Sommerkurs Warum Menschen aus aller Welt in Bautzen Sorbisch lernen
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27. Juli 2024, 04:00 Uhr
In Bautzen lernen jeden zweiten Sommer Menschen aus aller Welt Sorbisch. In diesem Jahr haben an dem zweiwöchigen Sprachkurs des Sorbischen Instituts 31 Menschen aus acht Ländern teilgenommen. Der Kurs endet am Samstag. Die Sprachschüler reisten unter anderem aus China, den USA oder Tschechien an. Ihre Motivation: Die einen haben familiäre Wurzeln in der Lausitz, andere wollen sich wissenschaftlich mit dem Sorbischen beschäftigen oder interessieren sich für die Probleme nationaler Minderheiten.
- Der Sprachkurs wird vom Sorbischen Institut in Bautzen seit 1992 angeboten.
- Teilgenommen haben viele Studierende und Forschende der Slawistik.
- Wie viele Minderheitensprachen ist das Sorbische vom Aussterben bedroht.
Im Internat des Sorbischen Gymnasiums in Bautzen herrscht ein reges Kommen und Gehen. Für zwei Wochen sind hier die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des internationalen Sommerkurses für Obersorbische Sprache eingezogen. Manche kommen gerade zurück vom gemeinsamen Mittagessen. Andere machen sich schon wieder auf den Weg zum Unterricht. Konversation steht auf dem Programm.
Antony und Wiktor geben eine Kostprobe: "Rěkam Tony, přińdu z Ameriki", sagt Antony und verrät damit seinen Namen und Herkunftsort. Wiktor antwortet ihm: "Dobry dźeń, rěkam Wiktor a lubuju serbšćinu." Er hat seinen Satz mit "Guten Tag" begonnen und formuliert, dass er Sorbisch liebt.
Lange Tradition am Sorbischen Institut Bautzen
Es ist Tag drei des Sprachkurses, den das Sorbische Institut in Bautzen alle zwei Jahre im Sommer ausrichtet. Seit 1967 gibt es dieses Angebot. Anfangs noch in Leipzig, findet der Kurs seit den 1990er-Jahren in Bautzen statt. 31 Menschen aus acht Ländern sind dieses Mal dabei. Vor allem angehende Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Antony Burger ist aus New Jersey angereist. Mütterlicherseits mit Tschechisch aufgewachsen, interessiert er sich für slawische Sprachen. Sorbisch entdeckte er durch Zufall. Er habe auf Wikipedia einen Artikel auf Sorbisch gefunden, erzählt er. "Ich konnte es fast verstehen, weil ich Tschechisch spreche. Und dann hat es mich einfach so ergriffen und ich wollte mehr wissen und lernen."
Der Student der vergleichenden Sprachwissenschaft entdeckte bei einem Austauschsemester in Berlin eine Sorbische Ausgabe des Fantasy-Romans "The Hobbit". Er habe das Buch gekauft und es toll gefunden. Nun freue er sich, hier in Bautzen auf Gleichgesinnte zu treffen, die er sonst nie kennengelernt hätte.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Sorbisch-Kurses kommen aus verschiedenen Ecken der Welt. Anthonys Mitbewohner sei Pole, habe sechs Jahre in Irland gewohnt und lebe jetzt in Slowenien, erzählt er: "Das ist ziemlich faszinierend, wie alle Menschen zum Sprachenlernen kommen."
Eintauchen in die Sprache und Kultur der Sorben
Kursleiter Fabian Kaulfürst hat bei der Planung des Sommerkurses auch darauf geachtet, dass sich möglichst keine Landsleute ein Zimmer teilen. So gerät niemand in Versuchung, in seiner Muttersprache zu kommunizieren.
Man versuche, ein immersives Sprachlernmodell anzubieten, das ein "Eintauchen in die Sprache" ermögliche, so Kaulfürst. Vormittags werden Vorträge angeboten, Nachmittags ist Konversation angesagt. "Wir geben uns Mühe, ein sorbischsprachiges Umfeld zu schaffen", erklärt der Kursleiter.
Im Internat arbeiteten beispielsweise drei studentische Hilfskräfte mit sorbischer Muttersprache. Diese würden mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern abends Spiele spielen, Geschichten erzählen oder auch einfach so im täglichen Leben mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Sorben sind Teil der Lausitz
Dass dieser Kurs schon seit so vielen Jahren stattfindet, empfindet Fabian Kaulfürst als wichtiges Signal – auch an die sorbische Gemeinschaft in und um Bautzen. "Unsere Sprache kann ja nicht so ganz verkehrt sein, wenn so viele Leute aus der ganzen Welt sich dafür interessieren", erklärt Kaulfürst den Eindruck vieler Sorben.
Der Kursleiter konstatiert, dass sich in diesem Jahr wieder vermehrt Slawistinnen und Slawisten für den Kurs interessiert hätten. "Weil von dieser Schiene her kommen wir ja und als wissenschaftliches Institut bieten wir diesen Kurs vornehmlich auch für Slawisten an", erklärt er. Denn so tragen die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Sprache in die ganze Welt. Etwa, indem sie im Fachbereich Slawistik auch Sorbischkurse anbieten oder darüber forschen.
Interesse an Minderheitensprachen nimmt zu
Aus diesem Grund nimmt auch Jelena Topalov an dem Kurs teil. Die 31-Jährige kommt aus Nordfrankreich und spricht zehn Sprachen. Ihr besonderes Interesse gilt den Minderheitensprachen, nach Bretonisch und Okzitanisch kommt nun mit Sorbisch eine weitere dazu. Als Sozioliniguistin sieht sie für sich Einsatzmöglichkeiten überall in Europa, denn aus ihrer Sicht nimmt das Interesse an Minderheitensprachen überall zu.
Dann springen Jelena, Wiktor und Anthony auf. Es geht zum nächsten Konversationskurs. Im Gehen rufen sie sich noch ein paar Sätze zu – selbstverständlich auf Sorbisch.
Redaktionelle Bearbeitung: vp
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Vormittag | 19. Juli 2024 | 10:10 Uhr