Experten-Interview Warum sprechen Menschen anonyme Bombendrohungen aus?
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04. Februar 2024, 08:00 Uhr
Bombendrohungen gegen Ämter, Schulen und Musikbands: All das gab es in Sachsen in den vergangenen Jahren. Auch wenn kein Schaden eintrat - der Aufwand für die Polizei war jedes Mal hoch, weil sie die Drohungen ernst nehmen muss. Aber warum bedrohen Menschen anonym andere? Der Sozialpsychologe der TU Chemnitz und Leiter des Zentrums für kriminologische Forschung Sachsen, Prof. Dr. Frank Asbrock, kennt die Motive und weiß, was Trittbrettfahrer bezwecken wollen.
MDR SACHSEN: Der MDR hat am Mittwoch über eine Bombendrohung gegen das Gutenberg-Gymnasium in Erfurt berichtet, vorige Woche gab es Drohungen gegen Schulen in Aue und Bautzen. Gibt es die häufiger als noch vor zehn Jahren?
Frank Asbrock: Es gibt immer dann Häufungen, wenn es eine Drohung gab und darüber berichtet wurde. Dann folgen Nachahmungstäter. Die Drohungen stehen meist nicht in Zusammenhang. Ob es insgesamt mehr solcher Bombendrohungen gibt, lässt sich schwer sagen, weil das nicht explizit erfasst wird, sondern in den Tatbestand der Androhung einer Straftat fällt. Dazu gehören auch Androhungen von Raub, Mord, Körperverletzung.
Was man sagen kann ist: In den vergangenen zehn Jahren ist die Kriminalität bundesweit und auch in Sachsen zurückgegangen. Viele Menschen empfinden das anders, aber die Zahlen belegen das eindeutig.
Warum sprechen Menschen eine anonyme Bombendrohung aus?
Da gibt es viele Motive. Ein terroristischer Hintergrund und Sympathien mit Terroristen sind nicht sonderlich häufig. Häufiger ist es Frustration über den Bedrohten, also gegenüber einer Behörde, einem Mitschüler oder der Schule. Wir erleben, dass Menschen nach negativen Erlebnissen Feindseligkeiten gegenüber Institutionen oder Menschen ausleben. Es gibt auch politische Motive, beispielsweise gegen Musikbands.
Und welche psychologischen Anreize stecken noch dahinter?
Psychologisch gesehen geht es den Drohenden oft ums Befriedigen ihres Kontrollbedürfnisses. Also Kontrolle ausüben nach dem Motto: Ich löse einen Einsatz aus, andere beobachten das, sind betroffen. Der Täter oder die Täterin beobachtet den Schaden, den er oder sie anderen zugefügt hat. Das befriedigt deren Kontrollbedürfnis. So eine Bedrohung ist ja auch relativ unaufwendig zu organisieren.
Bombendrohungen sind eine Straftat, keine Kleinigkeit.
Sie sagen "unaufwendig". Erleichtert die Computertechnik derartige Bombendrohungen?
Eine E-Mail schreiben reicht. Keiner muss mehr Briefe mit einzelnen Buchstaben kleben und anonym irgendwo hinbringen. In einer Schule ist auch schnell angerufen. All das scheint anonymer als früher. Ist es aber nicht. Was viele Täter nicht beachten ist, dass gerade diese Kommunikationswege schnell nachverfolgt werden können. Viele Taten sind schlecht organisiert, das zeigt auch die hohe Aufklärungsquote.
Man muss aber auch sagen, dass es durch Cyberkriminalität für Täter viel mehr Möglichkeiten gibt als früher. Es gibt auch Hacker und Hackerinnen, die bedrohen, weil sie es können. Sie agieren oft international. Über Ländergrenzen hinweg ist es schwerer, an solche Leute heranzukommen.
In Sachsen waren die ermittelten Täter bei Bombendrohungen fast ausschließlich Jungen und Männer im Alter von zehn bis 70 Jahren. Was leiten Sie daraus ab?
Man sollte da nicht zu viel hinein interpretieren. Bei Bombendrohungen reden wir über eine sehr kleine Anzahl von Straftaten. Empirisch spricht nichts dafür, dass die Täter immer jünger werden. Das Alter der Täter kann im Zufallsschwankungsbereich liegen. Grundsätzlich gilt: Kinder haben einen anderen Zugang zur Technik, sind sich der Dinge häufig nicht bewusst, die sie tun und Nachahmungstäter. Der mit Abstand größte Anteil der Täter sind erwachsene Männer.
Sie sagen, die Aufklärungsquote sei hoch. Müsste das nicht vom Aussprechen einer Bombendrohung abschrecken?
Tja. Die Aufklärungsquote bei Mord ist auch hoch und Menschen bringen andere um. Man könnte meinen, dass die hohe Aufklärungsquote Spontantäter abschreckt. Wir wissen aber aus der Forschung, dass die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, nicht von der Tat abhält. Bombendrohungen sind eine Straftat, keine Kleinigkeit.
Das Strafmaß nach Androhung einer Straftat liegt bei bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafen.
Es würde nicht schaden, das in der Präventionsarbeit in sozialen Medien, Schulen und in der Öffentlichkeit stärker zu betonen. Das Strafmaß nach einer Androhung einer Straftat liegt bei bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafen. Es muss klar werden, dass die Polizei zu den Drohungen ermittelt, auch wenn keine Bombe gefunden wurde. Denn Drohungen müssen immer erst genommen werden. Das gebietet der Schutz der Bevölkerung.
Vielen Dank für das Gespräch.