Eine gelbe Jugendstilvilla in grünem Park. 4 min
Die Villa Esche in Chemnitz wurde von Architekt und Gestalter Henry van de Velde entworfen. Mehr dazu im Audio von Grit Krause. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/Frank Krüger
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MDR KULTUR - Das Radio Sa 23.11.2024 10:15Uhr 04:04 min

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Kulturhauptstadt 2025 So entdeckt Chemnitz das Schaffen von Henry van de Velde neu

24. November 2024, 05:00 Uhr

Der Belgier Henry van de Velde galt Anfang des 20. Jahrhunderts als Star unter den Architekten und Designern. Er hat nicht nur die Entwicklung des Produktdesigns nachhaltig geprägt, sondern auch dem legendären Bauhaus den Weg bereitet. Die Kunstsammlungen Chemnitz besitzen einen wichtigen Teil seines Oeuvres. Zum Auftakt des Kulturhauptstadtjahres 2025 widmet sich die Ausstellung "Reform of Life & Henry van de Velde mittendrin" dieser zentralen Figur an gleich zwei Orten.

Hoch ragt die Villa Esche etwas außerhalb vom Chemnitzer Zentrum auf einer kleinen Anhöhe empor – mit ihrer hellgelben Fassade, umgeben von einem parkähnlichen Garten. 1902 hat sie der belgische Architekt und Gestalter Henry van de Velde, damals bereits ein Star seiner Zunft, für den Textilunternehmer Herbert Eugen Esche entworfen.

Den Ort dafür habe beide gemeinsam ausgesucht, erzählt Anika Reineke, Kuratorin des Henry van de Velde Museums, MDR KULTUR. "Sie haben ganz bewusst diese freie Fläche ausgewählt, mit der man so einen schönen Blick über das Chemnitztal hat, in die Stadt hinein und gleichzeitig sehr nah an der Fabrik." Nach mehr als 120 Jahren verdecken mittlerweile Bäume diesen Ausblick, aber es existiert ein Gemälde Edvard Munchs, auf dem der Maler diese Szenerie festgehalten hat.

Zwei Männer sitzen mit einem Kind auf einer Bank in einem weitläufigen Garten (schwarz-weiß Foto).
Henry van de Velde, Herbert Esche und dessen Sohn vor der Villa Esche, um das Jahr 1904. Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Sofa, Lampen und Türgriffe entwarf Henry van de Velde

Heute befindet sich das Henry van de Velde Museum in einem Teil der Jugendstil-Villa – eine Dependance der Kunstsammlungen Chemnitz. In der Villa kommt man dem Gesamtkunstwerk, das van de Velde hier geschaffen hat, auf die Spur: Im Erdgeschoss zeugen beispielsweise Sofa und Sessel davon, im angrenzenden Esszimmer der Tisch, Stühle, die elektrischen Lampen und sogar Geschirr und Besteck, bis hin zu den Türgriffen. Alles in diesem Haus trägt die Handschrift van de Veldes.

Ein weißes Kännchen steht auf einem weißen Tisch, daneben ein Stuhl.
Diese Teekanne ist im Musiksalon der Villa Esche zu sehen. Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Kuratorin Anika Reineke erklärt: "Henry van de Veldes Verständnis von Kunst war, dass Kunst das ist, was uns im Leben begegnet." Obwohl er ausgebildeter Maler war, habe er sich sehr bewusst von der Malerei und der bildenden Kunst abgewendet. "Weil er gesagt hat: Das beantwortet nicht die drängenden Fragen unserer Gesellschaft – nach sozialer Gerechtigkeit, nach einem guten Leben." Er habe sich sehr bewusst für das entschieden, was wir heute Design, Kunstgewerbe oder angewandte Kunst nennen. "Er hat gesagt: Das ist die Kunst, die unser Leben verändert."

Ausstellung in Badezimmer der Villa Esche

Davon wird jetzt im oberen Geschoss der Villa Esche mit einer neuen Präsentation erzählt – im ehemaligen Kinder- und Elternschlafzimmer sowie in dem 60 Quadratmeter großen Bad der Familie. Es geht auch um den Einfluss der Lebensreformbewegung auf van de Veldes künstlerische Prinzipien, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts etabliert hatte. Zudem steht ein weiteres Gebäude im Fokus, das der Niederländer in der Blütezeit seines Wirkens in Chemnitz geschaffen hat – der Lawn Tennisclub aus dem Jahr 1908. Dieses Clubhaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen, sonst hätte Chemnitz heute noch eine weitere Ikone der Moderne vorzuweisen. 

Ein mehretagiges Club-Gebäude: Der Lawn Tennisclub aus dem Jahr 1908 in einer schwarz-weiß Aufnahme.
Das Clubhaus des Chemnitzer Lawn Tennisclubs im Jahr 1910, gestaltet von van de Velde. Bildrechte: Kunstsammlungen Chemnitz/Louis Held

Die meisten Möbel aus dem Lawn Tennisclub befinden sich normalerweise im Kunstgewerbemuseum in Berlin. "Das Kunstgewerbemuseum gibt uns einige dieser Werke für das gesamte Jahr 2025 als Leihgabe, so dass sie hier in Chemnitz, ganz nah am echten Bauort, zu sehen sind", so Anika Reineke.

Kunstsammlungen am Theaterplatz ergänzen Velde-Bild

Die Sonderausstellung zu Henry van de Velde beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Villa Esche. Auch in den Kunstsammlungen am Theaterplatz in Chemnitz widmet man sich dem gefragten Designer. Der Fokus liegt dort auf der Entwicklung des Produktdesigns, das van de Velde wesentlich mit befördert hat.

Eine helle Keksdose mit Ornamenten.
Henry van de Velde entwarf diese Keksdose im Jahr 1903. Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Laut Anika Reineke war van de Velde ein Netzwerker, ein Scharnier zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Das könne man am Theaterplatz anhand von ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen verfolgen. "Am Anfang waren die Kunst und die Industrie noch getrennt, die Zusammenarbeit hat nicht funktioniert. Und am Ende steht die Ulmer Hochschule für Gestaltung, die van de Velde sehr geschätzt hat. Sie gilt heute als eine der Keimzellen des modernen Produktdesigns."  

Chemnitz als Stadt der Kunst

Diesen Weg kann man in der Ausstellung nachverfolgen. Angefangen bei den frühen Debatten im Deutschen Werkbund, den Henry van de Velde mitgegründet hat, über sein Engagement als Direktor der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule in Weimar, bis hin zum Bauhaus, als dessen Wegbereiter er gilt.

Dafür konnten die Kunstsammlungen Chemnitz mit ihrer umfangreichen Textil- und Kunstgewerbesammlung aus dem Vollen schöpfen, was Generaldirektorin Florence Thurmes freut. "Uns ist es ein Anliegen, Chemnitz auch als Kunststadt zu definieren", sagte sie MDR KULTUR. Chemnitz sei Anfang des 20. Jahrhunderts eine Stadt gewesen, die durch die Industrialisierung geprägt war, aber eben auch durch ganz viele künstlerische Strömungen. "Und das kennt man, glaube ich, heute weniger", so Thurmes.

Ein Stuhl mit rotem Sitzpolster.
Dieser Polsterstuhl von Henry van de Velde aus den Jahren 1907/08 mit originalem Bezug ist in Besitz der Kunstsammlungen Chemnitz. Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Zur Kunst in dieser Zeit gehört eben auch Henry van de Velde, der jetzt den Ausstellungsreigen zum Kulturhauptstadtjahr eröffnet hat. Ihm werden weitere folgen – unter anderem Karl Schmidt-Rottluff, Sohn der Stadt und Brücke-Mitbegründer, und nicht zuletzt Edvard Munch, der im Jahr 1905 in Chemnitz war. Auch da hatte Henry van de Velde seine Finger im Spiel.

Mehr zu den Ausstellungen

"Reform of Life & Henry van de Velde mittendrin"

Zu sehen in der Villa Esche ab 23. November 2024 und für das gesamte Kulturhauptstadtjahr 2025 sowie in den Kunstsammlungen am Theaterplatz ab 24. November 2024 bis 2. März 2025.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. November 2024 | 10:15 Uhr

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