeschlossen. Zum anderen müssten die Handwerker beim Kunden auch kommunizieren können. "Und die Sprache zu lernen, ist nicht so leicht", sagt Dietrich. Oft hätten die Arbeiter zudem nicht die gleichen Kenntnisse: "Ein Ingenieur in Serbien ist in Deutschland eher ein Facharbeiter, in der Türkei werden andere Sachen verbaut, es gibt andere DIN-Vorschriften, usw.", zählt Dietrich auf.

Dafür, die Arbeiter auf den gleichen Stand zu bringen, habe sich aber zum Glück inzwischen ein "positives Schneeballsystem" entwickelt: "Die Handwerker, die schon eingearbeitet sind, können neuen Mitarbeiter erklären wie's geht und wenn sie ihre Muttersprache sprechen, funktioniert das oft besser."

Die Kundschaft im Landkreis Zwickau und im Erzgebirgskreis muss man Dietrich zufolge an die ausländischen Fachkräfte "langsam heranführen". Aber sobald diese sich als freundlich und kompetent erwiesen, würden sie für gewöhnlich sehr gut aufgenommen. "Mittlerweile ist man froh, wenn man den Handwerker begrüßen kann, wo er herkommt ist dann auch egal. Die Leute interessiert eher: Wann wird es gemacht und ist es noch bezahlbar?"

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