Sponsoring Hat Görlitz bald ein "Coca-Cola-Theater"?
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04. September 2024, 10:27 Uhr
Das Theater in Görlitz könnte schon bald den Namen eines Sponsors tragen. Wie Intendant Daniel Morgenroth ankündigte, bietete das Haus seine Namensrechte zum Verkauf an – eine Finanzierungsidee, die es bislang an keinem öffentlichen Theater in Deutschland gegeben habe. Demnach können Unternehmen oder Privatmenschen für eine Saison gegen Geld ihren Namen über das Haus schreiben – so, wie es etwa bei Fußballstadien üblich ist.
- Das Theater Görlitz-Zittau bietet Unternehmen an, über Sponsoring ihren Namen über das Theater zu schreiben.
- Die Idee orientiert sich an der gängigen Praxis im Profi-Sport, ist aber noch nie an einem öffentlichen Theater in Deutschland praktiziert worden.
- Hintergrund sind andauernde finanzielle Probleme des Theaters, die auch andere Häuser in Sachsen haben.
Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau geht ungewöhnliche Wege, um aus seiner finanziellen Schieflage zu kommen. Es bietet die Namensrechte am Theater für Sponsoren an. Das sei keine Kunstaktion, sondern ernst gemeint, bestätigte Intendant Daniel Morgenroth MDR KULTUR.
Noch trägt das Haus den Namen des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann. Künftig sollen Unternehmen oder Privatpersonen die Namensrechte erwerben können. Die Idee, sich in irgendeiner Art von außen mitfinanzieren zu lassen, steht in Görlitz schon länger zur Debatte.
Diese Aktion ist sehr ernst gemeint.
Angebot an Sponsoren
Wenn es nach dem Intendanten geht, könnte das Theater beispielweise demnächst "Coca-Cola-Theater Görlitz-Zittau" oder "Rheinmetall-Theater Görlitz-Zittau" heißen. Man sei offen für alle Unternehmen. Morgenroth sagte, rote Linien sehe er nur "im Bereich des guten Geschmacks" und bei Parteien.
Jedes erfolgreiche Unternehmen könne sich bewerben und ein Gebot für die Namensrechte für die Spielstätten in Görlitz und Zittau abgeben, erklärte Morgenroth. Bei der Auswahl der Sponsoren fände er "moralischen Snobismus fehl am Platze."
Warum muss das Theater Gerhart Hauptmann heißen? Warum könnte es nicht Coca-Cola-, Red-Bull-Theater oder von mir aus auch Rheinmetall-Theater heißen?
Neuer Name für eine Spielzeit
Die beiden großen Häuser seien "prachtvolle Immobilien in allerbester Stadtlage", warb Morgenroth. Er fände es schön, wenn Unternehmen sich so für Kunst und Kultur engagierten. Inhaltlich solle es keine Abstriche bei der Arbeit des Theaters geben.
Verkauft werden laut Theater die Namensrechte an den Häusern sowie die Nennung auf der Homepage, in Printprodukten, auf Plakaten und Social-Media-Plattformen. Auch das Logo des Unternehmens könne an den Hausfassaden angebracht werden. Die Namensrechte würden exklusiv und vorerst nur für eine Spielzeit verkauft. Bei Erfolg der Aktion "kann dies zu einem Erfolgsmodell für viele Theater deutschlandweit werden", so Morgenroth.
Revolutionäre Idee oder Ausverkauf?
Im Sport ist es schon lange üblich, dass Unternehmen die Namensrechte an Stadien oder Veranstaltungshallen erwerben. So heißt das einstige Leipziger Zentralstadion schon seit Jahren Red-Bull-Arena. Diesen Ansatz nun auf ein öffentliches Theater zu übertragen, bezeichnete Intendant Morgenroth als eine "revolutionäre Idee im Kulturmarketing". Das Werbepotenzial sei riesig.
Die Hochkultur darf sich dem Sponsoring hier nicht länger verschließen.
"Mit den Namensrechten an unserem Haus erreichen Unternehmen jährlich über 150.000 Zuschauer sowie knapp eine halbe Millionen Menschen im gesamten Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien", argumentierte Morgenroth. "Darüber hinaus sind Menschen im Theater und Konzert emotional ergriffen und offen für neue Impulse."
Die Hochkultur dürfe sich dem Sponsoring nicht länger verschließen. Schließlich könne man Werbepartnern ein exzellentes und zahlungskräftiges Klientel bieten. "Darüber hinaus bieten wir als Institution der Hochkultur hervorragende Übertragungseffekte für die beworbene Marke."
Finanzprobleme an Sachsens Theatern
Morgenroth macht schon lange auf die finanzielle Situation seines Theaters aufmerksam. Große Aufmerksamkeit bekam er mit seiner Ankündigung im Frühjahr 2023: "Wenn nichts passiert, melden wir hier im Laufe des Jahres noch Insolvenz an." Dem Theater fehlte ein Millionenbetrag. Nach Notfallrettungsfonds sehe es im nächstem Jahr für das Theater Görlitz-Zittau und viele weitere Theater erneut sehr düster aus, warnte Morgenroth.
Ab nächstem Jahr sieht es für viele Kolleginnen und Kollegen und auch für uns sehr düster aus.
"Die Finanzlage der Theater, insbesondere der kommunalen Theater, ist immer wieder sehr knapp", erklärte Morgenroth. Das Theater werde immer wieder aufgefordert, mehr Eigenmittel beizubringen und mehr Sponsoren zu finden.
Auch andere Stadt- und Kulturraumtheater in Sachsen stehen derzeit vor der Frage, ob sie bald neue Wege bei der Finanzierung ihrer Einrichtungen gehen müssen. Die Theater und Orchester haben große finanzielle Probleme. Gründe dafür sind Tariferhöhungen, hohe Energiepreise und inflationsbedingt gestiegene Kosten.
Nach Gesprächen mit der Politik wurden den betroffenen Theatern für 2023 und 2024 4,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das bezeichnete MDR KULTUR-Sachsen-Korrespondentin Grit Krause als eine Zwischenlösung. Die kommende Landesregierung müsse nun über die endgültige Absicherung der Theater- und Orchesterlandschaft im Freistaat entscheiden. Darauf hofft auch Daniel Morgenroth.
Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause, Carsten Tesch), Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH
Redaktionelle Bearbeitung: bh, hro, hki
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2024 | 08:40 Uhr