Kulturhauptstadt 2025 Chemnitzer OB Sven Schulze: "Wissen, dass wir noch viel zu tun haben"
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02. März 2024, 15:56 Uhr
In der kommenden Woche wird Chemnitz als künftige Kulturhauptstadt Europas auf der Internationalen Tourismusmesse in Berlin (ITB) kräftig für sich werben. Der Countdown für die Eröffnung im Januar 2025 läuft. MDR SACHSEN hat mit dem Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) über die finale Vorbereitungsphase, die steigende Vorfreude und Pläne zur Absage des Kulturhauptstadtjahres im Stadtrat gesprochen.
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MDR SACHSEN: In der kommenden Woche wird sich Chemnitz auf der Internationalen Tourismusmesse in Berlin als künftige Kulturhauptstadt präsentieren. Der Countdown für die Eröffnung läuft also. Nehmen Anspannung und Vorfreude jetzt zu?
Sven Schulze: Es ist auf jeden Fall Vorfreude, weil ich jetzt ja auch erlebe, wie die Aufmerksamkeit für Chemnitz als Stadt und das Interesse noch mehr wächst. Natürlich wissen wir, dass wir noch viel zu tun haben, um die Erwartungen auch zu erfüllen. Aber ich bin da sehr zuversichtlich. Und mit diesen touristischen Angeboten, die sich vor allem an Reiseveranstalter richten, gehen wir jetzt auch richtig an den Start, um möglichst viele Gäste 2025 nach Chemnitz zu locken.
Zwischen der Verkündung des Titels und dem Kulturhauptstadtjahr liegen mehrere Jahre. Da ist es schwer, die Spannung hochzuhalten und die Erwartungshaltung der Menschen hier vor Ort zu bedienen. Viele Bürgerinnen und Bürger scharren mit den Hufen und wollen mitmachen. Wo sehen Sie die Stadt im Moment?
Meine Antwort darauf ist: Alles zu seiner Zeit und nacheinander. Die Kulturhauptstadt kommt ja in unterschiedlichen Geschwindigkeiten an. Das heißt also, die Kulturakteure sind schon mittendrin. Auch die Unternehmerschaft hat aus meiner Sicht jetzt Fahrt aufgenommen. Aber für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer ist es vielleicht noch ein bisschen unentdeckt. Aber da muss man sich keine Sorgen machen. Ich bringe gern das Beispiel: Wir haben in diesem Jahr im Sommer die Fußball-Europameisterschaft, unter anderem auch in Leipzig. Und da hingen ein Jahr vorher auch nicht schon überall die Plakate dazu und sie wird trotzdem stattfinden.
Wir werden sukzessive auf Betriebstemperatur gehen, man wird im zweiten Halbjahr Sichtbarkeit hier haben. Und wenn es um überregionale Werbung geht, dann wird das auch ab dem zweiten Halbjahr Fahrt aufnehmen. Das macht auch Sinn, das zeitnah zum Ereignis zu machen. Wir sind auf einem guten Weg, ich verstehe die eine oder andere Ungeduld. Aber alles zu seiner Zeit und da muss man keine Sorge haben.
Ein großer Schwerpunkt ist ja die Beteiligung der Bürger. Was bekommen Sie für ein Feedback von den Chemnitzerinnen und Chemnitzern?
Das Meinungsspektrum ist breit, von Begeisterung bis Ablehnung erfahre ich alles. Ich glaube, es ist auf der einen Seite eine große Vorfreude da, Chemnitz und sich selbst zu zeigen. Das ist ja auch das Ziel unserer Kulturhauptstadtbewerbung. Man will sich gern einbringen und sucht hier und da noch nach Wegen, wie das geht. Ich sage immer: "Leute ihr braucht hier keinen Stempel, um etwas mitzumachen." Aber es gibt schon eine Erwartungshaltung, dass gesagt wird: "Das ist gewollt und ihr dürft das." Und da ist meine Antwort: "Machts einfach." Denn wir werden im Jahr 2025 viele Dinge haben, die nicht im Bewerbungsbuch standen, sondern - ich sage mal - das Grundrauschen in der Stadt, das Chorfestival, die Einladung von internationalen Gästen, im Sport und so weiter. Da gehen jetzt die Vorbereitungen los und ich sage: "Traut euch".
Wir werden im Frühjahr, Richtung April, noch einmal ein Bürgerprogramm auflegen, wo es also gerade auch um Unterstützung geht für die vielen kleinen Dinge, die jetzt vielleicht nicht unbedingt den Anspruch haben, in das Bid Book zu passen. Aber die ja ein positives Lebensgefühl für die Chemnitzerinnen und Chemnitzer mitbringen und die auch Initiative befördern und unterstützen wollen.
Was ist ein Bid Book Das Bid Book (dt.: Angebotsbuch) ist eine Art Bewerbungsmappe, mit der Chemnitz seine Ideen und Konzepte in der Bewerbungsphase für die Kulturhauptstadt zusammengefassst und vorgestellt hat.
Sie waren Anfang des Jahres in Bad Ischl in Österreich und im norwegischen Bodø, beides Europäische Kulturhauptstädte in diesem Jahr. Sie haben sich die Eröffnungen angesehen. Mit welchen Eindrücken sind Sie wiedergekommen?
Jede Eröffnung ist anders und auch die Chemnitzer Eröffnung wird anders sein, als die in Nova Gorica im nächsten Jahr. Hängengeblieben ist bei mir, dass man eine Balance braucht zwischen den Fragen "Wie spreche ich die Leute vor Ort an?" und "Wie schaffe ich es trotzdem, einen europäischen internationalen Fokus zu haben?". Denn ein Thema, das lokal interessant ist, interessiert Europa nicht. Aber wir sind ja eine Europäische Kulturhauptstadt und deshalb ist der europäische Fokus wichtig.
Das Zweite, was ich mitgenommen habe ist, es geht auch um Willkommenskultur und Gastfreundschaft der Stadt als solches. Also es geht nicht nur um das Programm, sondern der nette oder eben meckrige Taxifahrer oder das Restaurant, das am Eröffnungswochenende geöffnet oder geschlossen hat, das trägt zum Gesamtbild bei. Das heißt also auch, die Chemnitzerinnen und Chemnitzer können hier mit dazu beitragen, ob das funktioniert oder nicht.
Was mich sehr positiv stimmt ist, dass wir einfach auch aufgrund der Größe von Chemnitz ja schon ein Grundangebot an Kultur haben. Wenn ich an die Museen, Restaurants oder an Aufenthaltsorte denke. Da haben wir schon ein, zwei Schritte voraus, als eine Kleinstadt wie Bad Ischl mit 15.000 Einwohnern, die das erst hinstellen muss.
Und ein letzter Punkt, der mir hängengeblieben ist und das wird sich nicht ändern: Wir werden im Januar, sprich im Winter, die Eröffnung haben. Das war in Norwegen der Fall, das war auch in Österreich der Fall. Auch das muss man bei den Planungen mit im Kopf haben. Wir wissen nicht wie das Wetter ist. Es wird wahrscheinlich kalt sein. Das heißt, man muss auch Plätze und Aufenthaltsorte schaffen, die dann eine gewisse Wärme widerspiegeln. Und da haben wir schon ein paar Ideen.
Es wird natürlich eine öffentliche Eröffnungsveranstaltung geben und wenn die dann zu Ende ist, wird es in Chemnitz ganz viele Angebote geben, wo man dann auch drinnen Kultur erleben kann. Das kann von einem klassischen Konzert im Opernhaus bis zu einer Clubnacht in einem der vielen Clubs reichen. Und das bringt dann nicht nur eine physische Wärme, sondern hoffentlich auch eine emotionale Wärme zu unseren Gästen rüber.
Nicht jeder findet es gut, das Chemnitz den Zuschlag bekommen hat. So wird die Fraktion Pro Chemnitz/Freie Sachsen Mitte März einen Beschluss in den Stadtrat einbringen, der vorsieht, aus dem Kulturhauptstadt-Projekt auszusteigen. Die Kulturhauptstadt gGmbH solle liquidiert werden, um Chemnitz nicht europaweit zu blamieren, heißt es. Was entgegnet da der Oberbürgermeister?
Das ist eine Investition in die Zukunft dieser Stadt und es ist ja nicht so, dass die vielen Gelder irgendwo hingehen. Die werden zu einem nicht unwesentlichen Teil investiert in Infrastruktur, die bleibt und für die Bürger da ist. Durch diesen Titel bekommen wir Zugang zu Förderprogrammen, zu Geldern, die wir nie bekommen hätten. Insofern ist das eine ganz wichtige Investition in diese Stadt und nicht nur in irgendwelche abstrakten Kunst - oder Kulturobjekte. Wer das sieht - und viele sehen das - der weiß, dass jeder Euro hier gut angelegt ist.
Klar ist, dass man in Zeiten, die finanziell nicht so gut sind, da genau hinschaut. Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum man beim Thema Schauspielhaus nochmal einen Stopp eingebracht hat. Aber ich glaube, dass die große Mehrzahl - und das wird hoffentlich noch wachsen - der Überzeugung ist, das waren gut angelegte Gelder.
Man muss dazu ja auch sagen, dass nur ein Bruchteil dieser Gelder wirklich Chemnitzer Steuergelder sind. Wir kriegen Bundesmittel, Landesmittel und europäische Fördermittel. Das heißt, wir ziehen hier Geld nach Chemnitz, das ohne diesen Titel bestimmt nicht gekommen wäre.
Wir leben in einer Demokratie und jeder darf seine Meinung haben und die demokratischen Gremien werden dann entscheiden. Deshalb werden wir diesen Antrag zur Abstimmung stellen. Ich bin sehr hoffnungsfroh, dass er keine Mehrheit bekommt. Aber das zeigt, dass wir hier und da noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber wir werden das aushalten und wir werden auch in 2025 allen Ankündigungen zum Trotz die guten und die angemessenen Bilder aus Chemnitz senden. Und da kann jeder ein bisschen auch mitwirken.
Das Gespräch führte Ines Gruner-Rudelt.
MDR (mst)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 01. März 2024 | 16:30 Uhr
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