Finger weg , Arbeit von Vanessa Cardiu mit dem Marx Monument. 4 min
"Chemnitz ist kantig, nicht mainstream", sagt Programmchef Stefan Schmidtke über Europas Kulturhauptstadt 2025. Wie sie sich definiert, was die Besucher in Chemnitz erwartet, hat Grit Krause genauer erkundet. Bildrechte: IMAGO / Wolfgang Schmidt
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"Chemnitz ist kantig, nicht mainstream", sagt Programmchef Stefan Schmidtke über Europas Kulturhauptstadt 2025. Wie sie sich definiert, was die Besucher in Chemnitz erwartet, hat Grit Krause genauer erkundet.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 23.12.2024 17:23Uhr 04:04 min

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Ausblick Jetzt geht es los: Chemnitz ist Europäische Kulturhauptstadt 2025

01. Januar 2025, 04:00 Uhr

2020 fiel die Entscheidung: Chemnitz wird (zusammen mit dem Städtepaar Nova Gorica in Slowenien und Gorizia in Italien) Europäische Kulturhauptstadt 2025. Nach vier Jahren Vorbereitung wird es nun ernst: Die offizielle Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres am 18. Januar 2025 steht kurz bevor. Bislang stand Chemnitz als drittgrößte Stadt Sachsens oft im Schatten von Leipzig und Dresden. Das soll sich jetzt ändern.

  • Die Kulturhauptstadt 2025 will zeigen, dass so genanntes "Makertum" die Industriestadt Chemnitz seit 150 Jahren prägt.
  • In der Stadt haben auch viele Künstler gewirkt – mit dem Parcours Purple Path kommt Kunst in die umliegende Region.
  • Eine große Qualität von Chemnitz sieht der Kulturhauptstadt-Programmchef im besonderen Individualismus der Menschen.

Mit dem Jahreswechsel ist Chemnitz zur Kulturhauptstadt Europas geworden, zusammen mit dem Städtepaar Nova Gorica in Slowenien und Gorizia in Italien. Die offizielle Eröffnung in Chemnitz mit Festakt und großer Show findet am 18. Januar statt, die Vorbereitungen dafür laufen. Über das Jahr verteilt sind in der Stadt und der gesamten Region mehr als 1.000 Veranstaltungen geplant.

Um die Kulturhauptstadt zu einem Erfolg zu machen, engagieren sich über 600 Freiwillige ehrenamtlich für ihre Kulturhauptstadt. Einer von ihnen ist Danny Weigelt. 2025 will der 37-Jährige mit so genannten Free Walking Touren neugierig machen auf seine Heimatstadt, will zeigen, was es ausmacht, hier zu wohnen. Denn medial sei die Berichterstattung über Chemnitz in den letzten Jahren ein bisschen ins Negative gegangen – mit "Vorfällen, die keiner wegdiskutieren kann". Damit spricht Weigelt die rechtsextremen Ausschreitungen 2018 an, die weltweit für Negativschlagzeilen gesorgt haben. Gleichzeitig formuliert er aber auch die Hoffnungen vieler Chemnitzerinnen und Chemnitzer, die sich jetzt mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt 2025 verbinden.

Junger Mann auf einer Freifläche zwischen Plattenbauten
Der ehrenamtliche Stadtführer Danny Weigelt will mit so genannten Free Walking Touren neugierig machen auf seine Heimatstadt Chemnitz. Bildrechte: MDR/Jacqueline Hene

"Makertum" als Erbe der Industriestadt Chemnitz

Startpunkt für Weigelts Touren ist die Hartmannfabrik, inzwischen das repräsentative Besucherzentrum der Kulturhauptstadt. Erbaut 1863, ist sie die letzte noch erhaltene Produktionsstätte des Chemnitzer "Lokomotivenkönigs" Richard Hartmann. Ein Zeugnis der prägenden Industriegeschichte, von der unter anderem im Industriemuseum erzählt wird. Leiter Jürgen Kabus spricht von der DNA, die in Chemnitz bis heute innovative Ideen hervorbringt.

Jürgen Kabus: Ein Mann mit mittellangen braunen Haaren und rotem Hemd blickt in die Kamera.
Jürgen Kabus leitet das Industriemuseum Chemnitz. Bildrechte: IMAGO / Rudolf Gigler

Chemnitz war keine Industriestadt, sondern Chemnitz ist noch eine Industriestadt.

Jürgen Kabus, Leiter Industriemuseum Chemnitz

"Makertum" nennt er das, was Chemnitz die letzten 150 Jahre geprägt habe, und genau das sei "das Erbe der Kulturhauptstadt". Davon erzähle sein Museum und, so betont er: "Chemnitz war keine Industriestadt, sondern Chemnitz ist noch eine Industriestadt." Deshalb lautet das Thema der kommenden Ausstellung "Tales of Transformation". Sie wird sich mit dem Aufstieg, Fall und der Neuerfindung von Chemnitz und anderen europäischen Industriemetropolen beschäftigen, wie Manchester und dem finnischen Tampere.

Kunststadt mit großen Namen wie Schmidt-Rottluff

Die Kunstsammlungen wiederum widmen sich eingehend der Kunststadt Chemnitz, erläutert Generaldirektorin Florence Thurmes. Man baue auf dem Thema des "genius loci" auf: "Das heißt, wir werden darauf eingehen, welche Menschen es hier gab, die im Kunstbereich aktiv waren." Das ist zum Beispiel Karl Schmidt-Rottluff, der in Chemnitz geboren wurde – genauso wie Frei Otto: einer der visionären Architekten des 20. Jahrhunderts. Edvard Munch weilte 1905 hier und schuf sechs Gemälde. In den 1920er-Jahren wurde Chemnitz architektonisch von der Epoche der Neuen Sachlichkeit geprägt. Die Kunstsammlungen würdigen aber auch die Clara-Mosch-Gruppe und die Galerie Oben, die bis heute Vertreter des subversiven Kunstkollektivs ausstellt.

Florence Thurmes lacht ins Bild
Die Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, Florence Thurmes, zeigt 2025, welche Künstler in Chemnitz aktiv waren. Bildrechte: Marie-Sophie Roß

Kulturhauptstadt-Programm mit "C the Unseen" und Purple Path

Orientierung für das Programm der Kulturhauptstadt ist das Motto "C the Unseen": Die ungesehene, weniger beachtete Seite von Chemnitz soll hervorgehoben werden. Und darüber hinaus wird 2025 auch die Region ins Scheinwerferlicht gerückt. Unter anderem mit dem Kunstpfad Purple Path, an dem Arbeiten von so namhaften Künstlerinnen und Künstlern wie Tony Cragg, Alicja Kwade und James Turrell stehen beziehungsweise noch aufgestellt werden.

Gemeinsam mit 38 Kommunen hat Kurator Alexander Ochs diesen Skulpturenparcours entwickelt. Denn die Bürgermeister wollten Kunst und Kultur für ihre Menschen. Und Ochs möchte, "dass die Kunst, die wir hierher bringen, mithelfen wird, dass die Region gesehen wird und dass sie anders gesehen wird".

Alexander Ochs, ein Mann mit Bart, hoher Stirn und Brille blickt direkt in die Kamera.
Alexander Ochs hat den Skulpturenparcours Purple Path kuratiert. Bildrechte: Mark Frost

Kein Mainstream und viel Individualismus

Gefragt sind dabei auch die Menschen aus Chemnitz und der Region. Das bereits angesprochene "Makertum" ist nämlich ein weiterer Leitgedanke: mit anpacken, eigene Ideen entwickeln, sich selbst einbringen und verwirklichen. Das umfassende Programm zeugt davon: 150 Projekte, mehr als 1.000 Veranstaltungen, umgesetzt von knapp 900 Akteuren. Der Weg dahin war nicht leicht, die Skepsis oftmals groß.

Stefan Schmidtke, ein Mann mit Glatze und weißem Dreitagebart, steht mit verschränkten Armen im braunen Hemd an einem Geländer zu einem lichtdurchfluteten Innenhof.
Stefan Schmidtke ist Prgrammchef für das Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz. Bildrechte: Philipp Köhler

Dieses etwas Kantige, das Besondere, ist eine unglaubliche Qualität. Die erzählt etwas über den Individualismus der Menschen.

Stefan Schmidtke, Kulturhauptstadt-Programmchef über Chemnitz

Doch gerade das zeichnet in den Augen von Programmchef Stefan Schmidtke die europäische Kulturhauptstadt 2025 aus. Er sagt, wenn Chemnitz eines nicht sei, dann Mainstream: "Dieses etwas Kantige, das Besondere, ist eine unglaubliche Qualität. Die erzählt etwas über den Individualismus der Menschen. Das ist für mich das große Erlebnis: dass die Besonderheit darin besteht, dass das Individuelle, was schwer zu erschließen ist, die größere Komponente hat."

Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: jb, hki, ks

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. Dezember 2024 | 15:45 Uhr

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