Ehrenamt Nicht jammern, selber machen: So retten Buchliebhaber die Bibliothek von Reichenbach
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18. August 2024, 09:00 Uhr
Kleine Bibliotheken auf dem Land haben es schwer, denn sie haben wenige Nutzer, aber hohe Kosten. In Sachsen sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100 Bibliotheksstandorte verschwunden. Die Bibo in Reichenbach bei Görlitz sollte Ende 2023 auch schließen. Doch ihre Stadt ohne Bibliothek wollten sich viele Reichenbacher nicht vorstellen. Ein paar von ihnen schlossen sich zusammen, tüftelten an einem Konzept und betreiben seit März ihre Bibo einfach selber.
- In Reichenbach bei Görlitz hat ein Verein die Bibliothek gerettet. Sie wird jetzt ehrenamtlich betrieben.
- Für aktuelle Bücher und Medien sorgt die Kreisergänzungsbibliothek.
- Der Verein will die Bibliothek zu einem Treffpunkt für alle Generationen machen.
Die Bibliothek in Reichenbach hat viel Platz für Lesefreunde: Im großen lichtdurchfluteten Raum kann man sich mit einem Buch in einer gemütliche Sitzecke niederlassen oder einfach in den Regalen stöbern. Dort stehen Ratgeber, historische Romane, Krimis, Kinderbücher, Belletristik. Für den Reichenbacher Heinrich Zimmermann ein toller Ort, der nicht einfach untergehen sollte.
Wir haben hier so etwas Tolles. Das darf doch nicht so einfach sang- und klanglos untergehen.
Bibliothekare im Ehrenamt
Deshalb wollten er und andere Bücherenthusiasten die Bibliothek vor der Schließung retten. Sie gründeten den Bibo Reichenbach e.V., dessen Vereinschef Heinrich Zimmermann nun ist. Seit März 2024 betreiben sie offiziell ihre kleine Bibliothek. Vorher hatte das die Kultur- und Weiterbildungsgesellschaft des Landkreises Görlitz getan. Doch die wollte nicht mehr, weil die Kosten zu hoch und die Leserzahlen dafür zu niedrig waren. Durch den Verein läuft die Organisation nun ehrenamtlich.
Liebe zum Buch reicht nicht, auch Technikkenntnisse nötig
Ein Team von etwa zehn Leuten kümmert sich um Bücherbestand, Ausleihe und Veranstaltungen. Alle verbindet die große Liebe zum Buch und zum Lesen. Die Bibliothek bringe aber auch manche Herausforderung mit sich, erzählt Carola Dlouhy. Sie ist für die Ausleihe verantwortlich. Am meisten habe ihr die technische Seite Bauchschmerzen verursacht: "Wir brauchen zum Beispiel Barcodes, um die Bücher zu scannen. Auch die Signaturen müssen wir einpflegen." Damit kenne sie sich nicht aus.
Am Anfang hatte ich schon Bauchschmerzen. Denn meine technischen Kenntnisse sind eher auf dem unteren Level. Da reicht die Liebe zum Buch nicht aus.
Zum Glück gehört auch Maik Gramatter zum Bibo-Team. Der Software-Ingenieur hat eine kleine Tochter, die gerne liest und mit der er in den vergangenen Jahren oft in der Bibliothek war. "Deshalb kannte ich mich zumindest mit dem Bestand der Kinderbibliothek bestens aus", erzählt er mit einem Augenzwinkern.
Inzwischen ist er auch Vereinsmitglied und kümmert sich um die technische Betreuung von Ausleihe und Bestandspflege. Die kleine Bücherei hat immerhin knapp 7.000 Medien, darunter auch CDs, DVDs, Hörspiele oder Computerspiele. "Wir experimentieren noch ein bisschen mit dem Angebot. Denn nur etwas zum Lesen wäre langweilig", findet Maik Gramatter.
Immer etwas Neues im Regal
Damit es immer etwas Neues gibt, arbeitet der Verein mit der Kreisergänzungsbibliothek in Zittau zusammen. Es sei eine Art Bibliothek für alle Bibliotheken im Landkreis, erklärt Carola Dlouhy. Der Medienbestand in Reichenbach stamme zum größten Teil von dort. Wenn Bücher bei ihnen nicht so gefragt seien, könne man diese dort tauschen. Dadurch käme immer wieder neuer Lesestoff dazu. "Kürzlich waren wir außerdem in der Landesfachbibliothek in Chemnitz und haben dort auch einen Schwung Bücher leihweise erworben." Schließlich soll das Angebot für die aktuell gut 130 Leserinnen und Leser nicht langweilig werden.
Bibliothek Reichenbach
Öffnungszeiten:
Montag und Donnerstag | 13 - 18 Uhr
Freitag | 9 - 13 Uhr
jeweils der 1. Samstag im Monat | 9 - 12 Uhr
aktuelle Veranstaltungen:
Buchgeflüster | 22. August, 18 Uhr
Lesecafé | ab 4. September, 15 Uhr, immer am 1. Mittwoch im Monat
Musikalisch-literarischer Kästner-Abend | 13. September, 19 Uhr
Vesper-Konzert | 29. September, 15 Uhr
Bücherei als Ort der Begegnung
Dazu gehört auch, dass die Bibliothek auch ein Ort der Begegnung sein will. "Wir wollen einen Platz für alle schaffen", sagt Vereinschef Heinrich Zimmermann. Denn nur Bücher ausleihen reiche heute nicht mehr, um eine Bibliothek zu betreiben. Deshalb will der Verein mit Veranstaltungen die Generationen zusammenbringen. Die Vereinsmitglieder machen es vor, denn bei ihnen mischen sich Jung und Alt.
Lese-Picknicks und "Buchgeflüster"
Barbara Appolt zum Beispiel ist 75 Jahre alt und kommt extra aus Görlitz, um die Bibliothek zu unterstützen. Für die ehemalige Lehrerin ist die Bibliothek der zentrale Ort, in dem sich ganz viel abspielt: "Deshalb versuchen wir viele Möglichkeiten zu finden, um die Leute herzuholen." Also gibt es Angebote für Schulen und Kindergärten, wie Lese-Picknicks, Führungen oder thematische Veranstaltungen. Barbara Appolt bietet außerdem für die Senioren ab September ein monatliches Lesecafé an. Dazu kommen Reihen wie das "Buchgeflüster", bei dem Vereinsmitglieder Bücher vorstellen oder auch musikalisch-literarische Lesungen. Bis Jahresende ist der Veranstaltungskalender schon gut gefüllt.
Die Bibliothek ist der zentrale Ort und gehört eigentlich auf den Marktplatz, bildlich gesprochen. Hier spielt sich vieles ab. Deshalb versuchen wir viele Möglichkeiten zu finden, um die Leute herzuholen.
Bis Ende 2025 ist der Betrieb der Bibliothek erst einmal finanziell gesichert. Solange bezahlt die Stadt die Betriebskosten. Der Verein hofft, dass er bis dahin einen Weg gefunden hat, dass die Bibliothek ein zentraler Ort in der Stadt bleibt.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 13. August 2024 | 16:30 Uhr