Kunstsammlungen Chemnitz Ausstellung in Chemnitz zeigt Urgesteine der DDR-Subkultur
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20. Februar 2025, 14:56 Uhr
Die in den Siebzigern im damaligen Karl-Marx-Stadt gegründete Künstlergruppe "Clara Mosch" machte Chemnitz in der DDR zum Zentrum der alternativen Kunst-Szene. Die "Galerie Oben" vertrieb die Kunst der Gruppe. Mit ihren provokanten Performances und unkonventionellen Ausstellungen waren sie der DDR-Kulturpolitik ein Dorn im Auge. Eine Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz würdigen dieses Kapitel der lokalen Kunstgeschichte im Kulturhauptstadtjahr mit einer Sonderausstellung.
- Mit legendären Kunst-Aktionen prägte die Künstlergruppe "Clara Mosch" die alternative Kunst-Szene in der DDR.
- Fotos der Aktionen, Plakate und Grafiken sind in der Sonderausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz zu sehen.
- In der Schau wurde auch ein Salon geschaffen, der den Räumlichkeiten der historischen "Galerie Oben" nachempfunden ist.
In einem Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahr 1977 am Eingang der Ausstellung in Chemnitz wird deutlich, wie sich die Künstlergruppe "Clara Mosch" buchstäblich als "Brandstrifter" verstand. Er dokumentiert eine der spektakulärsten Aktionen der männlichen "Mosch"-Mitglieder: Thomas Ranft, Michael Morgner und Gregor Torsten Schade sowie des abstrakten Malers Wolfgang E. Biedermann verbrennen ihre Kunst. 1983 bot das im Verband bildender Künstler Anlass für eine Debatte über die Legitimität von Aktionskunst in der DDR. Da hatte sich die "Mosch"-Gruppe im November 1982 bereits aufgelöst, die Stasi tat das ihre dazu.
Ich denke, die 'Mosch-Gruppe' ist ein wichtiges Beispiel dafür, was man erreichen kann, wenn einem die Kunst so viel bedeutet wie Freundschaft.
"Land Art" in der DDR
Im Video ist eines von 14 Pleinairs zu sehen. Mosch-Künstler Ranft erzählt, die Künstlergruppe sei dabei vorwiegend auf Hiddensee und Rügen in der freien Natur gewesen, man habe aber auch Unsinn gemacht, so Ranft.
Was ist ein Pleinair? Unter dem Begriff versteht man Kunst, die nicht im Atelier, sondern unter freiem Himmel entstanden ist. Ein Beispiel ist Freilichtmalerei. Es kommt aus dem Französischen "en plein air", was man mit "im Freien" übersetzen kann.
So haben die "Moschs" in einem Pleinair 1977 bei Leussow im damaligen Bezirk Schwerin auf einem gerodeten Waldstück monumentale Holz-Objekte gebaut: gitterförmig, geometrisch, leiterförmig oder auch in Form einer einhundert Meter langen Holzlinie. Und diese haben sie, wie im Video zu sehen, schließlich verbrannt. Im Ergebnis entstanden, in geringer Auflage, die sogenannten "Leussow-Koffer" – mit Fotografien und Grafiken der Pleinair-Aktion sowie mit Reagenzgläsern, die die Asche der Holzplastiken enthalten. Ein Bezug zur "Land Art", die sich, aus den USA kommend, ab den Sechzigern das Ziel setzte, Räume in Kunst zu verwandeln, liegt nahe.
Natürlich steht ein solcher Koffer in der neuen Schau in Chemnitz. Zur "Mosch"-Gruppe und deren Liebe zu Pleinairs erzählt Kuratorin Marie Winter, dass dabei jene fast schon legendären Aktionen entstanden seien, für die "Clara Mosch" heute vor allem bekannt sei.
Radikale Künstlergruppe, freundschaftlich verbunden
Aus dem reichen Archiv der Kunstsammlungen Chemnitz zur "Mosch"-Gruppe hat Winter Fotos, Postkarten und Plakate ausgewählt, sie stark vergrößert und an der Wand oder mitten in die Ausstellung anbringen lassen. So soll allen, die nicht dabei waren, die radikale Dimension der Künstlergruppe nahegebracht werden.
Muss die Kunstgeschichte hier noch präzisiert werden? Kuratorin Winter sagt: "Ich denke, die 'Mosch-Gruppe' ist ein wichtiges Beispiel dafür, was man erreichen kann, wenn einem die Kunst so viel bedeutet wie Freundschaft".
Druckgrafiken von Dagmar Ranft-Schinke
Neben Freundschaft und Pleinairs ist eine weitere Grundkompetenz der "Moschs" freilich die Druckgrafik. Hier trifft man in der Schau Werke von Dagmar Ranft-Schinke an, einer exzellenten Grafikerin – und unter den vier Männern die einzige Frau in der "Mosch"-Gruppe.
"Die anderen Kollegen, sind natürlich, bis auf Carlfriedrich Claus, immer dominant gewesen", erzählt sie, "das wissen sie auch – aber das macht nichts." Sie habe sich trotzdem durchsetzen können, so Ranft-Schinke, denn alle hätten ja ihre individuelle Kunst gemacht.
Salon mit "Galerie Oben"-Flair
Die Existenz der Karl-Marx-Städter "Galerie Oben", die die Kunst der "Mosch"-Gruppe handelte, verwebt die Ausstellung eng mit der Geschichte der "Mosch-Gruppe". Sogar den einstigen Galerieraum samt schwarzem Fußboden haben die Gestalter nachempfunden.
In den kommenden Monaten werden im Salon – vorzugsweise am Mittwochabend – Gespräche, Lesungen und Konzerte stattfinden. So wie einst in der "Galerie Oben". Damals traf sich dort halb Karl-Marx-Stadt, wie die Fotos an den Wänden bezeugen. Wenn es gut läuft am Theaterplatz, könnte es nun halb Chemnitz sein.
Informationen zur Ausstellung
"Galerie Oben und Clara Mosch. Künstlerische Freiräume in Karl-Marx-Stadt"
20. Februar 2025 bis 15. Februar 2026
Kunstsammlungen am Theaterplatz
Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag, Feiertag: 11 bis 18 Uhr
Mittwoch: 14 bis 21 Uhr
Ein Raum der Ausstellung soll monatlich wechselnd Einzelpräsentationen verschiedener Künstlerinnen und Künstlern zeigen – darunter Thomas Ranft, Michael Morgner, Núria Quevedo, Gerhard Altenbourg, Hans Brockhage, Carlfriedrich Claus, Dagmar Ranft-Schinke, Gregor-Torsten Kozik, Lutz Dammbeck, Klaus Hähner-Springmühl, Erich Wolfgang Hartzsch und Irene Bösch.
Eröffnet wird jede Einzelpräsentation man jedem dritten Mittwoch im Monat mit einer Abendveranstaltung, die an die sogenannten Mittwochsveranstaltungen der "Galerie oben" erinnern soll.
Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), MDR (Andreas Berger, Anna Wulffert, Adina Rieckmann), Kunstsammlungen Chemnitz
Redaktionelle Bearbeitung: op, hro, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. Februar 2025 | 08:40 Uhr