Eine Frau und ein Mädchen stehen vor einer großen Tür.
Dana Schray und ihre Mutter Birgit Halder wehren sich dagegen, dass Dana nicht auf einer regulären Schule inklusiv beschult wird. Bildrechte: Dana Schray

Inklusion auf dem Prüfstand Blinde Chemnitzer Schülerin kämpft vergeblich um Aufnahme an Gymnasium

03. August 2024, 12:15 Uhr

Die blinde 17-jährige Chemnitzerin Dana Schray will an einem regulären Gymnasium in Sachsen unterrichtet werden. Zunächst scheint das zu funktionieren. Doch dann sieht die Schulbehörde bei ihr einen besonderen Förderbedarf und will sie auf die Landesblindenschule schicken – mit der Möglichkeit, im Anschluss aufs Gymnasium zu wechseln. Dagegen wehrt sie sich seit über einem Jahr.

Die 17-jährige Dana Schray aus Chemnitz ist blind. Sie verfügt dennoch über ein geringes Sehvermögen und kann sich, wie sie sagt, selbstständig orientieren und auch normale Schrift lesen, wenn sie stark vergrößert ist. Als sie vor etwa zwei Jahren mit ihrer Mutter aus Baden-Württemberg nach Sachsen kam, hat sie zunächst das Europäische Gymnasium in Waldenburg besucht: "Ich habe dort mit einer Tafelkamera und einem Notebook gearbeitet. Die Schule hatte auch digitale Tafeln, Smartboards, die mir zur Verfügung gestellt wurden."

Für sie habe dies als Hilfsmittel ausgereicht. Als zusätzliche Unterstützung beantragt Danas Mutter eine Schulassistenz für sie, die ihr aber erst nach einer Klage vor dem Sozialgericht in Chemnitz zugestanden wird - kurz vor Schuljahresende und damit zu spät für sie, denn für zwei Monate sei keine Assistenzkraft zu bekommen.

Achte Klasse am Gymnasium in Waldenburg erfolgreich absolviert

Die achte Klasse im Schuljahr 2022/23 schließt Dana an dem Gymnasium dennoch mit einem Notendurchschnitt von 2,1 ab. Doch zwischenzeitlich habe sich das Landesschulamt in Chemnitz (Lasub) eingeschaltet und für die Schule in freier Trägerschaft "Gelingensbedingungen" aufgestellt, wie Schray sagt. Die Schule müsse einen Sonderpädagogen mit Förderschwerpunkt Sehen beschäftigen, um die inklusive Beschulung gewährleisten zu können.

"Doch selbst Regelschulen haben Schwierigkeiten, an solche Fachkräfte zu kommen," sagt die 17-Jährige, die sich beim Thema Inklusion gut auskennt – engagiert sie sich doch schon seit Jahren in ihrer Freizeit für die Rechte von blinden und sehbehinderten Menschen. Auch auf ihrem Instagram-Account zeigt sie als "Miss.open-eyes-live", wo es Hürden für Blinde gibt, etwa in der Chemnitzer Innenstadt.

Doch all ihre Fähigkeiten und ihr Engagement auch außerhalb der Schule genügen nicht, dass sie in Waldenburg weiter aufs Gymnasium gehen kann. Da die Schule die "Gelingensbedingungen" nicht erfüllen kann, kündigt sie den Schulvertrag mit Dana Schray.

Rechtsstreit mit Schulbehörde endet mit Niederlage für Schülerin

Seither streiten Dana und ihre Mutter vor Gerichten um ihr Recht, dass Dana auf ein reguläres Gymnasium gehen kann - letztlich ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen lehnt ihre Klage gegen die Schulbehörde bereits in zweiter Instanz ab. Auch dass sie hilfsweise an einer Fernschule beschult wird, lässt das Gericht nicht zu.

Das Gericht folgt in dem Urteil weitgehend der ersten Instanz: Es gebe kein allgemeinbildendes Gymnasium in unmittelbarer Nähe der Schülerin, dass "die Gelingensvoraussetzungen" für eine inklusive Beschulung sicherstellen könne.

Lasub empfiehlt zunächst Landesblindenschule in Chemnitz

"Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es im Freistaat Sachsen eine freie Schulwahl gibt und eine inklusive Beschulung auch an einem Gymnasium möglich ist", sagt Landesschulamtssprecher Clemens Arndt auf Anfrage von MDR SACHSEN. Erfolgreiche Beispiele seien der Fall eines Plauener Schülers und auch von Schülern des Chemnitzer Andrégymnasiums.

Dieses empfiehlt die Lasub auch für Dana Schray: "Die inklusive Beschulung von Schülern am Andrégymnasium erfolgt erst ab Klassenstufe 10. Dem geht der Vorbereitungsprozess dieser Schüler auf den gymnasialen Bildungsgang an der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte voraus." Das Gymnasium biete optimale räumliche, sächliche sowie personelle Voraussetzungen zur Unterrichtung blinder bzw. hochgradig seheingeschränkter Schüler, so Sprecher Arndt.

Finger fahren über eine Seite mit Brailleschrift
Dana Schray kann auch ohne die Brailleschrift Texte lesen, weil sie über ein Restsehvermögen verfügt. Bildrechte: colourbox

Doch dafür müsste die 17-Jährige zuvor noch einmal zwei Jahre die Landesblindenschule in Chemnitz besuchen. "Ich wäre auf der Landesblindenschule unterfordert. Ich war schon auf dem Gymnasium. Deshalb ist das nicht gerechtfertigt, dass man mich auf eine Förderschule runterstuft." Außerdem würde sie Zeit verlieren, weil sie nach der 10. Klasse an der Blindenschule noch einmal die 10. Klasse an dem Gymnasium absolvieren müsste.

Dana Schray hat sich deshalb inzwischen an einer Fernschule in Hamburg eingeschrieben und möchte auf diesem Weg ihr Abitur machen, auch wenn sie damit gegen die Schulpflicht verstößt. Dagegen will das Lasub nun ebenfalls vorgehen und hat Anzeige erstattet.

Ich wäre auf der Landesblindenschule unterfordert. Ich war schon auf dem Gymnasium.

Dana Schray blinde Schülerin

Ein Mädchen mit Blindenstock steht vor einer Wand.
Die 17-jährige Dana Schray möchte trotz ihrer starken Sehbehinderung auf ein reguläres Gymnasium in Sachsen. Doch Behörden und Gerichte sehen die nötigen Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Bildrechte: Dana Schray

Inklusionsbeauftragter: Schulgesetz nachschärfen

Der Landesbeauftragte für Inklusion in Sachsen, Michael Welsch, sagte auf Anfrage von MDR SACHSEN, er habe sich gemeinsam mit dem Kultusministerium darum bemüht, eine Möglichkeit der Beschulung für die 17-Jährige zu finden. Doch letztlich habe sich kein Gymnasium in der Region bereit erklärt, Dana aufzunehmen.

Das liege auch am Sächsischen Schulgesetz. Dieses müsse in der nächsten Legislaturperiode so nachgeschärft werden, "dass im Gebiet eines jeden Kooperationsverbundes in jeder Schulart, die inklusive Unterrichtung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Förderschwerpunkten fachlich, personell und sächlich bedarfsgerecht sichergestellt werden muss."

Insgesamt werden laut Welsch 147 blinde oder sehbehinderte Schülerinnen und Schüler in Sachsen inklusiv beschult, also in einer regulären staatlichen Schule. Etwa noch einmal so viele blinde Schüler sind es an Förderschulen.

Warum das in vielen Fällen in Sachsen offenbar funktioniert, aber bei Dana Schray in Chemnitz nicht, lässt auch Reiner Delgado vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband ratlos. "Als Verband halten wir es für unzumutbar, dass eine Schülerin, die offenbar in der Lage ist, ein Gymnasium zu besuchen, in eine Förderschule gehen soll."

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 31. Juli 2024 | 05:00 Uhr

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