Obdachlosenhilfe Unterwegs mit dem Kältebus Chemnitz
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05. November 2023, 07:00 Uhr
Langsam hält der Herbst Einzug und die Kälte trifft dann vor allem Menschen, die auf der Straße leben. In Chemnitz versucht ein Team von Ehrenamtlichen, Hilfe zu leisten. MDR SACHSEN war bei der ersten Tour des Kältebusses Chemnitz in dieser Saison dabei.
Am Freitagnachmittag laufen die Vorbereitungen für die erste Fahrt des Kältebusses Chemnitz in dieser Saison. Die Ehrenamtlichen wollen zu wohnungs- und obdachlosen Menschen Kontakt aufzunehmen, eine Grundversorgung herstellen und gegebenenfalls weitere Hilfsangebote vermitteln. Dafür werden zuerst Thermoskannen mit heißem Tee, heißem Wasser und einer Tomatensuppe gefüllt. "Wir wissen nicht, wie viele Menschen wir auf einer Fahrt treffen", erzählt Victoria Teuchert. Daher seien die benötigten Mengen nicht leicht zu schätzen.
Außerdem packen die Ehrenamtlichen noch Kleidung, Hygieneartikel, Decken, Mützen und Schuhe in großen Kartons in den Transporter. "Wir packen lieber zu viel ein", erzählt Marleen Schwendel. Bereits seit zweieinhalb Jahren engagiert sie sich beim Kältebus und kennt daher das Vorgehen genau. "Es ist vorher nie klar, was die Menschen, die wir treffen, brauchen."
Hilfe, für jeden der fragt
Die erste Frau kommt schon vor der Abfahrt an den Bus. Sie wird freundlich begrüßt, man kennt sich aus den Vorjahren. Eine heiße Suppe und einen Tee nimmt sie gern und auch bei den anderen Sachen schaut sie sich um. Einen warmen Pullover, eine Mütze, Handschuhe, eine Decke und ein paar Hygieneartikel nimmt sie mit. "Ich habe eine Wohnung", erzählt sie. Diese sei aber sehr kalt und von Schimmel befallen. "Ich finde einfach nicht die Kraft, mir etwas Neues zu suchen", sagt die Frau. Zuerst müsse sie sich um ihre gesundheitlichen Probleme kümmern. Für die Unterstützung vom Kältebus ist sie sehr dankbar.
"Wir machen da keine Unterschiede, wem wir helfen", sagt Teuchert. "Wer uns nach etwas fragt, muss nicht nachweisen, dass er es braucht." Nach dieser ersten Hilfe rollt der Bus los. Heute sind drei Frauen im Einsatz. "Wir versuchen immer zu dritt unterwegs zu sein und auch Männer und Frauen zu mischen", erklärt Teuchert. Da es aber alles ehrenamtliche Helfer seien, klappe das nicht immer.
Wohnungslose in Chemnitz
- Eine offizielle Statistik über Obdachlosenzahlen gibt es in der Stadt Chemnitz nicht.
- Die Stadtmission Chemnitz schreibt in ihrem Jahresbericht 2022, dass den Tagestreff "Haltestelle" 661 Menschen genutzt hätten. Davon waren 465 Männer und 196 Frauen.
- 124 von ihnen richteten sich im Jahr 2022 eine Postadresse in der "Haltestelle" ein.
- 220 Menschen nahmen die Hilfe der Straßensozialarbeiter in Anspruch.
- Die Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle wurde von 241 Personen besucht.
Quelle: Stadtmission Chemnitz
Ehrenamtliche haben keine Berührungsängste
Der erste Halt ist in der Chemnitzer Innenstadt. Auch hier werden die Frauen vom Kältebus sofort wiedererkannt und begrüßt. Heißer Tee und Suppe sind gefragt und werden an drei Personen verteilt. Obwohl ein Mann sichtbar alkoholisiert ist, haben die Helferinnen keine Berührungsängste und gehen offen auf ihn zu. "Wir kennen ihn schon aus den letzten Jahren", erzählen sie. "Er wird zwar manchmal aggressiv, aber nicht uns gegenüber."
Zu Fuß, mit den Thermoskannen in der Hand, geht es weiter an Orte, die ihnen aus den letzten Jahren bekannt sind. Heute sind allerdings nirgendwo hilfsbedürftige Menschen anzutreffen. "Am Anfang der Saison muss man erstmal auf Verdacht die Orte ablaufen", sagt Schwendel. "Es spricht sich dann auch herum, dass wir wieder unterwegs sind."
Die Engel sind wieder unterwegs.
Nach der Innenstadt geht es auf einen Supermarktparkplatz auf dem Sonnenberg. Hier steht eine größere Gruppe von Menschen. Begeistert werden die Frauen begrüßt. "Die Engel sind wieder unterwegs", sagt ein Mann sichtlich bewegt. Auch hier werden von einigen Tee und Suppe gern genommen. Andere wollen sich lieber ein bisschen unterhalten.
"Ich finde es toll, dass ihr das macht", sagt ein Mann. "Aber es gibt welche, die es dringender brauchen als ich." Er erzählt ein bisschen aus seinem Leben. Durch psychische Probleme arbeitet er derzeit nicht. Offen spricht er auch über sein Alkoholproblem. Wie die meisten um ihn herum auch, hat er eine Wohnung. "Aber hier können wir uns treffen und unterhalten", erklärt er, warum er auf dem Parkplatz ist.
Fristlose Kündigung der Wohnung
Eine Frau kommt dazu, die um Hilfe bittet. Sie hat die fristlose Kündigung ihrer Wohnung erhalten und befürchtet, bald auf der Straße zu stehen. Geduldig lassen sich die Helferinnen die Geschichte erzählen und geben dann die Kontakte der Streetworker und der Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle weiter.
Nach einem herzlichen Abschied und dem Hinweis darauf, dass sie jetzt wieder zweimal in der Woche mit dem Kältebus vorbeikommen, geht es weiter. Als nächstes wird einem Hinweis nachgegangen, den der Kältebus erhalten hat. Angeblich lebt eine obdachlose Person in einem abbruchreifen Gebäude. Im Dunkeln entscheiden sich die Frauen dafür, das Gebäude nicht zu betreten und einfach ein paar Flyer und Visitenkarten am Eingang zu hinterlassen. Ein paar Jugendliche, die zufällig dazukommen, bestätigen, dass sie bereits öfter einen Mann in dem Gebäude liegen haben sehen.
Nach drei Stunden beenden die Frauen vom Kältebus für heute ihre Tour. Sie sind zufrieden mit der ersten Fahrt. Insgesamt elf Menschen konnten sie etwas Gutes tun. "Manchmal treffen wir drei Menschen und manchmal 30", sagt Teuchert. Doch darauf komme es nicht an. Bis März wird der Kältebus durch Chemnitz rollen, um Hilfe zu leisten.
Wie kann man den Kältebus unterstützen?
Wer den Kältebus Chemnitz mit einer Spende oder Mitarbeit unterstützen möchte, kann sich per E-Mail an das Team wenden.
E-Mail-Adresse: kaeltebus@posteo.de
Auch auf Twitter und Instagram ist das Team unter kaeltebus_c zu finden.
MDR (ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 03. November 2023 | 14:30 Uhr